Was Visumspflicht für Türken bedeutet
Einfach den Rucksack packen, ein Bahnticket kaufen und Europa erkunden: Für deutsche Studierende ist das selbstverständlich, für junge Türken nahezu unmöglich. Die türkisch-deutsche Journalistin Dilek Zaptçıoğlu berichtet, was die Visumspflicht im türkischen Alltag bedeutet.
Derzeit wird auf politischer Ebene über Visa-Freiheit für die Türkei geredet. Was das für die Menschen aber im Einzelnen wirklich bedeutet, wissen viele der Volksvertreter in Brüssel vermutlich gar nicht.
Die türkisch-deutsche Journalistin und Buchautorin Dilek Zaptcıoglu, die in Istanbul und Berlin lebt, hat es erlebt und berichtete im Deutschlandradio Kultur davon.
Ihr Sohn, der selbst problemlos in der EU herumreisen kann, wollte mit einem in der Türkei lebenden Freund auf Interrail-Tour quer durch Schengen-Europa gehen. Bis das endlich möglich war, musste der junge Mann eine Visums-Odyssee über sich ergehen lassen - zumal seine Eltern über kein regelmäßiges, hohes Einkommen verfügen.
"Weil er durch das unregelmäßige Einkommen seiner Eltern nicht an ein Visum herankommt, habe ich ihn eingeladen. Das heißt, er musste bestimmte Dokumente – Studentenausweis (...), auch das Einkommen seiner Eltern, mögliche Immobilien und so weiter – vorweisen. Und er hat also einen Stapel Dokumente und auch meine Einladung, dass ich für seine Kosten in Deutschland aufkomme, vorgelegt" - bei einer privaten Firma in der Türkei, die solche Angelegenheit erledige. Danach habe er sein Visum erhalten.
Einreise ist nicht nur kompliziert, sondern auch teuer
Aus türkischer Sicht sei die aktuelle Situation mit Visumspflicht nicht gerecht - denn Deutsche und andere EU-Bürger könnten jederzeit und problemlos mit ihrem Personalausweis in die Türkei einreisen. Für türkische Bürger dagegen sei es nicht nur kompliziert, sondern auch teuer – allein die Ausstellung eines türkischen Passes koste 200 Euro. Das ist sehr viel Geld in der Türkei.
Zur vielfach geäußerten Befürchtung, im Falle einer Visa-Freiheit würden viele Türken, vor allem aus dem krisengeschüttelten Südosten des Landes in Deutschland Asyl beantragen, sagte Dilek Zaptcıoglu:
"Es könnte die einen oder anderen geben, die auf diesem Weg nach Europa kommen wollen."
Die Situation im Südosten sei durch den Krieg mit den Kurden sehr schwierig.
"Es gibt deshalb eine große Binnenwanderung. Doch diese Menschen müssen sich erstmal einen türkischen Pass besorgen. Dann müssen Sie in ein europäisches Land reisen. Okay. Und dann müssen sie da Asyl beantragen. Die Zahl dieser Leute wird nicht sehr hoch sein, das ist meine Einschätzung. Sonst würden sie einfach auch über die Grenzen fliehen."
Brüssel empfiehlt Visumfreiheit für Türken - Hören Sie zum Thema auch den Beitrag von Annette Riedel aus "Studio 9" vom 4. Mai 2016 - 17:10 Uhr: