Eine ganz besondere Traurigkeit
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Vor einem Jahr veränderte die Krebsdiagnose das Leben des US-Musikers Joe Henry. Die Arbeit an seinem neuen Album "The Gospel According To Water" gab ihm Halt. Das Ergebnis sind emotionale Songs, in denen das Wort Krebs aber gar nicht vorkommt.
Plötzlich waren da diese Rückenschmerzen. Die hat Joe Henry seinem Alter zugeschrieben, schließlich war er mittlerweile fast 60. Als er dann aber eine Auszeit in Irland nahm, und die Schmerzen immer stärker wurden, ging er zum Arzt. Die Diagnose war ein Schock: Krebs. Für einen kurzen Moment wollte sich der Musiker in seinem Haus einschließen, doch dann kam der Künstler in ihm durch, der die Bühne nutzt, um Menschen zu erreichen.
"Die Diagnose ist eine Erfahrung in meinem Leben, ein Teil meiner Reise. Sich deswegen zu verstecken, das passt nicht zu mir", sagt Henry. "Außerdem geht es mir mittlerweile richtig, richtig gut. Aber ich hab schon sehr frühzeitig die Entscheidung getroffen, dass egal, was passiert, ich mich nicht verkriechen werde. So viele Menschen sind von irgendwelchen schweren Krankheiten betroffen, oder kennen jemanden, der betroffen ist. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere Geschichten teilen. Das macht uns menschlich."
Bei einem Konzert redet er von seiner Erkrankung
"Es gibt Momente im Leben, da bläst dir der Wind einfach den Hut vom Kopf. Dann rennst du dem Hut hinterher, machst ihn sauber und es geht weiter." So beginnt Joe Henry vergangenes Jahr ein Konzert in Los Angeles, bei dem er anschließend das erste Mal öffentlich von seiner Krebsdiagnose erzählt.
Diese Situation zeigt eindrucksvoll den Poeten Joe Henry, der selbstbewusst an ein Thema herangeht, das den meisten schlicht den Boden unter den Füßen wegziehen würde. Damit ihm das nicht passiert, hat Henry begonnen, Lieder zu schreiben. In den 13 Liedern des neuen Albums "The Gospel According To Water" geht es oft um Spiritualität, Glaube und Gebete. Das Wort Krebs fällt nicht einmal.
Joe Henry sagt dazu: "Auf jedem Album, das ich mache, geben die Lieder eine verzerrte Wirklichkeit wieder. Eine schöne hoffentlich, aber eben auch eine verzerrte, die davon geprägt ist, was gerade um mich herum passiert und in meinem eigenen Leben. Deshalb hat die Krebsdiagnose natürlich eine Auswirkung auf dieses Album. Sie hat nicht beeinflusst, wie ich Lieder schreibe, sondern hat den Ton auf diesem Album bestimmt. Die Stimmung ist diesmal anders. Alle Lieder haben diesen ganz bestimmten ernsten Ton."
Seine Stimme klingt emotionaler
Joe Henrys Musik klang noch nie unbeschwert fröhlich. Seine Stimme transportierte schon immer tiefe Emotionen wie Schmerz, Verlust und Trauer. Menschliche Erfahrungen, zwischenmenschliche Beziehungen – das sind die Themen des Geschichtenerzählers Joe Henry. Doch tatsächlich durchzieht sein neues Album eine ganz besondere Traurigkeit, seine Stimme klingt noch emotionaler als sonst. Die Klarinette bei Liedern wie "Mule" verstärkt diesen Eindruck noch.
Trotz aller Düsternis ist "The Gospel According To Water" kein deprimierendes Album geworden. Vielmehr ist es ein intimer Einblick in das Innere eines Musikers in einer sehr verletzlichen Zeit. Unüberhörbar hat sich Joe Henry in dieser Zeit viel mit dem Thema Tod beschäftigt. In dem Lied "In Time For Tomorrow" singt er von einer Beerdigung. Und in "Bloom" davon, was von uns bleibt, wenn wir gestorben sind: "Es gibt nur wenig, was wir nach unserem Tod der Welt hinterlassen. Verrat und Liebe wird mit uns gehen."
Dazu passen die akustischen Songs, in deren Mittelpunkt die akustische Gitarre und die markante, leicht nasale Stimme Joe Henrys stehen. So nah ist man dem Musiker auf einem Album noch nie gekommen. "The Gospel According To Water" ist Joe Henrys berührendstes Album.