"1000 Jahre Boys" läuft einmalig im Live-Stream des Wiener Volkstheaters am 12. Mai um 19.30 Uhr.
"Beuys ohne Polit-Beuys ist geil!"
12:42 Minuten
Anlässlich des 100. Geburtstags von Joseph Beuys veranstaltet Jonathan Meese in Wien eine Theaterparty. Bei dieser soll der Künstler Beuys gefeiert werden, nicht jedoch der Politiker. Die beiden Bereiche müsse man trennen, findet Meese.
"Jeder Mensch ist ein Künstler!", unter diesem Schlachtruf wurde Joseph Beuys zu einem der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten ebenso verehrt wie verachtet, war Beuys auch eine typische Künstlerfigur seiner Generation – als Kriegstraumatisierter, politischer Aktivist, Guru und Bürgerschreck.
Am 12. Mai wäre Beuys 100 Jahre alt geworden und aus diesem Anlass spendiert ihm ein Radikalkünstler unserer Tage jetzt eine Geburtstagsfeier: Mit "1000 Jahre Boys" will Jonathan Meese am Wiener Volkstheater den "echten, geilen Beuys" suchen.
Der "Guru Beuys" kann weg
"Ich bin kein Lobhudler", klärt Meese sein ambivalentes Verhältnis zum "totalen Künstler" Joseph Beuys. "Natürlich hat Beuys auch ganz viele Fehler gemacht. Der Priester Beuys zum Beispiel ist schrecklich. Der Politikfunktionär Beuys ist furchtbar, aber der totale Künstler Beuys ist super. Man wird ihm nur so gerecht, indem man das auseinanderzieht und eine Liebeserklärung an den Künstler Beuys veranstaltet, aber auch ganz klar sagt: Der politische Beuys wird nicht mehr benötigt. Und den Religions-Beuys, den Guru Beuys, den brauchen wir auch nicht."
Für Jonathan Meese, der sich selbst gerne als "Ameise der Kunst" beschreibt und seit vielen Jahren die "Diktatur der Kunst" verlangt, stellt vor allem Beuys‘ Hinwendung zur Realpolitik, etwa sein Einsatz für die Grünen, einen "Hochverrat" dar:
"Kunst steht über den Dingen und Kunst ist viel stärker als Politik. Kunst bleibt und die Politik vergeht. Man darf sich mit Politikern überhaupt nicht gemeinmachen. Man darf auch keine politischen Parteien gründen. Man darf damit gar nichts zu tun haben und man darf die Kunst der Politik auch nicht unterjubeln wollen."
Beuys betrieb "Klientelpolitik"
Aber was bleibt von Beuys, wenn man Kunst und Politik trennt? Wenn man Kunst nicht mehr, wie von Beuys, als "Nahtstelle des Übergangs zur realen Praxis" verstanden wird? Meese dazu:
"Beuys ohne Polit-Beuys ist geil! Also die Skulpturen, die Objekte, die Zeichnungen – das ist alles super. Das, was der politisch abgesondert hat, das war einfach furchtbar. Das wird natürlich auch heute wieder abgefeiert, aber das ist ein Fehler. Damit wird man den auch eliminieren. Wenn man ihn nur politisch abfeiert oder als Gründen von den Gründen sieht oder so, das ist Klientelpolitik. Das bringt gar nichts. Da macht man ihn so klein; da hat er sich aber auch selber kleingemacht.
Letzte Zuckungen schlimmer Zeiten
Dennoch stehen sich Beuys und Meese in ihrem revolutionären Ansatz näher, als man meinen könnte, obwohl die Mittel denkbar unterschiedlich sind. Was Beuys über die Politik erreichen wollte, kann für Meese allein die Kunst leisten:
"Die Kunst wird irgendwann mal die Realität ersetzen und das ist auch gut so. Kunst steht auch über jeder Krankheit. Also Kunst ist der Heiler, das stimmt. Aber nicht der Künstler, sondern die Kunst. Wenn wir die Kunst in Deutschland herrschen lassen, wird alles super sein. Die schlimmen Dinge erleben die letzten Zuckungen. Die totale Politisierung gerade, auch die Zensur in der Kunst, das sind letzte Zuckungen. Das müssen wir nutzen, um die Kunst ganz nach vorne zu bringen. Die Freiheit der Kunst ist entscheidend. Keine Zensur. Sie muss an die Macht! Die Kunst ist die Macht der Zukunft. Wir brauchen das Gesamtkunstwerk Deutschland, das Gesamtkunstwerk Europa und das Gesamtkunstwerk die ganze Welt und dann wird alles super. Wir dürfen auch nicht immer alles so persönlich nehmen. Natürlich leben wir in schwierigen Zeiten, aber die werden irgendwann besser. Vor allem für die Kinder müssen wir sagen, dass die Zukunft super wird!"
(jeb)