Jon Klassen: "Aus heiterem Himmel"

"Warten auf Godot" für Kinder

05:34 Minuten
Cover des Buchs „Aus heiterem Himmel“ von Jon Klassen.
Reduzierte Formen als Grundlage für einen prächtigen Humor: Jon Klassen ist mit "Aus heiterem Himmel" ein tolles Buch gelungen. © Deutschlandradio / Nord Süd
Von Kim Kindermann |
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Zwei Mal schon hat Jon Klassen den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen. Seine reduzierte Bildsprache und die tiefsinnigen Inhalte überzeugen immer wieder, auch in seinem neuen Buch. "Aus heiterem Himmel" ist hinreißend schlau und extrem lustig.
Fünf kleine Geschichten, fünf kleine Meisterwerke finden sich auf den 96 Seiten von Jon Klassens "Aus heiterem Himmel". Unter Überschriften wie "Der Fels", "Der Sturz" oder "Sich die Zukunft vorstellen" wird von skurril lustigen Begegnungen zwischen einer Schildkröte und ihren Freunden erzählt.

Gefühle, Ahnungen und Ängste

Immer geht es um Gefühle, Ahnungen und Ängste, die nicht selten einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleich wahr werden. Etwa wenn Schildkröte und Wiesel zusammenstehen, am Lieblingsplatz von Schildkröte. Der aber ist Wiesel nicht geheuer: "Ich stell mich da drüben hin und schaue, ob ich dort ein besseres Gefühl habe."
Hat er. Und schon bald gesellt sich Schlange zu ihm. Obwohl Schildkröte meint: "Mein Platz ist besser." Weil aber Wiesel auf sein ungutes Gefühl hört und Wiesel und Schlange Schildkröte auch nicht gut hören können, muss die ihren Platz verlassen, um näher an die Freunde ranzukommen.
Genau in dem Moment, als sie die beiden erreicht und für den aus ihrer Sicht besseren Platz werben will, knallt ein Fels genau auf ihre Lieblingsstelle.
Gerade mal vierzehn Doppelseiten lang ist diese erste Episode. Und doch steckt so viel in ihr, was das menschliche Miteinander ausmacht: zusammen sein wollen, sich mögen, das aber nicht sagen können, Recht haben wollen, auf seine Gefühle hören, überrascht werden, Glück haben.

Das Große im Kleinen erzählen

Jon Klassen ist ein Meister darin, das Große im Kleinen zu erzählen - und dabei auch noch lustig zu sein. Denn wer am Ende der Geschichte in die drei großen runden Augenpaare der drei Freunde schaut, der kringelt sich vor Lachen.
Das ist Slapstick pur. Und der zieht sich durch alle fünf Geschichten, die einem Schneeballsystem gleich aufeinander aufbauen.
So fällt in der zweiten Geschichte Schildkröte vom besagten Felsen. Auf dem Rücken liegend, behauptet sie, nie Hilfe zu brauchen. Wiesel bleibt bei ihr, um ein Schläfchen zu machen. Das wiederum findet sie lächerlich, denn sie selbst sei nie müde. Als sie natürlich doch fast einschläft, behauptet sie, die Augen geschlossen zu haben, um sich die Zukunft vorzustellen. In der Zukunft gibt es ein Monster, das dann real wird. Bis dann wieder ein Fels runterfällt.

Reduzierte Farben, prächtiger Humor

Die für Jan Klassen charakteristischen Bilder, die erst mit der Hand gezeichnet und später am Computer weiterbearbeitet werden, sind in den gewohnt gedeckten Farben gehalten: braun, olivgrün, beige und cremefarben. Das war´s. Doch die reduzierte Form bereitet dem Humor förmlich die Grundlage. Mehr noch: Er kommt durch sie erst richtig zum Tragen.
Die Texte sind dabei gewohnt kurz und bündig. Nicht selten bestehen Dialoge aus Einwortsätzen: "Was ist das? Ich weiß nicht, was das ist. Was tut es? Psst, sonst hört es dich." Das verspricht natürlich großen Quatsch. Denn jedes Mal passiert eine ganze Menge. Auch das ist klassisch für den gebürtigen Kanadier, der früher Trickanimation gemacht hat. Und so ist auch das neue Buch wieder ein großes Glück: hinreißend schlau und extrem lustig!

Jon Klassen: "Aus heiterem Himmel"
Übersetzt von Thomas Bodmer
Nord Süd, Zürich 2021
96 Seiten, 18 Euro
ab 4 Jahren

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