Joe Ide: "IQ"

Zwischen Rappern und Kampfhunden

Ein Pitbull schnappt nach dem Stock, den ihm ein Mann hinhält.
In Joe Ides "IQ" sollte ein Rapper von einem Kampfhund umgebracht werden. © picture-alliance/ dpa/epa Steve Pope
Von Gerrit Bartels |
Joe Ides' Isaiah Quintabe ist ständig knapp bei Kasse. Da kommt dem Ex-Kriminellen und heutigen Detektiv der neue Auftrag gelegen: Er soll herausfinden, wer einen bekannten Rapper von einem Kampfhund ermorden lassen wollte. Unser Kritiker hat "IQ" gerne gelesen.
Dass Rap-Stars aktiv in sogenannte Drive-By-Shootings verwickelt sind und dabei auch ums Leben kommen, konnte man in den mittleren neunziger Jahren erfahren. Damals wurden in den USA die Rapper Tupac Shakur und Notorious B.I.G. erschossen und jemand wie Snoop Doggy Dogg musste sich wegen einer solchen Schießerei vor Gericht verantworten. Dass ein Großer des Rap aber von einem Kampfhund gezielt getötet werden (soll), ist bislang noch nicht vorgekommen - und glücklicherweise nur eine Option in der Welt der Kriminalliteratur.
In Joe Ides Debütroman "IQ" überlebt der Rapstar Calvin Wright alias Black The Knife nur knapp den Angriff eines Kampfundes bei sich zuhause in seiner eigentlich unzugänglichen, schwerbewachten lachsfarbenen Villa im mediterranen Stil in Vista del Valle, einem der Reichenviertel von L.A. . "Er war groß. Richtig groß. Man hätte ihn fast für eine deutsche Dogge halten können. Cal hatte schon viele Pitbulls gesehen, aber keinen so großen."

Ein Detektiv "ohne Lizenz im Untergrund"

Joe Ides' Thriller "IQ" spielt einerseits im Milieu eines Rap-Stars und seiner Entourage, andererseits auf den Straßen des L.A.-Problembezirks South Central, wo Ides Ermittler Isaiah Quintabe, Mr. IQ, und sein Kompagnon Juanell Dodson aufgewachsen sind. Beide haben sich zunächst selbst als Kleinkriminelle bewährt, als Dealer oder Einbrecher in Haushaltswarenläden, Zoohandlungen und Baumärkten. Quintabe ist nun Detektiv "ohne Lizenz im Untergrund" und braucht, wie es sich für einen guten, immer leicht selbst angeschlagenen Hard-Boiled-Detektiv gehört, dringend Geld. Da kommt ihm der von Dodson herbeigeschaffte Auftrag, den Killerhund-Anschlag aufzuklären, gerade recht - selbst wenn er sich in Folge nicht nur mit Anfeindungen von Calvin Wrights Bodyguards und Managern auseinandersetzen, sondern auch Hundezüchter und irre Pitbull-Halter aufsuchen muss.
Ide, der japanisch-amerikanische Wurzeln hat, selbst in South Central aufgewachsen ist und inzwischen als Drehbuchautor in Los Angeles lebt, hat seinen Thriller auf zwei Zeit-Ebenen angesiedelt. Er erzählt, wie Isaiah Quintabe nach dem Unfalltod seines größeren Bruders Marcus in den Jahren 2005 und 2006 Dodson kennenlernt und mit diesem die ersten Einbrüche begeht. Und wie beide, Jahre später, von Calvin Wrights Manager engagiert werden, um weitere, mutmaßlich von dessen rachsüchtiger Ex-Ehfrau Noelle eingefädelte Mordanschläge auf den Rapper zu verhindern.

Charmante Verweise auf den "Hund von Baskerville"

Charmant sind natürlich die Verweise auf Conan Doyle und seine Sherlock-Holmes-Krimis, speziell "Der Hund von Baskerville", in dem ein sagenumwobener, monströser Hund eine gewichtige Rolle spielt; Isaiah ist wie Holmes kein Haudrauf, sondern ein Ermittler, der ruhig seine Schlüsse zieht, der analytisch denkt. Ganz im Gegensatz zu Dodson (man höre die lautmalerische Nähe zu Watson, Holmes Assistenten!), der eine typische Milieufigur ist. Doch imponierender ist noch, wie Joe Ide es versteht, Szenen zu bauen: in der Villa des Rappers, beim Auftragskiller und seinen Pitbulls, in den Läden, in denen Quintabe und Dodson einbrechen. Und wie er dem Sound der Straße abgelauschte Dialoge schreibt, von Conny Lösch gut und vor allem unpeinlich ins Deutsche übersetzt.
"IQ" enthält viel Musik, Hip-Hop natürlich, von Tupac und Notorious B.I.G. bis zu den Rapstars der Gegenwart wie Ludacris oder Kendrick Lamar; die Plotkonstruktion erscheint am Ende etwas wackelig, doch auch sie ist schließlich durch und durch eine HipHop-Geschichte, da Joe Ide sich von der realen Story um Tupac Shakur hat inspirieren lassen. Vor allem jedoch ist Ides Held gut und psychologisch komplex. Am Ende erkennt er, dass er das Leben "eines Rappers von zweifelhaftem allgemeingesellschaftlichen Wert" gerettet hat - dass aber kleinere Übel gegenüber dem großen sozialen Ganzen gar nicht so schwer wiegen. Isaiah Quintabe würde man gern noch öfter begegnen.

Joe Ide: "IQ"
Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
388 Seiten, 14, 95 Euro

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