Joe Sacco

Die Galionsfigur der Comic-Reportage

Der Zeichner Joe Sacco
"Klar ist Zeichnung immer subjektiv", sagt Joe Sacco. © imago / Leemage
Von Naomi Gregoris |
Joe Sacco gilt als Begründer des Comic-Journalismus. Sein Credo: "Klar ist Zeichnung immer subjektiv. Und das ist ja das Tolle daran." Beim 25. Internationalen Comic-Festival Fumetto in Luzern sprach Sacco über sein Schaffen.
Die Stimmung im kleinen Saal mitten in der Luzerner Altstadt ist entspannt. Das, obwohl der Saal prallvoll und die Gäste vorne am Podiumstisch zu den illustresten Zeichnern der Welt gehören. Das internationale Comicfestival Fumetto feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen und hat zu diesem Anlass Zeichner eingeladen, die eine ganz besondere Form des Comics geprägt haben: den Comic-Journalismus.
Nie gehört? Eigentlich ist es ganz einfach: Comic-Journalismus ist Journalismus in Comic-Form, also Reportagen, die nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern erzählt werden. Als Pionier dieser Comicform gilt ein schmaler Malteser mit Brille, der in Luzern als Ehrengast am Podiumstisch sitzt: Joe Sacco, 55 Jahre alt, ausgebildeter Journalist, autodidaktischer Comickünstler und unangefochten bekanntester Zeichner seines Schlags.

Gezeichnete Reportagen

Saccos Erfolg als Comic-Journalist begann Anfang Neunzigerjahre mit "Palästina", einer Sammlung gezeichneter Reportagen über den Nahostkonflikt, basierend auf Gesprächen mit Palästinensern. Höchstspannend würde man meinen - nur leider interessierte das zu der Zeit noch kaum jemanden.
"Palästina besteht aus neun einzelnen Kapiteln, und jedes Kapitel verkaufte sich schlechter als das vorangehende. Am Ende verkauften sie weniger als 2000 Kopien in den ganzen Vereinigten Staaten. Das war ziemlich schlimm."
Irgendwann aber wendete sich das Blatt.
"Das änderte sich als der Mainstream auf diese Art von Comics aufmerksam wurde. Die 'New York Times' schrieb eine lobende Rezension und alle zogen nach, wie immer, wenn die 'New York Times' etwas schreibt."
Spätestens, als Sacco kurze Zeit später auch noch den renommierten American Book Award gewann, war die Botschaft auch im Rest der Welt angekommen: Der Comic hatte es in den Journalismus geschafft. Oder umgekehrt, je nach Sichtweise.

"Zeichnung verstellt sich nicht"

Was ist es, das diese Comics so beliebt macht? Wir treffen Joe Sacco einen Tag nach dem Podiumsgespräch im Cartoonmuseum in Basel, wo er zurzeit ausstellt. Hier ist fast sein gesamtes Werk zu sehen, minutiös ausgearbeitete Zeichnungen in Schwarzweiss, Szenen aus Krisengebieten, in denen immer wieder ein schlaksiger Mann mit dicken Brillengläsern auftaucht.
Es ist Sacco selbst, der in all seinen Geschichten als Leitfigur durch die Story führt. Als Leser sehen wir alles durch seine dicke Brille, sind ihm sozusagen ausgeliefert. Ist das für eine Reportage nicht etwas einseitig? Joe Sacco widerspricht. Genau darum gehe es ja.
"Klar ist Zeichnung immer subjektiv. Und das ist ja das Tolle daran: Sie verstellt sich nicht. Ich mag das Konzept von objektivem Journalismus nicht, ich finde es schwachsinnig. Es gibt keinen objektiven Journalismus ... Es ist also besser, zu seinen Vorurteilen zu stehen und die eigene Meinung sichtbar zu machen. Ehrlichkeit geht über alles."
Obwohl Joe Sacco für Subjektivität einsteht, sind seine Reportagen alles andere als einstimmig: Er benutzt die Kombination aus Text und Zeichnung, um verschiedene Perspektiven aufzuzeigen und schafft so ein vielschichtiges Gewebe aus persönlichen Geschichten.
In Palästina zum Beispiel sehen wir also nicht nur den Zeichner selbst, der mit Notizblock Menschen von Tel Aviv bis zum Gazastreifen besucht, sondern auch ihre Erinnerungen, gepaart mit erklärenden Textkästen. Saccos journalistisches Gespür führt uns auf Straßen und in Köpfe, direkt in die Leben derer, die selten zu Wort kommen .
Genau hier liegt die Stärke Saccos, und genau hier liegt der Zauber der Comic-Reportage: Eine spitze journalistische Feder gepaart mit einem spitzen künstlerischen Zeichenstift - die perfekte Kombination.
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