Journalismus und Klimawandel

Wie lässt sich die Klimakrise besser erklären?

15:49 Minuten
Illustration: Die Erde als Luftballon mit einem Pflaster aus dem Luft herausströmt.
Fragile Welt in Not: Wie lässt sich am besten illustrieren, was derzeit durch die Klimakrise passiert? © imago / viennaslide
Sara Schurmann im Gespräch mit Teresa Sickert und Tim Wiese |
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Rund um die Weltklimakonferenz in Glasgow laufen die Medien zur Hochform auf. Überall wird berichtet, eingeordnet und diskutiert. Dabei werden gerne Vergleiche und Bilder benutzt, um die Klimakrise in Worte zu fassen. Aber wie sinnvoll ist das?
Zahlen, Thesen und Bilder spielen im Klimajournalismus eine wichtige Rolle. Manche der Aussagen klingen schlau, beleuchten den tatsächlichen Sachverhalt schon ganz gut – und sind inhaltlich trotzdem schwer einzuordnen. Auch die weit verbreiteten Vergleiche sind da nicht immer hilfreich.
Ein Beispiel: "Ihr Cappuccino hat den gleichen CO2-Fußabdruck wie zwei Stunden Zoom." Die Info scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein, denn auch wenn Menschen online kommunizieren, Dinge erledigen, sich unterhalten oder einfach nur konsumieren, von Zoom bis Netflix – dann frisst das richtig viel CO2: Weil die Server und Rechenzentren Strom brauchen.
Aber was resultiert aus dieser Gegenüberstellung? Keinen Cappuccino mehr trinken, sondern Espresso? Telefonieren statt zoomen?

Handlungsalternativen aufzeigen, Kontext erklären

Laura Spengler vom Umweltbundesamt findet den Vergleich schwierig: "Ich weiß ja einfach immer noch nicht: Ist das jetzt viel oder wenig? Und es sind ja auch keine Handlungsalternativen." Sinnvoller sei es vielmehr, zum Beispiel klar zu beziffern, wie viel Mal höher der Treibhausgas-Ausstoß von einem Liter Kuhmilch im Vergleich zu einem Liter Hafermilch ist, erklärt die Expertin für nachhaltigen Konsum.
Auch bei plakativen Aussagen zum Thema Mobilität lohnt es sich, genauer hinzusehen. Oft heißt es ja, Fliegen sei der Klimakiller schlechthin. "Man muss so eine Aussage in den Kontext stellen", sagt Laura Spengler. "Wenn ich auf einzelne Personen gucke oder auf den privaten Konsum, dann ist Fliegen - sofern ich fliege - der größte Klimakiller." Wenn man die Mobilität der Gesellschaft insgesamt anschaue, dann gebe es sehr viel mehr Stellschrauben.
So unter anderem eben auch, wie Menschen auf den Straßen unterwegs sind. Elektro-Autos gelten als der "grüne" Trend im Verkehrssektor schlechthin. Bei "Spiegel Online" konnte man diese Woche lesen: "Milliardenpoker um E-Autos – gefährden die neuen Ideen den Boom des sauberen Antriebs?"
Auch hier ist "sauber" relativ. Ja, E-Autos stoßen beim Fahren deutlich weniger CO2 aus als Verbrenner, je nachdem wie der Strommix so ist. Aber: Die Herstellung der Batterien verbraucht viel Energie und Rohstoffe. Neue Studien zeigen: Erst wenn man 50.000 bis 100.000 Kilometer gefahren ist, schneiden E-Autos in der Öko-Bilanz besser ab als Diesel oder Benziner.

Konkrete und realistische Lösungen aufzeigen

Aber woran liegt es, dass die Berichterstattung über das Klima eine solche Herausforderung darstellt? "Wir haben eine total schwierige Doppelrolle in diesem Bewusstwerdungsprozess zur Klimakrise", sagt die Journalistin Sara Schurmann, die auch Medien in Fragen rund um die Klimaberichterstattung berät. Zum einen seien die Medien ein Spiegel der Gesellschaft, zum anderen prägen sie aber auch Meinungen.
"Wir sind ja als Journalistinnen auch nur Menschen", gibt sie zu. Ihr selbst sei vor gar nicht langer Zeit noch nicht klar gewesen, dass der Klimawandel sehr akut ihr eigenes Leben betreffen würde. Auch das Konzept eines konstruktiven oder lösungsorientierten Journalismus habe sie anfangs unterschätzt.
Das habe sich geändert, "seitdem mir bewusst ist, wie akut diese Krise ist und wie wichtig wir als Journalistinnen sind, um realistische Lösungen aufzuzeigen und damit auch einen schnellen gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen", sagt sie heute. "Ich glaube aber nicht, dass das etwas mit Aktivismus zu tun hat."

Mehr Klimawissen in die Redaktionen

Für wichtiger als Zahlen oder Vergleiche hält Sara Schurmann eine grundsätzliche Herangehensweise. "Wir müssen anfangen, darüber zu reden, dass die Klimakrise gerade schon alle Entscheidungen betrifft, die wir langfristig fällen: Also Kinderkriegen, Rente, Haus kaufen", erklärt sie. "Das sind Entscheidungen, die Zeiträume überdecken von mindestens 30 Jahren, eher mehr, und die dadurch extrem von der Klimakrise betroffen sein werden. Das machen wir uns noch nicht ganz klar."
Aber wie kann es gelingen, ein so komplexes Thema wie den Klimawandel verständlich zu vermitteln? "Wir brauchen auf jeden Fall mehr Faktenwissen zur Klimakrise in den Redaktionen", fordert die Journalistin. Eigene Fachredaktionen aufzubauen oder Expertinnen in den Redaktionen zu schaffen oder sie dorthin zu holen, hält sie für wichtige Schritte, um die Klimaberichterstattung zu verbessern.
Auch wenn der Journalismus im gesamten Kommunikationsmodell einer Gesellschaft nur ein Teilsystem ist: "Wir Journalistinnen sind praktisch in diesem System ja auch ein Hebel, um das zu durchbrechen", was im großen Ganzen bisher schiefgelaufen sei, erklärt sie. "Wir sind auf jeden Fall ein eine berufliche Gruppe mit extrem viel Einfluss auf den öffentlichen Diskurs."
Eine wichtige Aufgabe bei der Klimaberichterstattung sieht Sara Schurmann darin, Lobby-Narrative transparent zu machen, die den Menschen glauben machten, das sei alles kompliziert, man könne gar nicht wissen, was zu tun ist: "Doch eigentlich wissen wir ziemlich eindeutig, was wir tun müssen", sagt die Journalistin. "Wir tun es nur halt nicht!"
(Leon Ginzel, hum)
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