Joshua Cohen: "Auftrag für Moving Kings", Roman
Aus dem Englischen von Ingo Herzke,
Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2019
282 Seiten, 24 Euro.
Mit gewaltiger Wucht
06:11 Minuten
In seinem Roman "Auftrag für Moving Kings" entfaltet der US-Autor Joshua Cohen auf 300 Seiten seinen brillanten Witz und erzählt eine politisch brisante Geschichte. Darin enthalten: Religion, Israel, die Westbank, Jerusalem und Drogenhandel.
Mit seinen umfangreichen, an David Foster Wallace geschulten Romanen "Witz" und "Buch der Zahlen" hat sich der 1980 in Atlantic City geborene Schriftsteller Joshua Cohen einen Namen gemacht, wiewohl US-Kritiker angesichts der Komplexität seiner Prosa die Angst beschlich, von "postmoderner Migräne" heimgesucht zu werden. Cohens fünfter Roman "Auftrag für Moving Kings" scheint es seinen Lesern da auf den ersten Blick leichter zu machen. Nur knapp dreihundert Seiten benötigt Cohen diesmal, um seinen brillanten Witz zu entfalten und eine politisch brisante Geschichte zu erzählen, die sich auch als US-amerikanische Sozialstudie lesen lässt.
Reich mit Herzproblemen
David King, eine Figur mit hoch symbolischen Namen, die einem Philip-Roth-Roman entsprungen zu sein scheint, heißt einer der Protagonisten, ein mit allen Wassern gewaschener amerikanischer Jude, der es in New York mit seiner Umzugsfirma King’s Moving zu einem stattlichen Vermögen gebracht hat. Sein Vater hat den Holocaust überlebt, seine Frau Bonnie, ein ehemaliges Kalendermodel, hat ihn verlassen. Seine studierende, eifrig Drogen konsumierende Tochter nimmt ihn wie eine Weihnachtsgans aus, und seine Mitarbeiterin Ruth möchte ihn unbedingt in den Hafen der Ehe lotsen.
Zudem leidet er unter Herzproblemen – und darunter, wie er sich zu seiner Herkunft stellen soll: "Was ihn während dieser ganzen Zeit stärkte, war Israel: die Idee, die Abstraktion Israel. Verwandte in dem Land zu haben hieß das Land in der Familie zu haben, das ganze gesamte Land."
Verwandte aus Israel
Einer dieser Verwandten, sein Neffe Yoav, macht sich nun, nachdem er seinen dreijährigen Militärdienst bei den israelischen Streitkräften absolviert hat, zusammen mit seinem Freund Uri in die USA auf. Beide arbeiten für das King’sche Familienunternehmens und sollen sich in New York quasi erholen. Wovon?
Das pointiert Cohen in einem für ihn typischen, sarkastischen Dialog: "In Israel macht jeder Mensch Militärdienst, und wenn sie fertig sind, gehen sie reisen. – Alle? Und wer bleibt dann noch in Israel? Ist Israel leer? Wissen die moslemischen Länder davon? – Der Zweck ist, dass sie ein bisschen runterkommen, durchatmen oder so. – Durchatmen von was? Vom Araber umbringen? – Genau, vom Araber umbringen."
Was Yoav und Uri, die Schwierigkeiten haben, sich auf den fremden Alltag einzustellen, beim Militär gelernt haben, macht sie zu wertvollen Mitarbeitern Kings. Denn dessen Firma organisiert keineswegs nur herkömmliche Wohnungswechsel, sondern hat sich auf Zwangsräumungen spezialisiert, die vor allem die Ärmsten der Armen treffen. Schonungslos seziert Cohens Roman den Umgang mit diesem Prekariat – mit messerscharfen Dialogen, mal kuriosen, mal anrührenden Szenen, die mit einer dem Übersetzer alles abfordernden Sprachgewalt einherkommen.
Schwächste Figur
Es ist staunenswert, welches Tempo Cohen anschlägt, wenn seine Figuren über Religion, Israel, die Westbank, Jerusalem (das King bei einem seiner Besuche wie ein "mystischer Flughafen" vorkommt) oder Drogenhandel räsonieren. Das ist von gewaltiger Wucht – und wäre noch überzeugender, wenn sich Cohen nicht am Ende eine weitere Figur, den farbigen, zum Islam übergetretenen Vietnam-Veteranen Avery Luter, ausgedacht hätte. Der ist fraglos das schwächste Glied in dieser Kette – doch da haben wir schon knapp zweihundert Seiten eines außergewöhnlichen Romans gelesen.