Joakim Zander: "Der Bruder"

Thriller über den Terror

Zwei Sicherheitskräfte gehen bei einem Großeinsatz gegen Islamisten vor
Wenn Islamisten unterwegs sind, dann kommt die Polizei - so ist es zumnidest bei Joakim Zander © dpa / Picture Alliance / Benoit Doppagne
Von Thomas Wörtche |
Plot-Kleingeld statt großes Drama: Der schwedische Bestseller-Autor Joakim Zander erzählt in "Der Bruder" von einem jungen Mann, der sich einer islamistischen Terrorgruppe anschließt. Ein Stoff, der einem aktuellen Trend folgt, aber als Basis von Zanders Thriller zu formelhaft und aufgesetzt wirkt.
IS-Terrorismus und Lifestyle, Drohnenangriff und russische Security-Firmen, marginalisierte Immigranten in einer schwedischen Trabantestadt, Geheimdienstaktivitäten und New Yorker Bohème, globale Jugendrandale und manipulierte EU-Rechtsgutachten: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Zumindest, wenn wir dem Plot des Romans "Der Bruder" von Joakim Zander, folgen wollen. Aktuelle Themen, inszeniert als Thriller.
Ein solches Konzept scheint deutlich dem gegenwärtigen Trend zu folgen, politische und soziale Verhältnisse unserer Zeit in der Kriminalliteratur stärker zu akzentuieren, sie nicht als Background, sondern als wesentliche, unabdingbare Elemente der Texte zu verstehen. Dadurch eröffnet sich die Chance für diese Art der Literatur, sich in allgemeinere Diskurse einzumischen und nicht nur als "reine Unterhaltung" abgetan zu werden. Aber was als "Trend" ausgemacht ist, kann auch schnell zu Formel gerinnen. Und genau das scheint bei Zanders nunmehr zweitem Roman – nach "Der Schwimmer" – passiert zu sein.

Politik und Zeitgeschichte als Schmiermittel

Den human factor liefert hier eine Schwester-Bruder-Beziehung. Yasimine Ajam entrinnt der Banlieu-Tristesse, in dem sie sich nach New York absetzt und als Trend Scout für eine Event-PR-Agentur arbeitet, die hinter den neuesten Strömungen von Jugendkultur herjagt, um sie frühmöglichst zu kommerzialisieren. Ihre Bruder Fadi bleibt zurück, lässt sich von angeblichen Islamisten radikalisieren, verschwindet in den Nahen Osten, um am Dschihad teilzunehmen, merkt, dass er manipuliert worden ist und kehrt nach Schweden zurück, um sich zu rächen.
Seine Schwester bekommt Wind von der Sache und versucht, ihn aufzuhalten. Unterstützung bekommt sie dabei von Zanders "Serienfigur", der Juristin Klara Walldéen, die ihrerseits von ihrer Chefin funktionalisiert wird, die ein positives, bezahltes Gutachten zur Privatisierung von Sicherheitsdiensten erstellen soll, das einer russischen Sicherheitsfirma den Eintritt in den europäischen Markt erleichtern soll. Die Russen wiederum finanzieren die Jugendrandale, um die Überforderung der Polizei zu demonstrieren, während die Trend-Agentur ein Logo (eine rote Faust vor einem fünfzackigen Stern), das überall bei den Straßenschlachten auftaucht, benutzt, um einen Rapper namens "Starfist" auf dem Weltmarkt zu etablieren.
Aus großen politischen Themen ist dann letztendlich das übliche Plot-Kleingeld geworden, das entsteht, wenn zu viele Themenstränge zu artifiziell mit einander verknüpft werden. Das ist zwar technisch bewundernswert und dient sicherlich der spannenden Lektüre. Man bleibt gerne bei der Stange, bis am Ende der Punkt erreicht wird, wo sich die Frage "Was solls?" stellt. Ein arabischer junger Mann im kalten Schweden, der sich ratzfatz von einem Kleinkriminellen in einen Islamisten verwandelt und genauso ratzfatz zum Rächer wird – ach, wenn die Welt so einfach, so glatt und mechanisch funktionierte, wie dieser Roman uns das glauben machen will. Politik und Zeitgeschichte sind dann keine autonomen Handlungselemente mehr, sondern nur das Schmiermittel für einen hochtourig laufenden Plot, der letztendlich leer und steril bleibt.

Joakim Zander: "Der Bruder"
Roman. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein und Nina Hoyer. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2016.
457 Seiten, € 14,99

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