"Es ist eine Katastrophe“
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In Brasilien brennen die Wälder. Auch in der Millionenstadt Sao Paulo sind die Folgen zu spüren. Neben natürlichen Ursachen gibt es auch Brandstiftung. Diejenigen, die davon profitieren, werden sogar von höchster Stelle in Schutz genommen.
Der brasilianische Regenwald steht in Flammen. Das Feuer wütet im südlichen Amazonas. Es sind die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Einige Bundesstaaten haben den Umweltnotstand ausgerufen. Laut dem Weltrauminstitut Inpe stieg die Zahl der Waldbrände im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent: Allein im August soll es 9500 Brände im Amazonas gegeben haben.
Selbst die Millionenstadt Sao Paulo ist von den Auswirkungen der Feuer betroffen, obwohl die Metropole fast 3000 Kilometer von den Bränden entfernt liegt, wie der in Brasilien lebende Journalist Philipp Lichterbeck im Deutschlandfunk Kultur berichtet. Am Montagnachmittag seien zwei Wetterphänomene aufeinander getroffen: Eine Kaltfront und feine Aschepartikel seien über Sao Paulo getrieben worden.
Feuer greifen auf Nachbarländer über
Das Resultat: Der Himmel verdunkelte sich schlagartig. "Der Tag wurde wirklich zur Nacht", sagt Philipp Lichterblick. "Das war ein Weckruf, ein Alarmsignal." Zum ersten Mal sei eine breite Öffentlichkeit auf die Feuer im Amazonas aufmerksam geworden, die dort seit Wochen toben würden, so Lichterbeck.
"Die Lage ist wirklich dramatisch. Es ist eine Katastrophe." Außerdem brenne nicht nur der Amazonas-Wald, sondern auch die südlich davon gelegenen Cerrado-Savannen. Die Feuer würden sich zudem nach Bolivien und auch Paraguay ausbreiten.
Es gebe zwei Ursachen für die Waldbrände, eine sei natürlich bedingt durch die ungewöhnlich langanhaltende Hitze der vergangenen Zeit. "Diese natürlichen Feuer werden ausgenutzt von Viehzüchtern, Großbauern, aber auch Kleinbauern und von Landspekulanten, um ihrerseits Feuer zu legen." Damit sollen Fakten geschaffen werden, so Lichterblick, damit diese ihr Land ausdehnen könnten. "Diese Taktik ist sehr erfolgreich. Wenn der Wald einmal weg ist, ist er weg."
Gesetze werden nicht umgesetzt
Der Staat sei in diesen Regionen häufig schwach, erläutert Lichterblick. "Oder steckt mit diesen Großgrundbesitzern unter einer Decke." Dort wo der Zentralstaat nicht vorhanden sei, hätten lokale Mächte das Sagen. Mit fatalen Folgen für die Wälder.
Zwar gebe es Gesetze, doch würden sie nicht angewendet. Die Erfahrung zeige, dass es einen Rückgang von illegalen Rodungen gebe, wenn der Staat seine Gesetze durchsetze. So geschehen zwischen 2004 und 2012, damals sei die Waldvernichtung um ein Sechstel zurückgegangen. "Seit 2012 steigen sie wieder stark an und explodieren förmlich unter Bolsonaro", sagt Lichterblick.
Rhetorik gegen Umweltschutz und Ureinwohner
Befeuert würden die illegalen Rodungen durch den amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro. Zum einen durch seine Rhetorik: "Er sagt ganz klar, wir werden den Amazonas ausbeuten. Er beschimpft Umweltschützer als Öko-Schiiten. Und dass Brasilien das Recht habe, sein Wald auszubeuten", erklärt Lichterblick. Bolsonaro nehme zudem die Großbauern, Goldgräber und Viehzüchter in Schutz. Beschimpfe aber die Ureinwohner als "prähistorische Menschen".
Neben der Rhetorik schwäche der Präsident auch die Umweltbehörden. Die Spitzen der Ämter seien durch Militärs besetzt worden, Strafaktionen gegen Umweltzerstörer wurden ausgesetzt oder abgebrochen. "Er nimmt den Beamten den Rückhalt und stärkt die Illegalen", resümiert Lichterblick.
(rzr)