John Wray: "Madrigal"
Rowohlt, Berlin 2021
140 Seiten, 22 Euro
Die grausame toxische Männlichkeit
13:44 Minuten
Der US-Autor John Wray wechselt die Sprachen: Der Erzählband "Madrigal" ist sein Debüt auf Deutsch. Bei seinem Ausflug in eine fremde Sprache setzt er mit der Grausamkeit des eigenen Geschlechts auseinander.
Für seine Kurzgeschichte "Madrigal" wurde John Wray vor vier Jahren mit dem Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet. Sein neuer Erzählband trägt denselben Titel.
Es ist das erste Buch des Autors mit US-amerikanischem Vater und österreichischer Mutter, das er in deutscher Sprache verfasst hat. Die Stimmung darin ist surreal und manchmal paranoid albtraumhaft.
Wray erzählt vom Maler Michelangelo, einem Zweikampf in den Bergen, aber auch von einem Mann, der kleine Mädchen begehrt. Für eine – komplett im Imperativ gehaltene – Geschichte hat sich der Autor sogar in einen Amokläufer hineinversetzt. Welche Überlegung steckt dahinter?
"Ich glaube, als Schriftsteller hier in in den Staaten muss man sich fast Gedanken darüber machen. Ich wollte schon lange eine Erzählung darüber schreiben, aber ich habe keinen Zugang dazu gefunden. Irgendwann ist mir eingefallen: So ein Mensch muss ja wirklich fast alles als Zwang empfinden. Ich ich glaube nicht, dass Menschen solche Taten begehen, weil sie sich dazu entscheiden. Deswegen ist diese Geschichte ganz im Imperativ geschrieben."
Eine gelungene Pflichtaufgabe
"Madrigal" ist also keine leichte Kost. Bis auf eine Ausnahme erzählen alle Geschichten aus der Perspektive von seelisch beschädigten und gefährlichen Männern.
Dazu habe er sich zwar nicht bewusst entschieden, sagt Wray. Aber sich aktuell mit Themen wie "toxische Männlichkeit" oder der Grausamkeit des eigenen Geschlechts zu befassen, sei für männliche Autoren geradezu eine Pflicht.
Der US-Amerikaner wertet seinen Ausflug ins Deutsche dabei als vollen Erfolg:
"So schwierig ist auch war: Es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Das Schöne ist, dass ich jetzt zwei Optionen beim Schreiben habe. Wenn ich mir ein ein Projekt aussuche, kann ich mir nun überlegen: Wäre das vielleicht besser auf Deutsch oder vielleicht besser auf Englisch? Ich werde keineswegs aufhören, auf Englisch zu schreiben. Aber ich könnte mir vorstellen, hin und her zu schalten. Es kommt mir irgendwie witzig vor."
(hte)