"Das Theater schafft Denkräume zu Fragen der Zeit"
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Kommunikation ist Jo Fabian wichtig. Der Schauspieldirektor am Staatstheater Cottbus sucht den Kontakt mit seinem Publikum, vor und nach den Vorstellungen durch das Gespräch mit den Zuschauern.
Die Premiere von Ibsens Klassiker "Ein Volksfeind" war am Cottbusser Staatstheater gar nicht geplant. Jo Fabian wollte "Dracula" aufführen lassen. Doch die Ereignisse in Cottbus von 2018 mussten für den Schauspieldirektor zu einer Reaktion führen, gerade auf der Bühne.
Da waren die internen Theater-Streitereien und der Intendanten-Rücktritt. Aber auch die Demonstrationen in der Stadt, die einen gegen Hass, die anderen gegen Ausländer. Für Fabian war danach klar: Der Spielplan muss geändert werden. Zur Situation am Theater und in Cottbus passte für ihn Ibsens "Ein Volksfeind", ein Stück, in dem es darum geht, was an die Öffentlichkeit kommen darf und was nicht, um den Disput zwischen Macht und Aufklärung. Für Fabian stellte sich die Frage:
"Kann man der Demokratie noch trauen? Was wir da in Cottbus erlebt haben als Wirklichkeit, diesen Aufschwung, den da populistische Bewegungen nehmen. Das hat dann eigentlich erst möglich gemacht, dass man zu einer konzeptionellen Idee in Bezug auf den Ibsen kommt, wo man nochmal zur Wiege der Demokratie zurückgeht, also ins alte Griechenland."
Der Volksfeind wird angereichert mit Material aus Aristophanes' "Die Weibervolksversammlung", auch um die Bedürfnisse der Frauen mit zu erzählen. Gegen den Vorwurf, den Ibsen-Text damit "zertrümmert" zu haben, verwehrt sich Fabian mit Vehemenz.
"Ich will natürlich alle im Theater haben"
In einem Umfeld, in dem die AFD bei Wahlen auf über 20 Prozent kommt, interessiert den Schauspieldirektor die Frage, wie frei Theater sein kann, und wie frei Kultur noch agieren kann. Also hat er alle Parteien im Brandenburger Landtag kontaktiert, sie gefragt, was sie zukünftig vom Theater erwarten, womit sein Haus in Zukunft rechnen muss und rechnen kann.
"Mich hat interessiert, wie die Parteien die Bedeutung oder die Funktion des Theaters in der Gesellschaft sehen und was sie daraus für eine Erwartungshaltung entwickeln."
Konkrete Antworten blieben die Parteien zwar bisher schuldig, aber es wurde gesprochen und es folgte eine Bedenkzeit. Man will im Dialog bleiben, "Ich fand es erstmal einen guten Beginn".
Kommunikation ist Jo Fabian wichtig. Er möchte vor allem auch mit seinem Publikum im Kontakt sein, vor und nach den Vorstellungen durch das Gespräch mit den Zuschauern. Interaktion ist elementarer Bestandteil seiner Arbeit.
"Das Theater schafft da Denkräume zu Fragen der Zeit, und stellt das als Diskussionsangebot auf der Suche nach Antworten, nach Alternativdenken zur Verfügung. Ich will natürlich alle im Theater haben und grundsätzlich gehe ich sogar davon aus, dass die, die da sind, sogar mitverantwortlich sind für die Zuschauer, die nicht gekommen sind. Das, was wir machen, geht von der Bühne in den Zuschauerraum und vom Zuschauerraum in die Stadt."
Theater als Freiraum
Dass Fabian überhaupt zum Theater ging, war auch eine Art Ausbruch aus der Enge des Elternhauses, mit einem Vater, der als Direktor im Ministerium für Kohle und Energie ein wichtiger DDR-Funktionär war. Er gab vor, dass Regeln nicht zu hinterfragen sind.
"Meine Jugend und Kindheit zuhause war eine Aufeinanderfolge der übelsten weltanschaulichen Auseinandersetzungen jeden Tag, die ich mit meinem Vater hatte; daher wurde natürlich auch der Absprung gut vorbereitet."
Das Theater schien ihm ein guter Weg, um die eigene Freiheit zu finden, auch wenn das nicht immer ganz einfach war:
"Ich konnte am Bauhaus arbeiten, natürlich immer nur bis dahin, dass die Inszenierungen verboten wurden. Aber trotzdem, ich konnte ja immerhin arbeiten."
Als "ungelernter" Regisseur, der wegen mangelnder parteilicher Organisation nicht Regie studieren durfte, ergab sich für ihn die Gelegenheit, sich als Schauspieler "Kollegen zu schnappen und dann selbstgeschriebene Stücke auf die Bühne zu bringen".
In den 90er Jahren gründete Jo Fabian die Freie Theatergruppe "example.dept", war als freier Theatermacher Gastregisseur an vielen deutschen Bühnen, unter anderem in Mülheim an der Ruhr, Cottbus, Dresden und Stuttgart tätig. Er entwickelte in diesen Jahren sein eigenes Theaterkonzept. Dazu gehört auch, dass er das Schauspiel mit Ausdrucksformen aus anderen Genres verknüpft, etwa dem Tanz oder der Oper.
30 Jahre lang arbeitete er so, bis er 2017 eine Festanstellung in Cottbus erhielt. Hier macht er immer noch wie früher vieles selbst, von den Kostümen bis zur Regie – und freut sich auf den neuen Intendanten, den Schweizer Stephan Märki.
(mah/ful)