Joseph-Ignace Guillotin

Hinrichtung mit dem Fallbeil

Von Regina Kusch |
Joseph-Ignace Guillotin regte sich sein Leben lang darüber auf, dass die berühmt-berüchtigte Tötungsmaschine der Französischen Revolution seinen Namen bekam. Wer war der Mann, dessen Todestag sich nun zum 200. Mal jährt?
"Niemand erinnert sich mehr an meine philanthropischen Aktionen, meine Verteidigung der Gefolterten. Mein Name ist mit einem Mordinstrument verbunden worden, das ich niemals erfunden habe."
Wie in diesem Brief an einen Logenbruder, beklagte sich Joseph-Ignace Guillotin sein Leben lang heftig darüber, dass die berühmt-berüchtigte Tötungsmaschine der Französischen Revolution nach ihm benannt war. Ein ähnliches Gerät hatte man schon im 16. Jahrhundert in Italien gebaut. Doch Guillotin war überzeugt, dass die Enthauptung mit dem Fallbeil die am wenigsten grausame Exekutionsmethode sei und setzte sich für eine Reform der französischen Hinrichtungspraxis ein, erklärt der Berliner Historiker Arnd Bauerkämper:
"Er war jemand, der natürlich die traditionellen Methoden des Hinrichtens erlebt hat, insbesondere Rädern und Vierteilen, aber auch das Enthaupten mit dem Schwert. Und alle diese Methoden waren extrem schmerzhaft und es dauerte sehr, sehr lange, bis der Tod eintrat."
Köpfen war eine Bevorzugung des Adels
Joseph-Ignace Guillotin erzählte oft, dass er zu früh zur Welt kam, weil seine Mutter einen Schock erlittenen habe, als sie die Schmerzensschreie eines geräderten Menschen hörte. Er studierte Medizin, wurde ein angesehener Arzt und Mitglied der Nationalversammlung. In Frankreich unterschied man zwischen gewöhnlichen Verbrechern, die qualvoll hingerichtet und Adeligen, die mit dem Schwert enthauptet wurden. Da bestand immerhin die Möglichkeit, dass gleich der erste Hieb des Henkers den Verurteilten tötete.
"In allen Fällen, in denen das Gesetz die Todesstrafe für eine angeklagte Person vorsieht, soll die Strafart die gleiche sein. Der Verurteilte soll enthauptet werden mit Hilfe einer einfachen Mechanik. Die Maschine wirkt wie der Blitz, der Kopf rollt, das Blut sprudelt, der Mensch ist nicht mehr. Das Opfer leidet überhaupt nicht, es spürt lediglich ein kurzes, kaltes Gefühl im Nacken."
Von Guillotins Plädoyer für eine Humanisierung des vorrevolutionären Strafrechts überzeugt, gab die Nationalversammlung den Bau einer Exekutionsmaschine in Auftrag, die nicht Guillotin entwarf, sondern der Chirurg Antoine Louis. Ein deutscher Klavierbauer stellte den Prototyp her. 1792 erstmalig in Paris in Betrieb genommen, löste das "Guillotinieren" europaweit Diskussionen aus. Der Frankfurter Anatomieprofessor Samuel Thomas von Sömmerring, Befürworter des Todes durch den Strang, befand die Methode als barbarisch. Vom Streit zwischen Sömmerring und dem französischen Arzt handelt Günter Kunerts Hörspiel "Besuch bei Dr. Guillotin":
Sömmerring: Die Köpfe hören, sehen und fühlen noch nach Stunden.
Guillotin: Unsinn! Keiner der abgetrennten Köpfe hat je nach seiner Entfernung vom Rumpf dagegen protestiert. Da der Blutzufluss abrupt unterbrochen ist …
S.: im Gehirn aber noch eine ausreichende und daher belebende Menge vorhanden ist …
G.: und alle Nervenbahnen gekappt sind …
S.: deren Schmerzempfindlichkeit weiter besteht …
G.: tritt der Tod sofort ein. Hingegen beim Hängen, dieser Strangulationsfolter …
S.: die eine sofortige und sanfte Ohnmacht hervorruft …
G.: da der Delinquent qualvoll erstickt …
S.: verbunden mit dem Auftreten sexueller Phänomene …
G.: und nach Stunden noch Lebenszeichen aufzuweisen vermag …
S.: rein motorische Reflexe produziert, wie durch Elektrizität gereizte Froschschenkel.
G.: ist der Galgen regierungsamtlich abgeschafft worden!
Mechanisierung lädt zu Missbrauch ein
In Frankreich wurden etwa 50 Guillotinen aufgestellt, die in der Zeit des "Terreur" 1793-94, bis zu sechs Stunden täglich im Einsatz waren und über 40.000 Verurteilten die Köpfe abtrennten. Guillotin kritisierte diese Exzesse der Revolution.
"Er hat sich davon abgewandt, weil gerade das massenhafte Töten natürlich nicht in seinem Sinne war und er sehr deutlich gemerkt hat, dass hier nicht nach Recht und mit Gerichten verurteilt wurde, sondern in hohem Maße willkürlich.", so Arnd Bauerkämper.
Selbst in Ungnade gefallen, entging Guillotin 1794 nur knapp einer Hinrichtung. Von da an zog er sich aus der Politik zurück. Bis zu seinem Tod am 26. März 1814 wirkte er weiter als Arzt. Er setzte sich für eine bessere medizinische Versorgung der Armen ein, für sauberes Trinkwasser und die Bekämpfung der Pocken und leistete so einen bedeutenden Beitrag zum französischen Gesundheitswesen. Doch wer weiß das schon, wenn der Name Guillotin fällt?