Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll, op. 102
"Mache Dich auf einen kleinen Schreck gefasst. Ich konnte nämlich derzeit den Einfällen zu einem Konzert für Violine und Violoncell nicht widerstehen, so sehr ich es mir auch immer wieder auszureden versuchte."
Mit dieser "Warnung" kündigte Johannes Brahms am 24. Juli 1887 Joseph Joachim sein neuestes Werk an: das "Doppelkonzert" in a-Moll. Was Brahms an der ungewöhnlichen Besetzung so reizvoll und herausfordernd fand, erschließt sich bei näherer Beschäftigung mit dem Konzert. Dem ursprünglich als Cellokonzert konzipierten Stück hatte Brahms einen Violinpart hinzugefügt, der vornherein Joachim zugedacht war. Dabei ließ sich zunächst gar nicht absehen, dass der Geiger als Solist zur Verfügung stehen würde. Denn seit Jahren schon ging durch die Beziehung der Freunde ein tiefer Riss. Der Grund: Brahms hatte für Joachims Frau, die Sängerin Amalie Weiss, Partei ergriffen, als es zur Scheidung zwischen den beiden kam. Aus Sicht Joachims eine unverzeihliche Illoyalität.
Zwar blieb die gegenseitige künstlerische Wertschätzung von dem Jahre andauernden Zerwürfnis unberührt. Doch hätte Brahms das "Doppelkonzert" wegen der Krise beinahe aufgegeben. Zum Glück kann es dazu nicht, vielmehr hatte das Werk, wenn nicht den primären Zweck, so doch, wie von Clara Schumann bemerkt, die Wirkung eines "Versöhnungswerks". In der Tat enthält es manch greifbare musikalische Freundschaftsgeste, vor allem in dem Sinne, dass konzertantes Wetteifern immer wieder in partnerschaftliche Dialoge mündet.
Solisten-"Paare" ganz unterschiedlichen Temperaments wirken bei unserer kleinen diskografischen Auswahl zusammen, suchen auf je eigene Weise dem Versöhnungsgedanken Ausdruck zu geben. Vertreten sind Issac Stern und Leonard Rose, Mischa Mischakoff und Frank Miller, Jascha Heifetz und Emanuel Feuermann bzw. Gregor Piatigorsky, Wolfgang Schneiderhan und János Starker, die Brüder Adolf und Hermann Busch, David Oistrach und Pierre Furnier sowie - mit maßstabsetzender Einspielung aus jüngerer Zeit - Julia Fischer und Daniel Müller-Schott.