"Was immer du auch tust, sei der Beste darin"
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Der Sessionmusiker Jim Horn hat in 120.000 Songs mitgespielt und bereicherte viele Aufnahmen und Konzerte. Heute feiert der Multi-Instrumentalist seinen 80. Geburtstag und ist dank seiner Spielfreude unverändert vielen im Ohr.
Er hat mehr Songs gespielt als jeder andere Sessionmusiker: Der aus Los Angeles stammende Multi-Instrumentalist Jim Horn, ohne dessen Sound Aberdutzende von Millionensellern mit Sicherheit nicht dieselben wären. Es ist höchst unwahrscheinlich, diesen Musiker noch nie gehört zu haben. Ob nun als Sideman von Elvis Presley, Marvin Gaye, den Traveling Wilburys, U2 und unzähligen anderen Musikern. Heute wird Jim Horn 80 Jahre alt.
Sie hatten ihn gemietet. Und alles lief ebenso fix wie reibungslos an jenem 7. August 1968: Jim Horn kam auf die Minute pünktlich, ließ sich die Nummer kurz erklären, spielte drei Takes ein und steckte seine 200 Dollar in die Hemdtasche. Er schüttelte bedauernd den Kopf. Sorry, für einen Joint habe er keine Zeit. Er müsse gleich weiter zur nächsten Session.
Ohne Jim Horns Kunst ist Canned Heats Hippie-Klassiker "Going Up the Country" nichts weiter als ein beliebiger weißer Rumpelblues, wie man auf der Woodstock-Live-Version hören kann. Erst sein Flötenmotiv verlieh dem Song Idee, Leben, Aura. So gut wie jeder hat ihn schon einmal gelauscht, ohne je von ihm gehört zu haben, auf #1-Hits wie "You’ve Lost that Lovin’ Feeling" von den Righteous Brothers oder Tina Turners "River Deep, Mountain High".
Session-Musiker mit Disziplin
Sein Berufscredo fasste der hünenhafte Kalifornier so zusammen: "Mein Vater sagte immer: ‚Was immer du auch tust, sei der Beste darin.’ Und dazu war ich fest entschlossen, und das muss man auch sein. Ohne Disziplin ist man als Session-Musiker aufgeschmissen. Vor den Aufnahmen zu 'Strangers in the Night' kam Frank Sinatra zu mir rüber und sagte, 'Siehst du die Bar da drüben? Nimm erst mal einen Drink, und dann tüten wir den Scheiß ein.' Aber ich rührte mich nicht vom Fleck. Mir einen anzusaufen, war für mich schlicht undenkbar."
Horn hatte mit 17 Jahren den Twang-Sound des Gitarristen Duane Eddy mit der gewissen Vorspiel-Hitze auf Temperatur gebracht – per Saxophon, das im gottesfürchtigen Nashville seinerzeit nach wie vor als Instrument des Beelzebubs galt. Von dort war er nach und nach in die Sidemen-Szene von L.A. gerutscht – gepusht von dem legendären Drummer Hal Blaine, der wenige Jahre später mit ihm zusammen auf dem noch legendäreren "Pet Sounds"-Album der Beach Boys spielen sollte.
Dazu Jim Horn: "Keiner hat mich so sehr unterstützt wie Hal. Er pries mich an mit den Worten: 'Leute, Jim spielt Flöte, Saxophon und Klarinette, aber wie!' Und ich schaffte mir dann noch Oboe und Englischhorn drauf, weil er gesagt hatte: 'Je mehr Instrumente du spielst, desto mehr Aufträge kriegst du.'"
Den Flow der Songs erfühlen
Das Geheimnis des Musikers bestand darin, Spielfreude und technische Perfektion mit einem stupenden Sensorium zu verbinden: Der Gabe, den Flow der Songs zu erfühlen, mehr noch die Vorstellung des jeweiligen Künstlers instinktiv zu erfassen. Nicht zuletzt in dem Wissen, dass man auch als Bester unter Gleichen nur Tage später ein für allemal weg vom Fenster sein kann.
Der Produzent David Foster sagt dazu: "Ein großer Studiomusiker muss ein großer Musiker sein, Punkt, aus. Mittelmaß kann man sich nicht leisten, schlicht, weil Gut das Gegenteil von Großartig ist. Gut? Da draußen gibt es Tausende von großartigen Musikern, die dich morgen ersetzen können."
In den Siebzigern und Achtzigern war es unmöglich, Jim Horn nicht jede Viertelstunde im Radio zu hören: mit Jackson Browne, den Stones, Joni Mitchell, Bob Dylan, Isaac Hayes, Herbie Hancock, Randy Newman, Carole King. Auch so kann man eine ganze Ära prägen. Horn ist der einzige Musiker der Popgeschichte, der auf Solo-Alben aller vier Ex-Beatles gespielt hat.
Auf allen Platten dabei
Und von seinem Zusammentreffen mit den gefürchteten Ultra-Perfektionisten Steely Dan, die selbst einen Mark Knopfler zum Winseln brachten, ist nur bekannt, dass Horn wie üblich seinen Job erledigte. Der Gitarrist Rob McKnelley hat es so ausgedrückt: "Wenn du es auf ein Steely-Dan-Album schaffst, bist du der Härteste von allen."
Auf 120.000 Songs hat Jim Horn mitgespielt. Und vor fast einer Million Zuschauern im Central Park 1997, an der Seite eines staunenden Garth Brooks und des nicht minder verblüfften Billy Joel, der den damals 57jährigen König der Hired Guns – der sogenannten Mietmusiker – mit dem letzten verklingenden Ton des Saxophons so absagte: "Ladies und Gentlemen, so jemanden findet man in diesem Geschäft nur selten. Er ist eine wahre Legende und spielt auf allen Platten, die es je gab, aber er würde Ihnen das als Allerletzter erzählen. Er ist unglaublich am Saxophon, ein Mann außergewöhnlichen Talents und ein hoch geschätzter Freund: Mr. Jim Horn."