John von Düffel: "Der brennende See". Roman
Dumont Verlag, Köln 2020
320 Seiten, 22 Euro
Wie wollen wir leben?
07:30 Minuten
John von Düffel bleibt in "Der brennende See" bei seinem bevorzugten Element: dem Wasser. Sein Roman über den Klimawandel, die Fridays for Future-Bewegung und über den Generationenkonflikt, der sich daran entzündet, ist aber leider ein wenig zu gut gemeint.
John von Düffels Element ist das Wasser, davon hat der leidenschaftliche Schwimmer in seinen bisherigen Büchern (etwa in seinem Debüt "Wassererzählungen" oder dem Roman "Vom Wasser") immer wieder erzählt. Diesmal steht ein See im Zentrum der Handlung, um den sich Grundstückspekulanten und Öko-Aktivisten streiten. Ursprünglich wollte Düffel über einen See in Bangalore schreiben, der vor drei Jahren durch die Medien gingt: Der Bellandursee, der so mit Chemie und Abfällen verschmutzt ist, dass er sich immer wieder selbst entzündet und tagelang in Flammen steht. Dann aber ist ihm klar geworden, dass auch bei uns im übertragenen Sinn die Seen "brennen" und das lebensnotwendige Wasser verschwindet.
"Der brennende See" ist ein Buch zum Klimawandel, das aber alles Generationenroman angelegt ist. Zu Beginn kehrt Hannah in die Stadt ihrer Kindheit zurück. Ihr Vater, ein Schriftsteller, ist verstorben, die beiden waren sich seit längerem fremd geworden, nun findet sie sich in seiner Wohnung wieder, wo sie im Nachtisch ihres Vaters auf das Foto einer ihr unbekannten jungen Frau stößt. Bald findet Hannah heraus, dass es sich um Julia, die Tochter ihrer ehemals besten Freundin handelt. Diese Freundin lebt mit ihrer Familie in einem alten Gutshaus an dem See, in dem Hannahs Vater regelmäßig schwimmen gegangen ist. Julia engagiert sich als Klimaaktivistin bei Fridays for Future und ist gerade dabei, sich zu radikalisieren. Hannahs Vater und das junge Mädchen standen sich offenbar sehr nah, so nah, dass Julia glaubt, die wahre Tochter des Schriftstellers zu sein.
Die mittlere, privilegierte Generation
John von Düffel erzählt in "Der brennende See" nicht nur vom Klimawandel und der drängenden Frage, ob es sinnvoll ist, bei sich selbst anzufangen, also Joghurtbecher zu sammeln und beim Einkaufen nicht die Stofftasche zu vergessen, sondern fragt, ob es nicht längst notwendig geworden ist, seine Energie in größere, politische Aktivitäten zu stecken, um die Welt zu retten.
Wie heftig der Generationenkonflikt ist, der sich im Umgang mit dem Klimawandel zuspitzt, zeigt von Düffel über seine Figurenkonstellation: Hannah steht dabei für die mittlere, privilegierte Generation, die vieles noch selbstverständlich findet, was für die nachfolgende Generation (verkörpert durch Julia) nicht mehr so sein wird und die deshalb immer vehementer ihre Rechte einfordert. Schließlich sind sie die ersten, die unter den Resultaten des Klimawandels leiden werden und die letzten, die ihn verhindern werden. Es geht also nicht zuletzt um das Thema Erbe - ganz konkret mit Blick auf die Hinterlassenschaft des Vaters und in einem erweiterten Sinn, in Bezug auf unser Zusammenleben.
Zwiespältige Heldin
Unaufgeregt erzählt ist dieses Buch, in dem John von Düffel immer wieder überraschende Ideen unterbringt - etwa das Wolkenbuch, die schriftstellerische Hinterlassenschaft von Hannahs Vater, in dem das Verschwinden dieser flüchtigen Gebilde zum Sinnbild der nahenden Umwelt-Katastrophen wird. Oder seine Hauptfigur Hannah, eine seltsam desorientierte, zwiespältige Heldin, die gerade, weil sie so brüchig und verloren erscheint, interessant wird.
Insgesamt leidet dieser Roman aber an einigen unmotiviert erscheinenden dramaturgischen Wendungen und allzu erwartbaren Konstellationen und Motiven. So wirkt dieses gut gedachte Buch, das man trotzdem nicht ungern liest, manchmal auch ein wenig fad, vielleicht, weil John von Düffel es diesmal ein wenig zu gut gemeint hat, was eigentlich schade ist.