Bis zum 14. Februar kann man Joe Ramirez und seinem Team in der Ausstellungshalle am Kulturforum bei der Arbeit zuschauen, dann ist der Film "Somnium" zu sehen, mit verlängerten Öffnungszeiten bis zwei Uhr morgens. Die Aktion ist der Auftakt für die große Ausstellung am Kulturforum, die im April eröffnet wird: "Alchemie. Die Große Kunst".
Filme auf Goldgrund
Der amerikanische Künstler Joe Ramirez hat ein Verfahren entwickelt, mit Hilfe dessen man Filme auf eine vergoldete Scheibe projizieren kann. Doch bevor die "Gold Projections" in Berlin zu sehen sein werden, will Ramirez dort am Kulturforum die hölzerne Scheibe in einer öffentlichen Performance mit Blattgold belegen.
Die schwarz gestrichene Ausstellungshalle hat sich in eine Zauberwerkstatt verwandelt. Drei Spots sind auf die hölzerne Scheibe mit einem Durchmesser von zweieinhalb Metern gerichtet, die zur Vergoldung auf einem Tischgestell ruht. In Strümpfen knien die Assistentinnen des Künstlers auf der leicht gewölbten Platte. Mit Bleistift und Lineal ziehen sie über den dunklen Untergrund ein Muster, nach dem die kleinen Quadrate von Blattgold aufgetragen werden sollen. Daneben hat Joe Ramirez fein säuberlich das Handwerkszeug des Vergolders auf einem Tisch ausgebreitet: "Früher wurde das Gold zwischen Buchseiten aus Pergament geschlagen. Es wurde immer kleiner geschnitten und immer wieder geschlagen. Heute kommt es bereits in ganz dünnen Blättern. Wir haben ein Wildlederkissen, das Vergolder-Kissen. Wir haben einen ganz flachen Pinsel aus Eichhörnchenhaaren. Und dann haben wir noch den Polierstein, um das Gold anzudrücken."
Alle zwanzig Minuten werden die Vorbereitungen unterbrochen, weil dann auf einer kleineren, bereits vergoldeten Projektionsfläche Ausschnitte aus "Somnium" gezeigt werden. Joe Ramirez hat den Film für die öffentliche Premiere der "Gold Projections" nach einer Geschichte des Mathematikers Johannes Kepler gedreht. Visuell ist "Somnium" beeinflußt vom Schwarz der spanischen Meister, vom scharfsichtigen Velazquez, dem andächtigen Zurbaran und dem kriegsmüden Goya: "Das Stück ist eine Hommage an Goya und seine Schwarzen Bilder, an Tarkowskis Andrej Rubljow, das ist meine persönliche Alchemie zu 'Somnium'."
Alle zwanzig Minuten werden die Vorbereitungen unterbrochen, weil dann auf einer kleineren, bereits vergoldeten Projektionsfläche Ausschnitte aus "Somnium" gezeigt werden. Joe Ramirez hat den Film für die öffentliche Premiere der "Gold Projections" nach einer Geschichte des Mathematikers Johannes Kepler gedreht. Visuell ist "Somnium" beeinflußt vom Schwarz der spanischen Meister, vom scharfsichtigen Velazquez, dem andächtigen Zurbaran und dem kriegsmüden Goya: "Das Stück ist eine Hommage an Goya und seine Schwarzen Bilder, an Tarkowskis Andrej Rubljow, das ist meine persönliche Alchemie zu 'Somnium'."
Die Mondfahrtfantasien des Mathematikers Johannes Kepler
In seiner Erzählung "Somnium – Der Traum" stellt sich Kepler eine erste Reise zum Mond vor. Die Bilder von Joe Ramirez entführen die Betrachter zu mystischen Abgründen und hellen Gewässern. Aus den Nebeln steigt eine Frau empor, die Mutter des Helden:
"Das ist die Hexe. Keplers Mutter wurde wegen Hexerei angeklagt. Die letzten zehn Jahre seines Lebens versuchte er, einen Freispruch für sie zu erreichen, damit sie nach Hause zurückkehren konnte. Es geht um Exil, um Rückkehr, um die Mutter."
Der Film erinnert aber auch an die Anfänge des Kinos, an Georges Méliès wunderbare Experimente mit Überblendungen bei der Verfilmung von Jules Vernes "Reise zum Mond". Das vergoldete Rund der Projektionsfläche atmet mit den bewegten Bildern. Die aus Holz, Tonerde und Blattgold geschichtete Struktur verleiht der Oberfläche samtige Tiefe. Jahrelang hat Joe Ramirez klösterliche Fresken restauriert. Auch in der Ausstellungshalle herrscht die konzentrierte Atmosphäre der Werkstatt, erzählt die Kostümbildnerin Christine Wahle. Alles in dem Film wurde mit der Hand gefertigt.
"Ich hatte ein ganzes Paket mit Bändern, mit ganz dünnen Streifen. Für die Mutter habe ich ein sehr seltsames Kostüm entworfen. Ein bisschen wie ein Wasserfall. Und ich habe überlegt, wie kann ich ihm diese Leichtigkeit verleihen. Deshalb habe ich diese ganzen dünnen, leichten Bänder zusammen genäht. Sie wurden dann grau gefärbt und es hat richtig schön ausgesehen."
Ein bißchen Hokuspokus ist auch dabei. Joe Ramirez hat sein Verfahren patentieren lassen. Keine fremde Kamera darf den Vorgang beobachten. Besucher müssen ihre smartphones in goldfarbenen Tütchen abgeben.
Die Sprache der Alchemie
"Ich habe wirklich nichts mit Okkultismus zu tun oder mit den schwarzen Künsten. Aber mich interessiert die Sprache der Alchemie. Ihre Archetypen. Und der Zeitpunkt, als die Alchemie zusammenbrach und die Aufklärung begann, als im Zeitalter der Vernunft die Wissenschaft übernahm. Mich interessiert auch Bühnenzauber, die Illusionisten des 19. Jahrhunderts, der frühe Film, der aus der Zauberei und der Performance entstand."
In der Ära alternativer Fakten rücken die dunklen Bilder aus Zeiten rigiden Glaubens befremdlich nahe. Immerhin schimmert in den "Gold Projections" unter dem blubbernden Magma der Irrationalität das Licht. Jetzt kniet sich der Künstler auf die hölzerne Scheibe, benetzt mit dem Pinsel das markierte Quadrat im Zentrum. Zwischen Seiten aus Seidenpapier holt er das erste hauchdünne Blättchen Gold heraus. Es ist hundert Mal leichter als Zigarettenpapier und heftet sich deshalb allein durch die elektrostatische Aufladung an den sogenannten Anschiesser. Dann pustet Joe Ramirez das leuchtende Blatt auf den schwarzen Grund.