Was will ich, was kann ich?
Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nach Elternzeit oder längerer Arbeitslosigkeit ist besonders für Frauen kompliziert. Die Gründe liegen in Strukturen, aber auch in der Selbstpräsentation. Ein Berliner Verein setzt mit seinem Jobcoaching da an, wo die Frauen etwas verändern können.
Trainerin: "Ich sage immer, wir sollten ein Polaroidfoto machen. Polaroidfoto am Start, vor den zwölf Wochen und danach. Die Frauen verändern sich im Wesen, sie verändern sich in ihrer Kommunikation, schon vom Auftreten der Frauen."
Teilnehmerin: "Eins meiner Probleme oder Herausforderungen war ja auch, dass mir die Ideen fehlen, ich brauch halt die Fee, die dann kommt und sagt, hej, mit den Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen wäre das genau der richtige Job." (lacht)
Die Tourismusfachwirtin ist nach der Elternzeit auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Die Arbeit sollte ihren Fähigkeiten und ihrer familiären Situation entsprechen:
"Gerade wenn man mit Frauen zu tun hat, die sehr lange auch zuhause waren, die durchaus auch sehr schwierige Geschichten hinter sich haben und gerade anfangen, so aus ihrem gemütlichen Heim mal wieder den Kopf rauszustecken und sich in die Wildnis zu wagen. Sie darauf vorzubereiten, das ist so hier, denk ich, das A und O der Tätigkeit."
Bei sich selbst ansetzen
Henriette Panik ist Coach bei Goldnetz. Im Unterschied zu vielen Bewerbungstrainings oder anderen Eingliederungsmaßnahmen setzt dieses Coaching da an, wo die Frauen etwas verändern können – bei sich selbst.
Henriette Panik: "Nabelschau zu betreiben, ist für jeden schwierig unabhängig davon, ob da 'ne Akademikerin sitzt oder jemand, der vielleicht nicht einmal 'ne abgeschlossene Berufsausbildung hat. Also wirklich zu formulieren, was kann ich und was sind meine Stärken, das gelingt den wenigsten auf Anhieb."
Britta Starke: "So ein Coaching hat auch was mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Und die Frauen müssen schon oder sind auch bereit über sich zu erzählen und zu reflektieren, und das fällt natürlich der einen leichter als der andern."
Britta Starke ist Gruppenleiterin und Trainerin:
"Wenn ich 'ne Frau frage am Anfang: Was können Sie alles nicht, dann kann sie mir wahrscheinlich stundenlang erzählen, was alles nicht so gut läuft und nicht so gut klappt. Wenn ich dann frage, was klappt denn gut? Dann ist erst einmal Schweigen. Und das ist unsere erste Aufgabe: Einfach den Frauen zu zeigen, was sie alles schon mitbringen, was sie können, was alles schon gut läuft. Das ist auch wichtig, das auch zu reflektieren, aber da findet schon in der ersten Woche so ein Umdenken statt bei den Frauen und das ist ganz wichtig."
Teilnehmerin: "Dann habe ich den Kurs angefangen und dachte am ersten Tag: Oh mein Gott, fünf Tage die Woche, 9 bis 13 Uhr, was machen wir hier eigentlich die ganze Zeit und dann noch so in der Gruppe? Ich glaub, das war so ein bisschen die Stimmung von allen. Und da war ich auch so ein bisschen ablehnender Haltung."
Henriette Panik: "Am Ende ist es so wie im wahren Leben und im Berufsleben auch, dass ich mich auch immer mal wieder in neue Teams einfügen muss, neue Menschen kennenlernen muss. Insofern ist das eine wunderbare Übung."
Selbstbewusstsein entwickeln, ein Netzwerk bilden
Das Besondere an diesem Programm ist, dass es sich an den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen orientiert. Brainstorming, Mindmapping, Rollenspiele oder Übungen vor der Videokamera helfen den Einzelnen, Fähigkeiten und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Für viele ist es neu, sich so intensiv auszutauschen und zu unterstützen. Ein Netzwerk bilden und sich gegenseitig motivieren – das sind zentrale Erfahrungen im Kurs, die helfen sollen, den eigenen Weg zu gehen.
