Zum Tod von Jimmie Durham
Jimmie Durham (1940-2021) stammte aus Texas und lebte seit 1994 in Rom und Berlin. © picture alliance / dpa | Holger Hollemann
Er rollte Stein auf Autos und formte Metall zum Baum
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Der US-Künstler und Aktivist Jimmie Durham ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Seine Skulpturen, etwa riesige Steinbrocken auf Limousinen, waren spektakulär. Warum Durham Objekte so liebte, erklärt Kai Vollmer, der Leiter seines Berliner Ateliers.
Ein neun Tonnen schwerer Vulkanstein, der aufs Dach einer schwarzen Limousine geworfen wird, eine Skulptur aus New Yorker Straßenabfällen, versehen mit den Insignien von Native Americans: zwei bekannte Kunstwerke von Jimmie Durham. Nun ist der US-Künstler im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.
Gegen den Größenwahn
Durham war ein Meister darin, den Größenwahn der USA, den Umgang mit den Native Americans und dem Kolonialismus aufs Korn zu nehmen. Er gehörte dem Stamm der Cherokee an, und war in den 1970er-Jahren Mitbegründer und Vorsitzender des International Indian Treaty Council bei der UNO. Durch sein Engagement kam es zur offiziellen Deklaration der Rechte indigener Völker.
Ein wesentliches Stilmittel seiner Arbeiten war der Humor, zum Beispiel bei dem Werk „Pocahontas' Underwear“: ein grellroter Damenslip, versehen mit lauter Perlen und Feder, der – typisch Jimmie Durham – auf plakative und ironische Weise darauf aufmerksam machte, wie die Figur der indigenen Pocahontas von der US-Kulturindustrie sexualisiert wurde. Solche Werke haben ihm aber auch Ärger aus allen möglichen Lagern eingebracht.
Ein Baum in Goslar als Zentrum der Welt
Jimmie Durhams Tod ist auch für die Berliner Kunstszene eine traurige Nachricht, denn er hatte dort seit über 20 Jahren ein eigenes Atelier. „Er war ein inspirierender und inspirierter Künstler, für den Leben und Arbeiten und Politik immer in eins gingen“, sagt Kai Vollmer, der als Leiter dieses Ateliers über zehn Jahre lang mit Jimmie Durham arbeitete.
Eine besondere Bedeutung hat für Vollmer die Skulptur „The Center of the World“ in Goslar: „Das ist eine Assemblage eines Baumes aus verschiedensten Materialien und Objekten, Elektrokabeln, Rohren, einem alten Golfschläger…“
Jimmie Durham, erzählt Vollmer, habe Materialien und Objekte so sehr geliebt, weil sie in seinem Gedankenprozess unterbrechen und intervenieren würden. Der Künstler fand, sie hätten die Gedanken klüger und weiser gemacht: „Anstatt der eigenen Vorstellungen, die man von den Dingen hat, haben die Dinge selber Einfluss auf einen“, zitiert Vollmer Durhams Credo.
Die Herausforderung, neu zu denken
Während seines Lebens in Europa hatte Durham die Idee der „Zentren“, die an verschiedenen Orten auf dieser Welt sein könnten und immer auch etwas mit Menschlichkeit zu tun hätten. Die Goslarer Skulptur spiele auch auf alte Ideen an, „dass Bäume einen zentralen Bestandteil von Communities, Gemeinschaften in alten Zeiten bildeten, an denen sich versammelt wurde, die etwas markierten, die eine Wichtigkeit hatten für alle zusammen.“
Was bleibt von Jimmie Durham und seiner Kunst? „Das Schöne ist, seine Werke bleiben natürlich und sind immer da, um von ihm umgeben zu sein“, sagt Kai Vollmer. „Für mich persönlich hat Jimmie Durham einfach mein Denken und meine ästhetische Auffassung von der Welt noch mal nachhaltig verändert, weil er immer anders als ich dachte und mich auch immer herausforderte, neu zu denken und die Dinge in einem anderen Licht zu sehen.“