Musiklabel "Die Jim Crow Records"

Songs aus dem Knast

05:36 Minuten
Leerer Gefängsnisflur mit Zellen auf der rechten und linken Seite im ehemaligen Hochsicherheitsgefängis von Alcatraz im US-Staat Kalifornien.
Hinter Gittern, aber dennoch hörbar: "Die Jim Crow Records" produziert Musikalben aus dem Knast. © picture alliance / Yuval Helfman
Von Arndt Peltner |
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Musik hinter Gittern gibt es schon lange. Das Besondere an dem US-Gefängnislabel "Die Jim Crow Records" aus Colorado ist: Es ist ein kommerzielles Label, das auf die Diversität der Musiker im Gefängnis und damit ein Zeichen gegen Diskriminierung setzt.
Territoral ist eine Band, die aus sieben Musikern besteht, die in der "Territorial Correctional Facility" in Cañon City, Colorado, untergebracht sind. Schwarze, Weiße, Native Americans. Darunter mehrere Mitglieder mit lebenslänglichen Haftstrafen.
Diese unterschiedlichen Männer haben sich hinter Gittern zusammengetan und eine gemeinsame Sprache gefunden, um mit ihrer Situation, aber auch mit dem, was sie hierhergebracht hat, umzugehen.
Musik hinter Gittern ist nichts Neues. Im kalifornischen Staatsgefängnis von San Quentin zum Beispiel saß in den 1930er-Jahren der Komponist Henry Cowell ein und schrieb dort einige seiner dunkelsten Stücke. In den 40er- und 50er-Jahren waren etliche bekannte Jazzmusiker aufgrund ihrer Heroinsucht, wie Art Pepper und Frank Morgan, in San Quentin und formten dort eine einmalige Jazz-Supergroup.

Mit Stereotypen aufräumen

Doch was" Territorial" aus Colorado so anders macht: Ihre Musik wurde auf einem kommerziellen Label veröffentlicht.

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Fury Young ist der Chef und Gründer von “Die Jim Crow Records”. Er erzählt: "Wir sind das erste Plattenlabel in den USA für von der Justiz betroffene Musiker. Also all jene, die im Gefängnis sind oder waren. Unsere Aufgabe besteht darin, mit den Stereotypen über Rassenunterschiede in amerikanischen Gefängnissen aufzuräumen, indem wir unseren Künstler eine kraftvolle Stimme geben.
 Eigentlich wollte Fury Young nur ein Album mit Musik von Strafgefangenen veröffentlichen. Dazu kam es nie, denn Young merkte schon bald, dass es so viele gute Musikerinnen und Musiker hinter den dicken Gefängnismauern gibt.

"Großartige Community von Musikerinnen und Musikern"

"Wir sind 2019 von diesem Trip zurückgekommen, auf dem wir 25 weitere Leute in drei Gefängnissen aufgenommen haben", erinnert sich Young. "Und da wurde mir klar, das passt niemals auf nur ein Album, noch nicht mal auf ein Doppelalbum mit 20 Songs. Warum also sollten wir einen rechteckigen Pflock in ein rundes Loch pressen, wenn wir hier eine so großartige Community von Musikern und Künstlerinnen haben, deren Stimmen gehört werden sollten. Nicht nur auf einem Konzeptalbum, sondern vielleicht auf Alben mit ihren eigenen Konzepten, in Songs, die für sie persönlich sind."
Die Idee für dieses Label kam Fury Young schließlich, nachdem er das Buch “The New Jim Crow” von Michelle Alexander gelesen hatte. Darin geht es um den Rassismus im amerikanischen Strafjustizsystem. Für Young war klar: Er wollte denen eine Stimme geben, die nur zu oft hinter den Gefängnismauern vergessen werden. Und so wurde "Die Jim Crow Records" 2020 gegründet, ein Label, das für alle Genres offen ist.

Auf der Suche nach Produktionsräumen

Über Kontakte in mehreren Bundesstaaten fing Young mit seinen Aufnahmen im Knast an. "Anfangs habe ich einfach jeden angeschrieben, der in der Datenbank für Kunstprojekte im Strafvollzug zu finden war. Dabei war es mir nicht wichtig, ob sie was mit Musik machten. Ich schrieb Shakespeare-Theatergruppen und Literaturprogramme an und sagte ihnen: Hey, ich mache diese Musikgeschichte, gibt es bei euch irgendwas, wo man Musik aufnehmen kann?"
Was Fury Young wichtig ist zu betonen: "Die Jim Crow Records" ist kein einfaches Musikprogramm für Gefangene. Das Label will vielmehr hervorragende Musik veröffentlichen, die eben in amerikanischen Gefängnissen entstanden ist.

Kein Wohltätigkeitsverein

"Wir suchen Leute mit Talent. Sie sind nicht unbedingt professionelle Musiker, aber wir sind auch kein Wohltätigkeitsverein", stellt Young klar. "Wir wollen einen hohen Standard erreichen. Also nicht, dass wir kommen und du nimmst was Halbgares für deine Tochter auf, die es dann als Einzige hört. Wir pushen die Leute zu ihrem höchsten Standard, wir wollen großartige Musik veröffentlichen."

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