Jonathan Haidt: "Generation Angst"
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Smartphones sind Erfahrungsblocker
05:40 Minuten
Jonathan Haidt
Aus dem Englischen von Monika Niehaus-Osterloh und Jorunn Wissmann
Generation Angst. Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzenRowohlt, Hamburg 2024448 Seiten
26,00 Euro
Der Sozialpsychologe Jonathan Haidt macht das Smartphone für die Zunahme psychischer Erkrankungen unter jungen Menschen verantwortlich. In seinem Buch fordert er, sich wieder mehr auf die reale Welt zu konzentrieren.
Studien alarmieren: Den 14-bis 29-jährigen geht es mental schlecht! Angst, Trauer, Depression und Hoffnungslosigkeit – all das hat in der Generation Z sprunghaft zugenommen.
Doch was sind die Gründe? Für den Sozialpsychologen Jonathan Haidt liegen sie im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand. Seit langem forscht er daran, wie Technologie den Menschen verändert. Sein Fazit: Mit dem Smartphone kam die „große Neuverdrahtung der Kindheit“ - und mit ihr jede Menge psychischer Stress.
Soziale Deprivation
Mit „Neuverdrahtung“ meint der Wissenschaftler von der New York University, dass sich durch die Nutzung des Smartphones das Gehirn nicht so entwickeln kann, wie es Kinder eigentlich brauchen. Bis zur Pubertät würden Neurone besonders intensiv vernetzt sowie die Schutzschicht Myelin gebildet – beides präge den Menschen dauerhaft. Doch zu viel Surfen in virtuellen Welten verhindere, dass dies auf eine Weise geschehe, die zu innerer Stabilität führt.
Vier Nebenwirkungen hält Jonathan Haidt für besonders „übel“. Die „soziale Deprivation“, also der Umstand, dass Heranwachsende - statt direkt miteinander Zeit zu verbringen - zunehmend übers Handy kommunizieren. Oder: die „Fragmentierung der Aufmerksamkeit“. Knapp zweihundert Push-Nachrichten erhielten junge Leute im Durchschnitt am Tag. Problematisch auch: das Entstehen von Abhängigkeiten, weil viele Dienste so gemacht seien, dass sie die Nutzer permanent bei der Stange hielten.
Das Lebensgefühl der Generation Z
Dass dies nicht ohne Wirkung bleibt, belegt Jonathan Haidt mit reichlich Datenmaterial zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Demnach hat sich das Lebensgefühl der Generation Z in der westlichen Welt zwischen 2010 und 2015 dramatisch verändert – in genau der Phase, als Smartphones zunächst mit Social-Media-Apps, später zusätzlich mit einer Frontkamera für Selfies auf den Markt kamen. Um 134 Prozent etwa haben laut der „American College Health Association“ in diesem Zeitraum Angststörungen unter US-Studierenden zugenommen. Auch Berichte über zunehmende Einsamkeit und das Fehlen von Schulfreunden zitiert der Wissenschaftler.
Doch warum ist sich der Sozialpsychologe so sicher, dass es wirklich am Smartphone liegt? Genau deshalb, weil – wie er zeigt – die Wissenschaft gut belegen kann, welche Aktivitäten junge Menschen psychisch stark machen. Die wichtigsten: soziales Spiel in der Gruppe, aufeinander Eingehen und soziales Lernen über (exzellente) Rollenvorbilder – alles Prozesse, denen das Smartphone als „Erfahrungsblocker“ im Weg stehe.
Fazit: Handynutzung klar beschränken
Anders als man vielleicht erwarten könnte, will Jonathan Haidt das Gerät jungen Leuten aber nicht verbieten. Seine klugen - wenn auch nicht neuen - Vorschläge zielen darauf ab, die Nutzung zeitlich zu beschränken. Außerdem fordert er mehr Regulierung, um süchtig machende Designs zu verhindern. Vor allem aber sollten Eltern dafür sorgen, dass ihre Kinder mehr Zeit in der realen Welt verbringen. Sein überzeugendes, eindringliches Buch lädt dazu ein, damit sofort loszulegen.