Journalist Gabor Steingart

"In der SPD taugt im Moment niemand zum Hoffnungsträger"

Das Bild zeigt das SPD-Logo nach dem politischen Aschermittwoch 2017 in Ludwigsburg. Das "D" wird gerade abgebaut.
Die Personalquerelen der letzten Wochen überschatten das Ansehen der SPD © picture-alliance / dpa / Lino Mirgeler
Moderation: Korbinian Frenzel |
Der politische Aschermittwoch fiel dieses Jahr im Vergleich zur politischen Realität fast harmlos aus. Der Journalist Gabor Steingart beklagt den "Karneval in der Politik" und geht mit dem früheren Schulz-Hype in der eigenen Branche hart ins Gericht.
Nach dem Sturz des SPD-Politikers Martin Schulz scheinen einige Medien jetzt die designierte neue Parteivorsitzende Andrea Nahles zur neuen Hoffnungsträgerin zu stilisieren. "Das Herz der SPD", schrieb die Zeitschrift "Stern" diese Woche und es werden von einigen Berichterstattern bereits Parallelen zum Machtantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel gezogen. "Sie taugt nicht zum Hype und die Situation auch nicht", sagte unser Studiogast, der Journalist Gabor Steingart, über Nahles im Deutschlandfunk Kultur.

Karneval in der Politik

Es sei schon vor der eigentlichen Karnevalszeit ein "Karneval in der Politik" eingekehrt, kritisierte der frühere Herausgeber der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" die jüngsten Entwicklungen. "Deshalb ist auch der Aschermittwoch gar nicht mehr zu toppen durch die real existierenden karnevalesken Züge der Politik seit der Bundestagswahl." Steingart hatte selbst erst vor wenigen Tagen nach einem kritischen Kommentar über Schulz seinen Job verloren. Er bedankte sich für die Unterstützung aus dem Kollegenkreis und aus der Politik, die ihn nach seinem Rausschmiss erreicht habe und betonte, dass die "innere Pressefreiheit" ein sehr hohes Gut sei. Er habe lediglich eine Satire geschrieben, aber sein Verleger Dieter von Holtzbrinck habe sich über den Text schockiert gezeigt und sich bei Schulz dafür entschuldigt.

Historische Mission der SPD

Die SPD habe sich selbst in besonderer Weise in Bedrängnis gebracht, sagte der Journalist. "Da taugt im Moment niemand zum Hoffnungsträger." Dabei habe die Idee der SPD von der "sozialen Gerechtigkeit" nichts von ihrer Bedeutung und Strahlkraft eingebüßt, auch nicht von ihrer historischen Mission. "Aber das Personal macht im Moment nicht den Eindruck, als ob es die Mission all zu ernst nimmt, sondern mehr sich vielleicht in den Vordergrund stellt."
Gabor Steingart, Herausgeber des "Handelsblatt", aufgenommen am 02.02.2017 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
Der Journalist Gabor Steingart fordert mehr Vielfalt der Meinungen in den Redaktionen © dpa-Zentralbild

Warnung vor Schulz

Steingart sagte, er habe bereits vor einem Jahr bei der Berufung von Schulz davor gewarnt, dass da ein Politiker antritt, der aus vielen Gründen nicht das nötige Kaliber gehabt habe. "Er ist nicht aus dem Holz aus dem Bundeskanzler geschnitzt sind", habe er schon damals geschrieben.

Kritik an der eigenen Branche

Der damalige Schulz-Hype sei für die Journalisten ein Grund, sich selbst zu betrachten, sagte Steingart. Er nannte den Herdentrieb, die "Mainstream"-Berichterstattung, die eigene Filterblase und die Selbstbespiegelung als Probleme der Branche. "Da ist etwas entstanden, was nicht gut ist, glaube ich", sagte der Autor.

Vielfalt der Meinungen wichtig

Für die Demokratie brauche man mehr Vielfalt, ob nun bei Männern und Frauen oder bei unterschiedlicher Herkunft. "Aber eben auch verschiedene Meinungen – die Meinung des Anderen wird ausgerechnet von uns zu gering geachtet", sagte Steingart. Journalisten seien nicht für Projektionsflächen zuständig, sondern für das "Durchschauen". Während es bei der Beurteilung des US-Präsidenten Donald Trump kritisch zugehe, sehe das in Deutschland anders aus: "Hier im Inland wird sich manchmal vor denen liebedienerisch verbeugt, die gerade oben sind."

Gabor Steingart, geboren 1962, war bis vor wenigen Tagen Herausgeber der Wirtschaftzeitung "Handelsblatt". Von 2001 bis Ende Juni 2007 leitete er das Hauptstadtbüro des "Spiegel" in Berlin, anschließend war er für das Büro in Washington tätig. Von April 2010 bis Dezember 2012 war Steingart Chefredakteur des Handelsblatts. Seit 2013 war er bis zu seinem Rausschmiss Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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