Joachim Lottman: Happy End
Haffmans & Tolkemit, Berlin 2015
352 Seiten, 19, 95 Euro
Versöhnlicher Titel, bitterböser Inhalt
Der Schriftsteller Joachim Lottmann teilt in seinem neuen Roman "Happy End" einige böse Hiebe gegen Kollegen und Kolleginnen aus. Ist das einfach nur gemein - oder ein Echtzeitblick ins dunkle Herz des Literaturbetriebs?
Es scheint, als wolle der Popschriftsteller Joachim Lottmann nun endlich seinem Kollegen Rainald Goetz Recht geben. Der hatte einst in seinem Internet-Tagebuch "Abfall für alle" gestanden, Angst vor Lottmann zu haben, eine solche Angst, wie Goetz schrieb, "dass ich mir irgendwann dachte: Dieser Mensch ist wirklich böse".
Der neue Roman von Lottmann, "Happy End", ist nämlich ein böser, ein gemeiner Roman; einer, dem man das auf seiner so vergnüglich verplauderten Oberfläche zunächst gar nicht anmerkt. Lottmann erzählt - das macht er gerne - leicht fiktionalisierte Geschichten aus seinem Leben, seinem Privat- wie Schriftstellerleben. Und in diesem Lottmann-Leben hat es in den vergangenen Jahren zwei einschneidende Ereignisse gegeben: Er hat eine Frau kennengelernt, mit der er in Wien zusammenlebt. Elisabeth heißt sie in "Happy End", von ihm meist nur "Sissi" genannt.
Und Lottmann hat 2010 einen Literaturpreis bekommen, den Wolfgang-Koeppen-Preis, der alle zwei Jahre verliehen wird und dessen einziger Juror stets der aktuelle Preisträger ist. Sibylle Berg, Koeppen-Preisträgerin 2008, hatte sich als Preisträger 2010 für Lottmann entschieden. Der wiederum sorgte dafür, dass ihm die Stuttgarter Schriftstellerin 2012 Anna-Katharina Hahn nachfolgte. Warum aber? Das weiß er selbst nicht mehr so genau.
Um diesen Preis geht es auch in "Happy End". Hier ist es vor allem Elisabeth, "man muss sie sich als die hübschere Version der mittleren Susan Sonntag vorstellen", die ihn auf die Spur von Hahn bringt (die im Buch Werkmüller heißt), da er selbst sich vor lauter Kandidaten von Tex Rubinowitz bis Thomas Meinecke kaum entscheiden kann:
"Ich wusste nur noch, dass Elisabeth eine Autorin namens Sara-Rebecka Werkmüller oder so, ein Doppelname, ganz besonders gut gefallen hatte".
Boshaftigkeit mit Unterhaltungspotential
Es folgen genauso lustige wie eben boshafte Auslassungen über die zukünftige Koeppen-Preisträgerin und ihren Roman "Lebensschwärze", aus dem Lottmann genüsslich zitiert – oder besser natürlich, Lottmanns Ich-Erzähler, Johannes Lohmer. Der Fiktion soll ja Genüge getan werden. Nur hat man trotzdem die ganze Zeit Joachim Lottmann vor Augen. Und muss natürlich in den Werkmüller-Passagen in einer Tour an Anna-Katharina Hahn und ihren real existierenden Roman "Am schwarzen Berg" denken, gerade bei Lohmer/Lottmann-Sätzen wie: "Die Person war genauso ungenießbar wie die sogenannte Prosa, die sie schrieb." Diese Form von Boshaftigkeit hat ein hohes Unterhaltungspotential – wann zieht ein Autor schon einmal so über jemand anders her? Sie ist aber gleichfalls fragwürdig, zumal nicht zuletzt auch Sibylle Berg als Sibylle Berg so einiges abbekommt.
Ansonsten erzählt "Happy End", wie ein Schriftsteller das große Nichts mit Worten ausmalt, wie sein ausgefülltes Liebesleben inklusive Italienreise ihn der Notwendigkeit des Schreibens beraubt. Aber ein Buch will halt gefüllt werden, 405 Seiten, wie er sich vorstellt (es sind dann nur 350 geworden). Und so plaudert Lottmann alias Lohmer nach der Koeppen-Preisverleihung munter weiter vor sich hin.
Er teilt hier ein bisschen aus (Berlin, na klar, bei Lottmann für jedes Bashing gut) und dort (Elisabeth doch zu eifersüchtig), er gibt ein paar Kostproben seiner Kolumnistentätigkeit (Tierkolumnen) oder macht sich Gedanken über Alter und Jugend (Wien versus Berlin).
Manches ist witzig, manches gähnend langweilig, manches bemüht inkorrekt. Und man muss auch sagen: Lottmann fehlt gerade nach der Koeppen-Preis-Episode der Stoff. Das aber interessiert einen Joachim Lottmann nicht, bei ihm geht alles einfach immer weiter. Was nichts daran ändert, dass es selbst in seinem inzwischen aus neun veröffentlichten Romanen bestehenden Werk Höhen und Tiefen gibt. "Happy End" jedenfalls reicht, bei aller Perfidie, aller schön das Schreiber-Nichts umspielenden Lustigkeit, leider nicht an den vergnüglichen Drogenroman "Endlich Kokain" heran, mit dem Lottmann vor zwei Jahren ein umjubeltes Comeback feiern konnte.