Der deutsch-britische Journalist Alan Posener wurde in London geboren und wuchs in Malaysia und Berlin auf. Er war zunächst Lehrer und machte sich als pointierter Kommentator und Blogger einen Namen. Heute ist er Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der "Welt"-Gruppe. Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter "Imperium der Zukunft – Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007) und "Benedikts Kreuzzug: Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009).
"Es war nicht alles falsch am Kolonialismus"
10:28 Minuten
Der Publizist Alan Posener plädiert für eine neue Debatte über Kolonialismus. Und er hat eine klare Antwort auf die Frage: Darf man angesichts von Völkermorden und Korruption in Afrika fragen, ob der Kolonialismus nicht vielleicht besser war?
Die Thesen des US-Politologe Bruce Gilley zum Kolonialismus haben bei der Veröffentlichung 2017 eine entrüstete Debatte innerhalb der US-amerikanischen Akademikerwelt ausgelöst: Ein wenig verkürzt lautet das Fazit seines Textes über die Kolonialzeit, dass die Bilanz des Kolonialismus korrigiert werden müsse, denn es sei nicht alles schlecht gewesen. Wegen der breiten Kritik an der Veröffentlichung und Zeifeln an der Wissenschaftlichkeit seiner Behauptungen hatte die Zeitschrift den Text Gilleys zurückgezogen.
Nun fand Gilley ein neues Forum: Die AfD-Fraktion lud ihn für eine Diskussion unter dem Titel "Bilanz des Kolonialismus" in den Bundestag ein. Der deutsch-britische Publizist Alan Posener verteidigte Gilleys These: "Ich habe selber vor fast zehn Jahren ein Buch geschrieben, wo ich gesagt habe, dass nicht alles falsch war am Kolonialismus und dass ich das britische Weltreich historisch für eine Glanzperiode halte - verglichen mit allem, was danach gekommen ist."
Es ist "nichts unfragbar"
Darum habe Posener interessiert, was Bruce Gilley zu sagen hat und so habe er die AfD-Veranstaltung besucht. Allerdings finde er es "eigentlich furchtbar", dass Gilley seine Thesen vor der AfD-Fraktion habe vortragen müssen, "weil sich sonst niemand dieser Sache annimmt". Auch kritisierte er, dass es in den USA Todesdrohungen gegen die Herausgeber der wissenschaftlichen Fachzeitschrift gegeben hatte.
Posener betonte, dass auch vor dem Hintergrund etwa der deutschen Kolonialgeschichte in Deutsch-Südwestafrika und dem Völkermord an den Herero und Nama "nichts unfragbar" sei: "Gemessen an der Zeit und gemessen an dem, was davor war - nämlich ein Kontinent im Chaos, gegenseitige Völkermorde der dortigen Nationen, einem arabischen Sklavenhandel - kann man fragen, ob der Kolonialismus nicht besser war."
Klare Ablehnung von Gilleys Thesen hatte der deutsche Historiker Jürgen Zimmerer in einem Interview mit der Welt geäußert: "Wie verrechnen Sie versklavte und ausgebeutete Menschen mit gegrabenen Brunnen? Tote mit erbauten Eisenbahnkilometern?" Dem entgegnete Posener: "Wenn es zum Beispiel eine Leistung des deutschen Kolonialismus ist, die Schlafkrankheit besiegt zu haben, wenn dadurch vermutlich zwei Millionen Menschen gerettet worden sind, dann ist das doch eine Leistung, die gesagt werden darf."
"Zum Glück hatten die Kolonialisten ein wirtschaftliches Motiv"
Alan Posener räumt allerdings ein, dass dies mit der Ausbeutung der Ressourcen der kolonisierten Gebiete einherging. Posener zitiert Gilley, der eindeutig sage: "Zum Glück hatten die Kolonialisten auch ein wirtschaftliches Motiv, denn sonst hätten sie es nicht gemacht. Also sonst hätten sie keine Straßen gebaut, keine Verwaltung eingeführt, keine Gerichtsbarkeit eingeführt, hätten sie Frauen nicht geschützt." Dass die europäischen Staaten bestimmte Menschheitsideen verkörpern, werde zu unrecht als "westlich" diskriminiert.
Posener allerdings betont auch, dass es natürlich kein Zurück gebe hinter die nationale Unabhängigkeit für die einst kolonisierten Nationen in Afrika: "Aber die Frage ist natürlich, ob wir weiterhin einfach Entwicklungshilfe dort in die Hände korrupter Eliten geben."
(sru)