Joshua Ferris: "Männer, die sich schlecht benehmen"

Allzeit seitensprungbereit

Elf Geschichten über Männer - rundum gelungen.
Elf Geschichten über Männer - rundum gelungen. © ImageBROKER / Luchterhand Verlag
Von Knut Cordsen |
Seitensprünge, Narzissmus und implodierende Beziehungen: Der US-Schriftsteller Joshua Ferris wirft in seinem Kurzgeschichtenband "Männer, die sich schlecht benehmen" einen klugen Blick auf die Tragödie des modernen Mannes.
Erzählungen gelten hierzulande offenbar mittlerweile als derart unverkäuflich, dass Verlage auf dem Buchcover lieber verschweigen, wenn es sich um solche handelt. Das ist bedauerlich und im Falle von Joshua Ferris vollkommen unverständlich, denn hier schreibt einer Storys, die ihresgleichen suchen: geistreich, voller Dialogwitz und rasant.
Elf dieser erzählerischen Kleinode versammelt der Band "Männer, die sich schlecht benehmen". Für den exzellent gewählten deutschen Titel wiederum kann man Ferris' Verlag nicht genug loben: Verweist er doch nicht nur auf bekannte Filmtitel wie "Männer, die auf Ziegen starren"*, sondern macht sofort klar, worum es in diesen Geschichten geht: um das, was heute mit einem vielleicht allzu ernsten Begriff "toxische Maskulinität" genannt wird.

Denken an Sex und ein übergroßes Ego

Männer denken ständig an Sex, Männer gehen fremd, Männer fallen ihrem übergroßen Ego zum Opfer. Das ist nichts Neues, aber neu ist die kluge, ironische Art, in der ein Mann all das schildert.
Da ist zum Beispiel der Analyst Tom, verheiratet mit der Ärztin Sophie, die er, allzeit seitensprungbereit, mit der Kellnerin Melissa betrügt. Selbst als Sophie von Toms Affäre Wind bekommt, gibt er sich nicht etwa reumütig, sondern siegesgewiss: "Seiner Meinung nach gab es in dieser Sache nur zwei Lösungen. Entweder sie verabscheute ihn und ging. Oder sie verzieh ihm und blieb. Dass es irgendwie beides sein würde, hatte er sich nicht vorgestellt."
Oder nehmen wir die dem amerikanischen Original den Titel gebende komische Geschichte "Die Dinnerparty": Ein Pärchenabend steht bevor, und bei den Vorbereitungen lästern die beiden Einladenden über die erwarteten Gäste, die sie für sterbenslangweilig halten. Doch dann bleiben die beiden aus, und die Gastgeber, die sich gerade noch in ihrem Spott auf die anderen gefielen (vor allem der Mann), sind auf sich selbst zurückgeworfen und ein unangenehmer Prozess der Selbsterkenntnis setzt ein.
"Die Brise" wiederum erzählt von Jay und Sarah (auch sie New Yorker, wie nahezu alle Figuren in diesem Band), deren Beziehung eine beiderseitige Einfallslosigkeit vergiftet. Er will maximal ins Kino, sie will etwas erleben: "Sie wollte ein anderer, besserer Mensch werden. Er war vollkommen happy mit seiner beschränkten Persönlichkeit." So sehr hier Männer als schlichte Gemüter und Einfaltspinsel porträtiert werden, sollte man sich allerdings davor hüten, Ferris irgendeine Form von Misandrie zu unterstellen: Seine Frauenfiguren sind viel zu klug, um den Männern allein die Schuld an der Implosion von Beziehungen zuzuweisen.

"Wer ist es diesmal?" fragte sie

Die berührendste Geschichte in diesem Buch kreist um einen Jungen, dessen Mutter einfach nicht den richtigen Mann findet und der versucht zu kitten, was nicht zu kitten ist. Dass viele Übel in der Kindheit wurzeln, erzählt auch die schwärzeste Story in diesem Band, "Das Stiefkind": Der Schauspieler Nick, dessen Jugend von Scheidung und Verlassenwerden geprägt ist, redet sich eines Tages ein, seine Frau Naomi habe ihn verlassen.
Doch seine Trauer über das vermeintliche Ende der vierjährigen Ehe währt nicht lang. Kurzerhand macht er sich auf zu einer Malerin, die er ein paar Tage zuvor zufällig kennengelernt hat, um bei ihr Trost zu finden. Beschwingt kehrt er nach dem Besuch bei ihr in seine Wohnung zurück. Und findet dort, kaum überrascht, seine Frau vor: "Er ging zur Küche, druckste im Türrahmen herum und wartete darauf, dass sie etwas sagte. 'Wer ist es denn diesmal?', fragte sie schließlich ohne aufzublicken. Er zuckte die Schultern. 'Jemand, den ich bei der Gala kennengelernt habe.'"
Die Reaktion der Frau auf diesen Satz wird nicht verraten. Aber dass aus ihr die Weisheit der Frauen spricht, das kann man gewisslich sagen.

Joshua Ferris: Männer, die sich schlecht benehmen
Aus dem Amerikanischen von Markus Ingendaay
Luchterhand Verlag, München 2018
286 Seiten, 20 Euro

*) Wir haben an dieser Stelle einen sachlichen Fehler korrigiert.
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