John Bolton: "Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus"
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel und weiteren
Das Neue Berlin, Berlin 2020
640 Seiten, 28 Euro
Das Ende einer Männerfreundschaft
06:17 Minuten
519 Tage lang war John Bolton Sicherheitsberater im Weißen Haus. In "Der Raum, in dem alles geschah" rechnet der konservative Hardliner mit Donald Trump ab. Doch wird im Buch ausgespart, was man wirklich gern erfahren hätte.
John Bolton gehört zu den kantigen und umstrittenen Figuren in der US-amerikanischen Sicherheitspolitik. Das liegt nicht nur an seinem markanten Schnurrbart. In der Ära von George W. Bush ist der Republikaner Berater im Außenministerium und einer der glühendsten Verfechter eines Einmarsches in den Irak.
Nicht gleich in die Regierung berufen
Seit Jahrzehnten zieht der konservative Hardliner gegen internationale Organisationen zu Felde, die die Autorität der USA "beschädigen" würden. Trotz vehementer Kritik an der UN wird er dennoch US-Botschafter der Regierung Bush bei den Vereinten Nationen. Einer breiten Öffentlichkeit ist Bolton als Kommentator bei "Fox News" bekannt, wo er sich schon früh zu Donald Trump bekennt.
Von April 2018 bis September 2019 schließlich nimmt der 71-Jährige den "zweitbesten Job" an, als Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus – eigentlich wollte er Außenminister werden. Er wird steter Gast im "Raum, in dem alles geschah", so der Titel seines Buches.
Genüsslich beschreibt Bolton "seinen langen Marsch zu einem Eckbüro im West Wing". Denn – und das scheint ihn gekränkt zu haben – er wird nicht gleich in die Regierung berufen. Obwohl der Präsident dauernd bei ihm anruft und ihn um Rat fragt. Letzteres kann man sich zwar schwer vorstellen, aber Bolton spickt seine Aufzeichnungen mit persönlichen Zitaten Trumps. "Hey John, ich mag Sie, wollen Sie den mächtigsten Job im Weißen Haus?"
"Zwei böse Bullen"
Und es sieht so aus, als wäre dies der Beginn einer wunderbaren Männerfreundschaft. Der "Falke" Bolton ist durchaus auf der Linie seines Chefs, wenn er von den USA als "einziger Weltmacht" spricht. Kürzlich in einem Interview gefragt, wer denn diese Rolle ausführen solle, wenn die USA nicht mehr dazu in der Lage wären, antwortete er knapp: "Niemand".
In Sachen "America First" scheinen sich beide also einig. Ihr Verhältnis scheint ebenfalls geklärt: "Ich sagte: Wenn wir guter Bulle, böser Bulle spielen, ist der Präsident immer der gute Bulle." Trump antwortete: "Das Problem ist, dass wir zwei böse Bullen haben", und ich konnte hören, wie die anderen, die im Oval zur Geheimdienstbesprechung waren, lachten, genau wie ich."
Das Lachen allerdings scheint dem nüchternen und knallharten Sicherheitsberater Bolton bald zu vergehen. Es ist nicht die "Unberechenbarkeit" des Präsidenten, die ihn mehr amüsiert als besorgt. Etwa wenn er "spontan" ein Treffen mit dem Erzfeind der USA, dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, beschließt. Auch nicht die Unwissenheit, wenn Trump ganz offen fragt, ob Finnland denn ein Teil von Russland sei oder er sich überrascht zeigt, dass Großbritannien Atomwaffen besitzt.
Was ihn am meisten ärgert: Er hat Trump unterschätzt. Oft schillert in seinen Bemerkungen durch, dass er den Präsidenten für einen nützlichen Idioten hält, der vor allem Boltons außenpolitische Agenda durchsetzen kann: Amerika wieder als einzige Supermacht zu installieren, auch mit Waffengewalt.
Warum Bolton an Trump scheitert
Ein folgenschwerer Irrtum: Auch wenn der Präsident gern wütende Tweets absetzt und den "Feinden Amerikas" den Krieg erklärt, nichts scheut er mehr als eine neue militärische Einmischung auf fremden Boden. Der Isolationist Trump weist den Kriegstreiber Bolton in die Schranken. Bolton scheitert auf ganzer Linie: Weder in Syrien noch im Iran setzen die USA Truppen ein, um einen Regimewechsel zu erreichen. Das "Ende der Idylle" ist erreicht, als der Präsident Ende März 2019 via Twitter verkündet: "Ich war mit vielen seiner Vorschläge ganz und gar nicht einverstanden."
Der Rest des Buches ist Trump-Bashing, wie man es kennt. Dass Trump Frauen als Regierungschefs nicht mag, sondern lieber mit Diktatoren seine "Deals" aushandelt, hat man schon zur Genüge erfahren. Auch dass er Untersuchungen gestoppt hat, um dem einen oder andern einen Gefallen zu tun. Trumps Spruch, "die EU ist schlimmer als China, nur kleiner", gehört auch nicht mehr zu den neuesten Enthüllungen.
Viel interessanter ist da schon, was man – nach fast 600 Seiten – nicht erfährt. Bolton wollte auf Einladung der Demokraten nicht im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aussagen. Warum nicht? Um seinen Zwei-Millionen-Dollar-Buch-Deal nicht zu gefährden? Denn er musste seine Aufzeichnungen dem Weißen Haus vorlegen. Die Klageandrohung von Trump, der Bolton einen "Lügner" nennt, war da nur bekannter Theaterdonner.