Staat möchte zeigen, wer Herr im Hause ist
In Weißrussland sind rund ein Dutzend Journalisten festgenommen worden. Deutschlandfunk Kultur-Reporterin Sabine Adler vermutet andere Gründe als die offiziell angegebenen hinter der Aktion: Es gehe gegen unabhängigen Journalismus im Internet.
In Weißrussland sind mehrere Mitarbeitern unabhängiger Medien in den vergangenen Tagen festgenommen worden. Unter anderem wurden die Redaktionsräume der Nachrichtenagentur BelaPAN, des Webportals tut.by sowie Privatwohnungen von Journalisten durchsucht.
Mindestens zehn Journalisten nahm die Polizei für Befragungen mit. Die meisten von ihnen befanden sich auch am Donnerstag noch im Polizeigewahrsam. Unter den Betroffenen ist auch der Korrespondent des deutschen Auslandssenders der Deutschen Welle, Paulyuk Bykowski.
Vorwurf illegale Nutzung von Nachrichtenagentur-Material
Die Polizei hatte am Mittwoch auch Bykowskis Wohnung durchsucht, Ausrüstung beschlagnahmt und ihn zunächst als Zeugen mitgenommen, wie die Nicht-Regierungsorganisation Reporter ohne Grenzen mitteilte. Seine Frau sagte der Deutschen Welle, ihr Mann gelte inzwischen als Verdächtiger.
Die Ermittlungsbehörden werfen den Journalisten laut Reporter ohne Grenzen "unautorisierten Zugang zu Computerinformationen" vor. Sie sollen sich widerrechtlich Informationen aus dem Bezahlbereich der staatlichen Nachrichtenagentur BelTA beschafft haben.
Die Deutschlandfunk Kultur-Reporterin Sabine Adler hält das eher für unglaubwürdig. Sie sagt dazu, die betroffenen Medien seien sehr breit gestreut, "so dass die Beobachter in Minsk überhaupt nicht davon überzeugt sind, dass es da tatsächlich um die illegale Nutzung von Nachrichtenagentur-Inhalten ging; sondern, dass es schlicht und ergreifend gegen unabhängigen Journalismus im Internet ging und der Staat zeigen möchte, wer hier Herr im Hause ist."
Mediengesetz im Sommer verschärft
Betroffen seien Medien, die Weißrusslands Präsident Aljaksandr Lukaschenko nicht kontrolliert, im Gegensatz zu der staatlichen Nachrichtenagentur, wo der Staat mitzureden hat. Adler erläutert, Lukaschenko habe die Medien immer im Griff gehabt. Seit 2011 habe er auch Internet-Medien in den Blick genommen und erst in diesem Sommer sei das Mediengesetz nochmals verschärft worden.
"Aber er sieht auch, dass er mit seinen staatlichen Medien, die den viel, viel größeren Teil der Medien ausmachen in Weißrussland, die Menschen nicht mehr erreicht. Das zeigen soziale Umfragen, das zeigen die Zuschauer-, die Hörerzahlen und die Leserzahlen. Man dringt also nicht mehr durch mit der Botschaft des Autokraten – und dann stehen dem gegenüber die unabhängigen Medien, die eben schreiben was ist oder sagen, was ist in dem Land: und das gefällt ihm überhaupt nicht."
Grenzen der Öffnung zum Westen
Nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 gab es eine leichte Öffnung nach Innen und auch ein gewisses Bemühen um eine Annäherung an die EU. Nach fünf Jahren Pause gab es erstmals auch wieder ein Minsker Forum – eine zivilgesellschaftliche Veranstaltung mit Aktivisten aus Weirussland, der EU und den USA. "Das war ein gutes Zeichen, das ist auch als Öffnung verstanden worden", sagt Adler.
Aber man wisse eben auch, dass Lukaschenko beziehungsweise seine Gesandten mit der EU oder ganz pauschal mit dem Westen über Finanzen, Wirtschaft, über alles möglich redeten, sagt Sabine Adler und betont zugleich die Schranken: "Über eines nicht: Niemals über die Öffnung, was Menschenrechte angeht und was Freiheiten für Medien angeht."
(mf)