Jiro Taniguchi: Ice Age. Chronicle of the Earth, Teil 1
Aus dem Französischen von Marcel Le Comte
Verlag Schreiber und Leser, Hamburg 2017
276 Seiten, 16,95 Euro
Apokalyptischer Eiszeit-Comic
Er gilt als Poet der Langsamkeit unter den Comic-Künstlern – nun ist "Ice Age" des Japaners Jiro Taniguchi auf Deutsch erschienen. Das Buch führt in eine apokalyptische Zukunft und zeigt eine andere, spannungsgeladene Seite seines Schaffens. Doch die Hauptfigur bleibt blass.
Die Comicwelt hat einen ihrer großen Autoren verloren: Am 11. Februar 2017 ist der japanische Comic-Künstler Jiro Taniguchi im Alter von 69 Jahren gestorben. In Japan wird er als einer der führenden Mangaka verehrt, in Europa und den USA gilt er als "Europäer" unter den japanischen Comic-Autoren, als ein Poet der Langsamkeit. Diesen Ruf hat sich Taniguchi mit seinen stillen, kontemplativen Büchern erarbeitet, eines davon, "Vertraute Fremde", wurde in Deutschland 2007 als erster Manga zum Comic des Jahres gewählt.
Zum ersten Mal auf Deutsch erschienen
"Ice Age. Chronicles of The Earth" zeigt eine andere Seite in Jiro Taniguchis Werk, seine Herkunft aus dem Genre-Erzählen. Als junger Mann hat Taniguchi viele Kriminal- und Boxerstorys gezeichnet. Seine Ice-Age-Saga hat Taniguchi zuerst 1988 in einer Zeitschrift veröffentlicht, jetzt kann man sie zum ersten Mal auf Deutsch lesen. "Ice Age" führt in eine apokalyptische Zukunft, in eine unter dicken Eisschichten erstarrte Welt.
Das Buch zieht seine Leser hinein in die Minen unter der Eiswüste Nunatak, dort arbeiten futuristische Maschinen-Ungetüme am Abbau von Bodenschätzen. Sie werden von Arbeitern in Gang gehalten, die diesen unwirtlichen Ort nur wegen der guten Bezahlung ertragen. Der Winter in Nunatak ist sowieso kaum auszuhalten, und nun kündigt sich eine Kälteperiode an, die noch länger und unerbittlicher zu werden droht als alle vorherigen. Nach einem schweren Unfall in der Mine und dem Abbruch des Kontakts mit der Außenwelt muss sich der junge Takeru auf den Weg über das Eis machen, um von weit her Hilfe für die in der Mine Eingeschlossenen zu holen.
Enormer Erfindungsreichtum
In diesem Science-Fiction-Abenteuer zeigt sich der enorme Erfindungsreichtum Jiro Taniguchis. Wie gigantische Spinnen krallen sich in Nunatak die Produktionsanlagen in den Eishöhlen, seltsam geformte Lastengleiter und Transportschiffe kreuzen durch die Luft. Durch die Natur toben Riesenbären, gigantische Wale brechen durch die Eispanzer. All das hat Taniguchi in einem fein ziselierten Schwarz-Weiß-Stil gezeichnet, sehr präzise und detailliert –man braucht Zeit, um alle Einzelheiten in diesen Bildern aufzunehmen. Das ganze Buch hat eine starke Spannung aus Tempo und Beruhigung, viele Seiten sind mit immer wieder anders angeordneten Panels sehr dynamisch gestaltet, dann wieder sorgt eine doppelseitige Landschaft in altjapanischer Manier für eine Ruhepause.
Der Held der Geschichte bleibt eher blass
Die optischen Reize sind bei diesem Buch stärker als die erzählerischen. Der Held des Buches, Takeru, bleibt eine eher blasse Gestalt, so wie alle um ihn herum. Wenn er aber am Ende dieses ersten Ice-Age-Buches nach Süden zieht, auf die Megalopolis Abyss zu, dann will man unbedingt wissen, welche Bauten und welche Wesen man in dieser von Jiro Taniguchi erfundenen Zukunft noch antreffen wird.