Geburtsstunde des "Man in Black"
Lieder über Verbrechen, Gewalt und Gefangenschaft hat Johnny Cash viele gesungen. Doch seinen Durchbruch als "Man in Black" feierte er in der Haftanstalt Folsom State Prison am 13. Januar 1968. Mit dem Auftritt wurde Cash zum Mythos.
Wie hatte er doch auch damals schon seine Auftritte immer begonnen? Genau. Mit "Folsom Prison Blues". Und dann donnernder Applaus. Und dann, mit dem ersten bumtschackabum seiner Band, der Tennessee Three.
Das erste Lied, der Folsom Prison Blues, ein Song, den es längst gab, 1953 von Cash noch in Landsberg am Lech, er war bei der Army, geschrieben - Cash hatte einen Film gesehen, einen Spielfilm, Inside The Walls of Folsom Prison", und war schockiert über dessen Gewalt, die Nötigungen, die rücksichts- und schonungslose Kontrolle.
Selbst im Knast gewesen, wie oft kolportiert, war er nie. Man hatte ihn allerdings einige Male über Nacht festgehalten, weil er im Besitz von ... nun ja, ungewöhnlichen Arzneimitteln war, etwa eintausend Amphetamintabletten, die er aus Mexiko in die USA geschmuggelt hatte.
Eine Tablette zum Wachbleiben, eine Tablette zum Einschlafen, eine Tablette zum Wachbleiben, eine zum Einschlafen, eine zum Wachbleiben, eine zum Einschlafen.
Am Scheitelpunkt seiner Karriere
Cash befand sich 1966/67/68 an einem Scheidepunkt, wenn nicht an einem Scheitelpunkt: Entweder vorbei oder neu und nach oben.
"Ich dachte, sagt er, ich hätte noch ein paar Platten zu machen und wollte mit jemandem zusammenarbeiten, der Interesse an mir hatte."
Zuerst war seine Schallplattenfirma alles andere als begeistert von der Idee, in einem Gefängnis aufzutreten, von der Idee, daraus eine Live-LP zu machen. Cash konnte sie überzeugen, hatte er doch Erfahrungen mit Auftritten in Besserungsanstalten: 1957 in Huntsville, Texas, 1958 in San Quentin usw.
Aber Folsom Prison war annähernd anders: Er brauchte einen Erfolg. Er brauchte Anerkennung, auch Attraktion, er hatte sich von seiner ersten Frau und den vier Kindern getrennt, er hatte kurz zuvor seine zukünftige Frau June Carter kennen gelernt und wollte präsentieren, was er tat.
"At Folsom Prison" war der Moment, in dem Cash sich tatsächlich in den hoch aufragenden Mann in Schwarz verwandelte, Spukgesang, Lieder von Verbrechen und Verbrechern und Gewissensbrüchen. Keine Erfindung, aber Übertreibung, Geschichten über Mord und Gefangenschaft und eine schlaue Art zu behaupten, dass er, Cash, vielleicht wirklich einen Mann in Reno erschossen hatte, nur um ihn sterben zu sehen.
Cash wird zum Mythos
"At Folsom Prison" wurde zu der LP, die ihn deutete, in vergangenen Mythen gehüllt, breitete er sein Leben aus. Der Mann in Schwarz wurde real und erlebte sein Comeback, indem er seine Verbundenheit mit den Gefängnisinsassen demonstrativ zur Schau stellte.
Ein bisschen Folk, ein bisschen Country, Cashs Stil, sein ureigener Stil. Für die Country-Musik im allgemeinen insofern wichtig, da er der Industrie, die auf Pop-Country-Kurs war, zeigte, dass buchstäblich eben auch bumtschackabum reichte.
Es hatte zwei Shows gegeben, eine morgens um zwanzig vor zehn und eine mittags um zwanzig vor eins. Die Schwarzen, wie Willard Dedmon, mussten hinten sitzen, in der Dokumentation "Johnny Cash at Folsom Prison" sieht man nur Weiße in blauer Sträflingskleidung, die Vereinigten Staaten waren 1968 segregiert.
Cash trug seine Probleme auf die Bühne, er sah etwas, was andere nicht sahen und, wie sein späterer Schwiegersohn und Gitarrist Marty Stuart anmerkte: "Er drückte den Knopf und lieferte."