"Man reagiert übersensibel auf das ganz Eigene"
Als Nilpferd Fontane zu zitieren, daran scheiterte er am Anfang seiner Schauspielerkarriere grandios. Doch längst ist Joachim Meyerhoff einer der besten seines Fachs. Und er ist auch als Schriftsteller erfolgreich.
Gestern Abend wurde Joachim Meyerhoff für sein Roman mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet. Wie Abgründe zur Quelle der Heiterkeit werden und warum er während seiner Schauspielausbildung lieber bei seinen Großeltern als in einer Studenten-WG lebte, darüber hat Joachim Meyerhoff sich mit Katrin Heise unterhalten.
Die Schauspielschule hatte er sich ganz anders vorgestellt:
"Ich wollte sozusagen nicht mit mir und meinem Kummer konfrontiert werden. Sondern ich dachte jetzt darf ich endlich mal Rollen spielen und bin weg von mir und von anderen. Aber auf der Schauspielschule ist es ja ein ganz langer Weg, bevor man da vielleicht andere Charaktere spielen darf, sondern ist man permanent mit sich selbst irgendwie in einem Raum gesperrt und muss mit sich selbst Zeit verbringen. Und auf einmal zerfällt man ja. Die Füße sind ach Meter unter einem. Und die Stimme klingt, als wäre man ein gequälter Frosch. Ja man reagiert übersensibel auf das ganz Eigene."
Seine Rettung seien damals seine Großeltern gewesen, bei denen er während seiner Ausbildung in München lebte. Den eigenwilligen Tagesablauf bei dem hochgebildeten Ehepaar beschreibt er in seinem jüngsten Buch "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke".
"Ich fühle mich da einfach komplett zu Hause. Und ich wusste, dass sie nicht mehr lange leben. Und plötzlich, ich kannte sich ja nur aus der Entfernung, so wie man Großeltern kennt. Und plötzlich wurde mir so klar, das ist auch die Chance meines Lebens, von den einen wirklich tiefen Eindruck mitzunehmen, der mehr ist als so einen Besuch. Und das hat sich irgendwie jetzt auch im Nachhinein, spürt man glaube ich auch in dem Buch, hat sich als sehr bereichernd erwiesen."
Authentische Gefühle machen einen guten Schauspieler aus
Joachim Meyerhoff ist längst ein gefeierter Schauspieler, zu sehen in großen Rollen auf großen Bühnen wie dem Burgtheater Wien oder dem Schauspielhaus Hamburg. Doch die Angst, ja "Panikattacken" sind geblieben. Es seien aber gerade diese authentischen Gefühle, die einen guten Schauspieler ausmachen.
"Nichts ist schlimmer als ein Schauspieler, der die Scham nicht spürt, also der wirklich ein schamloser Schauspieler ist, den das nichts kostet, der sagt 'Gut. Auf der Bühne mache ich eh alles', das wäre ein ganz furchtbarer Schauspieler. Nur ein Schauspieler, der auch weiß, was es heißt, Dinge zu tun oder zu durchbrechen kann ja ein Erlebnis in dem Zuschauer überhaupt auslösen."
Joachim Meyerhoff hat mit Regisseuren wie Jürgen Gosch, Jan Bosse oder Herbert Fritsch gearbeitet, wirklich berühmt wurde er jedoch in der Rolle des Schriftstellers. "Alle Toten fliegen hoch - Amerika" war zunächst ein Solo-Bühnenstück. Als Roman eroberten die traurig-komischen seiner Familie voller Abgründe die Bestsellerlisten. Das sei für ihn allerdings kein therapeutischer Akt gewesen.
"Die Sehnsucht in den Büchern ist natürlich auch groß, dass es so was wie Familie gibt. Oft ist natürlich Familie – auch meine Familie – viel bruchstückhafter als es dann in der Verdichtung von solchen Büchern vielleicht erscheint. Das ist natürlich auch viel nebeneinander her, und jeder lebt sein Leben und so. Aber es ist der Versuch, in der Verdichtung diesem Thema Familie eine gewisse Intensität zu geben."