Journalismus in Mexiko

Ein tödliches Metier

Mexikanische Journalisten halten Bilder ihres ermordeten Kollegen und weiße Blume als Zeichen der Trauer in den Händen.
Mexikanische Journalisten trauern in Mexiko-Stadt um ihren ermordeten Kollegen Rubén Espinosa. © AFP/HECTOR GUERRERO
Von Peter B. Schumann |
Verglichen mit anderen Ländern Amerikas werden in Mexiko die meisten Journalisten ermordet. Der Fall des Journalisten Rubén Espinosa sticht besonders heraus: Mit ihm wurden vier Frauen erschossen. Seitdem hören die Rufe nach Aufklärung durch den Staat nicht auf.
"Gerechtigkeit" forderten am Wochenende Hunderte von Bürgerrechtlern, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Journalisten und Angehörigen der Opfer im Halbrund des Denkmals für Benito Juárez, einem von Mexikos bedeutendsten Reformern und Präsidenten des 19. Jahrhunderts. Sie wollten den Staat, in dem die meisten Gewalttaten straflos bleiben, an seine Pflicht einer konsequenten Aufklärung erinnern und der Öffentlichkeit klarmachen, dass hier zwei verschiedene Verbrechen untersucht werden müssen: der politische Mord an einem Journalisten und der Totschlag von vier Frauen.
Das Drama begann Anfang Juni. Rubén Espinosa arbeitete seit Jahren in der Hafenstadt Vera Cruz, am Golf von Mexiko, als Fotoreporter. Er verfasste Bildreportagen über soziale Bewegungen und Protestveranstaltungen für"Proceso", das wichtigste regierungskritische Wochenmagazin des Landes. Dabei war er mehrfach von der Polizei verprügelt und sogar gezwungen worden, Fotos zu löschen. Immer öfter erhielt er Drohungen und wurde Anfang Juni regelrecht verfolgt. Dem Internet-Fernsehprogramm "Rompeviento" berichtete er darüber kurz vor seinem Tod.
"Ich war auf dem Weg nach Hause, als sich mir zwei Typen näherten. Ich stellte mich auf eine Attacke ein, aber sie gingen nur so dicht an mir vorbei, dass ich ihren Atem spürte. Als ich meinen Weg fortsetzte, sah ich zwei andere Typen, die auf mich warteten. Ich konnte ihnen nicht ausweichen. Die Beiden rempelten mich zwar an, schlugen aber nicht zu. Am anderen Tag habe ich den Fall öffentlich gemacht."
Letztes Lebenszeichen auf Twitter
Rubén Espinosa empfand dies als letzte Warnung und zog zusammen mit Nadia Vera, seiner Freundin und Menschenrechtsaktivistin, nach Mexiko D.F.. Die Hauptstadt galt bis dahin als ein sicherer Zufluchtsort für verfolgte Journalisten. Das letzte Lebenszeichen twitterte er am Tag seiner Ermordung um 14:13 Uhr an einen Freund:
"Ich bin gerade auf dem Heimweg und melde mich bei dir, sowie ich zu Hause bin."
Wenig später muss er erschossen worden sein. Denn um 15 Uhr zeichnete eine Überwachungskamera auf, wie drei Typen das Wohnhaus fluchtartig verließen. Sie trugen einen Koffer bei sich. Zwei von ihnen fuhren in einem PKW davon, der Dritte flüchtete zu Fuß. Espinosas Leiche, die seiner Freundin und drei weiterer Frauen, die sich in dem Appartement befanden, wurden erst am Abend von einer Mitbewohnerin gefunden. Sie waren alle mit Klebeband gefesselt, der Journalist gefoltert und zwei der Frauen vergewaltigt worden. Dann hatten die Täter sie mit Kopfschüssen geradezu hingerichtet.
Für die mexikanische Staatsanwaltschaft stand zunächst das Delikt Raubmord fest. Die meisten Medien hielten dies jedoch für eine politisch motivierte Gewalttat. In den sozialen Netzwerken wurde sehr bald ein Verantwortlicher genannt.
Videobotschaft: "Die Regierung von Vera Cruz hat den mexikanischen Journalisten Rubén Espinosa ermorden lassen. Zuvor war er bereits von ihr kriminalisiert und marginalisiert worden. Die Mexikaner verlangen Gerechtigkeit für den unerträglichen Akt dieser Mörder-Regierung, die die Wahrheit zu unterdrücken versucht, indem sie Journalisten umbringt."
Journalisten von der Polizei bedroht
An der Küste des Bundesstaats Vera Cruz liegen einige der wichtigsten Häfen des Landes. Deshalb hat sich dort auch die Drogenmafia eingenistet. Als Gouverneur Duarte 2010 an die Regierung gewählt wurde, versprach er, unter den Kartellen aufzuräumen. Doch verunsichert hat er vor allem die Journalisten. Er hat sie immer wieder diskriminiert und von der Polizei bedrohen lassen, wenn sie über dubiose Regierungsgeschäfte berichteten. Inzwischen gilt Vera Cruz als eines der Gebiete in Mexiko, in denen Journalisten besonders gefährdet sind. 14 von ihnen wurden in seiner Amtszeit getötet oder sind verschwunden, vier allein in diesem Jahr. Im Politmagazin "Proceso" wurde mehrfach der Filz zwischen Staatsapparat und organisiertem Verbrechen dokumentiert, u.a. von der Reporterin Marta Durán de Huerta.
"Die Mehrzahl der Drohungen und Attacken gegen Journalisten geht vom Staat aus: von einem Gouverneur, einem Abgeordneten, einem Senator, einem Bürgermeister, einem Polizeichef. Manchmal morden auch Vertreter der Staatmacht, Polizisten, im Auftrag des organisierten Verbrechens, was besonders erschreckend ist. Denn in Mexiko ist die Polizei oft der bewaffnete Arm von kriminellen Organisationen."
Der Verdacht liegt nahe, dass die Erschießung von Rubén Espinosa ein als Raubmord getarnter politischer Racheakt war, der zu einem Feminiszid eskalierte. Denn Gewaltakte gegen Frauen sind heute nahezu Alltag in Mexiko.
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