Journalist über Foto von Schwarzem Loch

"Wie ein Ring mit ein paar ordentlichen Klunkern dran"

06:51 Minuten
Bei der Präsentation der Aufnahme eines Schwarzen Lochs der National Science Foundation der USA in Washington sitzen mehere Personen auf dem Podium, ein Mann steht am Mikrofon und spricht. Personen: Sheperd Doeleman, France Cordova, Dan Marrone, Avery Broderick, Sera Markoff
Weltweite Aufmerksamkeit: Auf sechs parallelen Pressekonferenzen wurde die Aufnahme eines Schwarzen Lochs präsentiert. © Getty Images / Chip Somodevilla
Dirk Lorenzen im Gespräch mit Nicole Dittmer · 10.04.2019
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Erstmals ist es Astronomen gelungen, ein Schwarzes Loch zu fotografieren. Ein Beleg für Einsteins Relativitätstheorie. Eigentlich würden die Forscher lieber etwas finden, das seiner Theorie widerspricht, sagt Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen.
Für alle Astronomen dieser Welt ist am heutigen 10. April fast so etwas wie eine neue Zeitrechnung angebrochen: Nach jahrelanger Teleskopbeobachtung ist es Forschern an acht verschiedenen Orten – unter anderem in Europa, in den USA, auf Hawaii, am Südpol – gelungen, erste direkte Bilder eines Schwarzen Lochs und der Materie, die es umgibt, zu schießen. "Mich erinnert es an einen Ring mit ein paar ordentlichen Klunkern dran", so beschreibt der Physiker und Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen die ersten Aufnahmen: Rot-orange auf dunklem Grund leuchtet das Loch.
Lorenzen räumt allerdings ein, es sei ein wenig nachgeholfen worden: "Das sind künstliche Farben. Auch Astronomen wissen, was schöne Farben sind. Man hat diese Beobachtungen mit Radiowellen gemacht – da gibt es gar keine Farben. Die Farben sind also künstlich – das Licht ist echt."
Vorab-Simulation: Astronomen erfassen erstes Bild eines Schwarzen Lochs
Dicht dran am Original und fast noch ein bisschen hübscher: Vorab-Simulation eines schwarzen Lochs.© picture alliance / ESO/Cover Images
Insgesamt passe das Bild perfekt zu den vorab schon angefertigten Simulationen. Das sei für die Forscher bei aller Freude "fast ein bisschen enttäuschend".

Schwarze Löcher, ein Etikettenschwindel

Aber was verbirgt sich nun eigentlich hinter dem sensationellen Foto? "Ein Schwarzes Loch ist zunächst einmal ein Etikettenschwindel", sagt Lorenzen. Das Loch sei gar kein Loch, "sondern, im Gegenteil, da ist so viel Materie drin, wie man sich das kaum vorstellen kann – absolut dicht gepresst. Und die Materie ist so dicht gepresst, dass von einem Schwarzen Loch nichts mehr wegkommt. Selbst mit Lichtgeschwindigkeit nicht."
Wie dicht gepresst die Materie sei, zeige ein schöner Vergleich: Würde man nämlich die Erde auf die Größe einer Kirsche zusammenpressen, wäre auch unser Planet ein Schwarzes Loch.
Lorenzen weiter: Es sei deshalb so schwierig und langwierig gewesen, ein Foto zu schießen, weil das Schwarze Loch in einer fernen Galaxie und etwa 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt sei. Und obwohl es ungefähr sechs Milliarden mal so viel Masse besitze wie die Sonne, sei es doch nur ein winziges Pünktchen im All.

Dummerweise hält sich das Loch an Einsteins Theorie

Zwei Jahre habe die Auswertung der gigantischen Menge an Teleskopdaten gedauert. Und nun komme Einsteins Relativitätstheorie, die sich mit der Struktur von Raum und Zeit und dem Wesen der Gravitation beschäftige, ins Spiel: "Und dummerweise" halte sich das Schwarze Loch daran. "Dummerweise", weil den Forschern schon klar sei, dass Einsteins Theorie – "so gut sie auch ist" – vermutlich nicht der Weisheit letzter Schluss sei.
Einsteins Theorie über das All im Großen und die Quantentheorie über die mikrophysikalischen Erscheinungen passten nicht so recht zusammen, erläutert Lorenzen. "Das heißt, man möchte etwas finden, das diese beiden Theorien vereint. Da wäre es schön, wenn man etwas findet, das von Einsteins Vorhersagen abweicht." Oder ihnen gar widerspreche.
(mkn)
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