Der König ist tot
Die Fußball-Legende Johan Cruyff ist tot. Wie seine Familie über Twitter mitteilte, ist der Niederländer am Gründonnerstag im Alter von 68 Jahren gestorben. Der Vize-Weltmeister von 1974 galt als einer der besten Spieler aller Zeiten.
Er war das Idol einer ganzen Generation, und wäre Franz Beckenbauer nicht gewesen, würde Johan Cruyff wohl als der beste europäische Fußballer aller Zeiten gelten.
In Erinnerung wird Cruyff vor allem durch das WM-Endspiel am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion bleiben, als das "Oranje"-Team mit 1:2 gegen Beckenbauer & Co. verlor. Cruyff hatte den Elfmeter herausgeholt, den Johan Neeskens bereits in der zweiten Spielminute zum 1:0 verwandelte. Der Rest ist bekannt: Paul Breitner und Gerd Müller erzielten noch vor der Pause die beiden deutschen Treffer.
Johan Cruyff, in Abwandlung von "Kaiser Franz" auch "König Johan" genannt, hätte seine Karriere mit dem WM-Titel gerne gekrönt, aber das in Amsterdam geborene Fußball-Genie feierte andere große Erfolge: Neunmal war er niederländischer Meister (achtmal mit Ajax Amsterdam und einmal Feyenoord Rotterdam), sechsmal nationaler Pokalsieger.
Lichtgestalt des "Voetbal totaal"
Vor allem aber war er derjenige, der Ajax von 1971 bis 1973 als begnadeter Spielmacher dreimal in Folge zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister führte. Dabei verkörperte er wie kein anderer die Philosophie seines ebenso genialen Trainers Rinus Michels, der in Amsterdam den "Voetbal totaal" ausgerufen hatte, den totalen Fußball. Cruyff, der eigentlich Mittelstürmer war, setzte das um, indem er fast gleichzeitig überall auf dem Feld aufzutauchen schien: als Spielmacher, Torjäger und Flankengeber, wobei er manchen Pass spielte, der auch Beckenbauer zur Ehre gereicht hätte.
"Johann Cruyff war eine Epoche", sagt daher auch Jürgen Kaube, Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Er war unumstritten der größte und innovativste Spieler des Universums", so Kaube am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Was Cruyff besonders ausgezeichnet habe, sei der "Blick in den Raum" gewesen. "Er sah die Tiefe des Raumes", sagte Kaube, und habe zudem "eine Bewegung gehabt, die so unheimlich frei war, fast tänzerisch". Geholfen habe ihm dabei, dass er als kleiner Junge vom Straßenfußball kam und dabei eine gute Körperbeherrschung gebraucht hatte, um nicht hinzufallen.
Auch Bertus Bouwman, der Gründer des niederländischen Online-Magazins "Duitslandnieuws", ist überzeugt, dass Cruyff den niederländischen Fußball "sehr geprägt" hat. Schon damals sei der Ballbesitz für Cruyff sehr wichtig gewesen, sagte Bouwman am Donnerstag auf Deutschlandradio Kultur. Damit habe er die "niederländische Schule" begründet, die neben Ajax auch stilbildend für den FC Barcelona und Bayern München gewesen sei.
Erlöser des FC Barcelona
Schon in der Jugend hatte Cruyff für Ajax gekickt. Zwischen 1964 und 1973 absolvierte er 240 Spiele für den heutigen Rekordmeister und erzielte dabei 190 Tore. Fast schon folgerichtig wechselte Cruyff auf dem Höhepunkt seiner Karriere zum FC Barcelona und folgte seinem Ajax-Trainer Rinus Michels, der bereits 1971 nach Spanien gegangen war.
Möglich wurde der Wechsel nur, weil die spanische Liga sich damals zum ersten Mal auch für ausländische Profis geöffnet hatte. Schon während seiner ersten Saison avancierte Cruyff zum katalanischen Nationalhelden: Im Sommer 1974, unmittelbar vor der WM in Deutschland, gewann Barcelona zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder die spanische Meisterschaft. Die Barca-Fans verliehen Cruyff daraufhin den Titel "El Salvador" - der Erlöser.
Weitere Stationen in Nordamerika folgten, bevor Cruyff 1981 wieder in die spanische Liga zurückkehrte und kurze Zeit für den UD Levante spielte. Noch im selben Jahr kehrte der "König" wieder in seine Heimat zurück. 1984 beendete er seine Spieler-Karriere bei Feyenoord Rotterdam und einem erneuten Titelgewinn. Später gab Cruyff seine Erfahrung als Trainer weiter, erst bei Ajax Amsterdam, dann beim FC Barcelona und von 2009 bis 2013 als katalanischer Nationaltrainer mit Wohnsitz in Barcelona, seiner zweiten Heimat.
Zuletzt litt Cruyff, der jahrelang Kettenraucher gewesen war, an Lungenkrebs. Noch Mitte Februar hatte er sich zuversichtlich gezeigt: "Ich habe das Gefühl, mit 2:0 in der ersten Halbzeit eines Spiels vorne zu liegen, das noch nicht zu Ende ist. Aber ich bin mir sicher, dass ich es gewinnen werde.»
"Der größte Stratege unserer Zeit"
Weltweit löste der Tod von Cruyff bei Fußball-Fans, früheren Mitspielern und Vereinen sowie auch bei der FIFA und der UEFA Trauer und Bestürzung aus. "Ich bin geschockt. Er war nicht nur ein sehr guter Freund, sondern auch ein Bruder für mich», sagte Franz Beckenbauer. Er habe Cruyff über alle Maßen bewundert, sagte Günter Netzer. "Er war der größte Stratege unserer Zeit", so Netzer gegenüber der Online-Ausgabe der "Welt". Und der gesperrte UEFA-Präsident Michel Platini teilte mit: "Ich bin sehr traurig, weil Johan das Idol meiner Kindheit war, mein Idol und mein Freund."