Henriette Panik: "In jedem Kurs gestaltet es sich komplett anders. Und jede Gruppe ist auch komplett anders. Es gibt manchmal auch Exkursionen, es gibt Ausgehtage, die die Frauen selber organisieren, wo sie sich auch Unternehmen raussuchen oder in Läden gehen, wo sie sich vielleicht be werben möchten. Und darauf werden sie auch vorbereitet."
Teilnehmerin: "Es gab z.B. auch eine Aufgabe, da sollten wir uns aus unserem Berufsleben Erfolgsgeschichten überlegen, sagen, was war die Situation, wie hab ich reagiert und was sind eigentlich meine Kompetenzen und meine Stärken, die sich daraus ableiten."
Britta Starke: "Was möchtest Du eigentlich wirklich? Was triggert dich sozusagen an und wo können Sie sich vorstellen auch noch 20, 30 Jahre ihres Lebens zu arbeiten? Also, wo gibt's auch eine Entwicklungsmöglichkeit. Und das ist das Schwierige. Viele Frauen sagen, das sind sie noch nie gefragt worden, darüber haben sie noch nie nachgedacht."
Henriette Panik: "Am Ende geht's auch immer um Hilfe zur Selbsthilfe, und weg von dieser Konsumentenhaltung, weil da geraten die Leute ganz schnell rein."
Britta Starke: "Und das ist auch dieses Prinzip, 'weg vom Jobcenter', das ist die eine Motivation, es gibt immer die Motivation weg von oder hin zu, ja? Und mit dieser Frage versuchen wir die Frauen dazu zu bringen, nicht nur weg von sondern hin zu. Also wohin denn? Und wohin ist deshalb so wichtig, weil es eigentlich auch nachhaltig sein soll. Und wir möchten nicht so gerne Frauen entlassen in einen Job, die dann nach ein zwei Jahren vielleicht wieder in irgendeiner Maßnahme sitzen, weil das wieder nichts geworden ist oder ja, weil sie einfach da keine Entwicklungsmöglichkeiten drin hatten. Das ist das Wichtige. Und das ist auch das Anstrengende. Frauen in einen Job irgendwie an die Kasse zu setzen oder irgendwo ins Büro zu setzen, geht leicht, aber zu schauen, dass es auch nachhaltig ist, ist schwieriger aber langfristig erfolgreicher."
Überfallkommando am Telefon
Die Tourismusfachwirtin hat während des Kurses drei Bewerbungen abgeschickt und daraufhin drei Gespräche geführt.
"Und das war natürlich sehr motivierend. Das eine war telefonisch, war so ein Überfallkommando, abends um 18 Uhr und äh, wo es hieß, ja Ihr Lebenslauf und was Sie alles gemacht haben und Ihr Alter und das ist ja alles super und perfekt und Auslandserfahrung und hier und da. Aber wenn wir über Tourismus reden, ist ja immer die Geldfrage, also was wünschen Sie sich denn? Was stellen Sie sich denn als Gehalt vor?"
Britta Starke: "Es ist ein Tabuthema und keine Frau, meiner Erfahrung nach, traut sich eine Frau nicht, eine Summe zu nennen, ja, weil sie gar keine Anhaltspunkte hat. Und Frauen neigen dazu, wenn der Arbeitgeber sagt, so viel zahlen wir auf gar keinen Fall oder ganz viel drunter, sofort sich zu rechtfertigen, einzuknicken oder sonst etwas zu tun."
Ob die Frauen im Dienstleistungsbereich, in der Wirtschaft oder Wissenschaft einsteigen wollen, bleibt ihnen überlassen. Auch der Umfang der Arbeit muss sich nach den Möglichkeiten der Einzelnen richten: ob eine volle Stelle, Teilzeitarbeit, eine Aus - oder Weiterbildung oder die Selbstständigkeit richtig ist. Wichtig ist, dass die Frauen eine Perspektive entwickeln und diese Schritt für Schritt umsetzen können, auch über den Kurs hinaus.
Teilnehmerin: "Ich hab halt für mich gemerkt, die Regelmäßigkeit, ich bin noch nicht bereit dazu, da ich ja die Nachmittage noch sehr involviert bin, mit meinem Sohn gesundheitlich und hab halt für mich rausgefunden, dass ich ne 4-Tage-Woche nur möchte. Die drei Bewerbungen, die ich geschickt hab, waren sehr positiv, die Rückmeldungen, also hab ich halt nicht die Angst, dass ich nichts finden werde."