Journalistin Ebru Taşdemir zur Freilassung von Deniz Yücel

"Die Solidarität war ungebrochen"

Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis.
Ist inzwischen wieder in Berlin: Deniz Yücel nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis. © Can Erok/DHA-Depo Photos/dpa
Journalistin Ebru Taşdemir im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Nach mehr als einem Jahr im Gefängnis ist der Journalist Deniz Yücel wieder frei - aber viele Kollegen sitzen noch in türkischer Haft. Ebru Taşdemir von der "taz.gazete" hat mit Yücel zusammengearbeitet und hofft, dass die anderen Inhaftierten nicht in Vergessenheit geraten.
Als Ebru Taşdemir die Nachricht von der Freilassung Deniz Yücels gehört hat, hat sie sich ins Auto gesetzt und nur noch geheult. "Ganz viele verschiedene Emotionen habe ich durchlebt. Mir ist das Jahr noch mal eingefallen, wie hoffnungslos man manchmal war und wie traurig." Dann ist sie in die Redaktion gefahren. "Ich habe gedacht, ich werde bestimmt gebraucht."
Von der Unterstützung für Deniz Yücel war Taşdemir begeistert. "Die Solidarität war ungebrochen in der Gesellschaft. Was der Freundeskreis 'Free Deniz' gemacht hat, was seine Kolleginnen und Kollegen gemacht haben, auch Menschen die ihn gar nicht kannten, das ist großartig gewesen."

Was nebenher lief, werden wir in ein paar Jahren erfahren

Was von der Bundesregierung an Unterstützung gekommen ist, möchte Taşdemir nicht bewerten. "Ich weiß ja nicht, was nebenher gelaufen ist. Das werden wir wahrscheinlich in ein paar Jahren erfahren."
Ebru Taşdemir macht sich Sorgen, was die Einzelhaft bei Yücel bewirkt hat. "Ich glaube, da machen wir uns alle Gedanken um ihn. Natürlich habe ich Angst, dass die Isolationshaft, das waren ja jetzt neun Monate, dass die was ausgelöst hat oder dass die noch Langzeitwirkungen hat. Wahrscheinlich machen sich seine Familie und seine Frau Dilek die meisten Gedanken, ich hoffe einfach dass es nicht so schwerwiegende Folgen gibt."
Ob es denn wirklich notwendig gewesen sei, dass sich Außenminister Sigmar Gabriel vor seinem türkischen Amtskollegen Binali Yildirim verbeugt habe und nochmal bedankt habe, nach diesem Jahr? "Was ist ein Menschenleben wert, kann man da fragen. Im Nachhinein kann man sagen, das hätte es wahrscheinlich nicht gebraucht, auf der anderen Seite - Deniz Yücel ist erstmal frei - und jetzt können wir überlegen, was war denn nötig und was war nicht nötig?"

Weitere inhaftierte Journalisten nicht vergessen

Natürlich solle man die Entwicklung weiter kritisch betrachten, meint Taşdemir. "Man muss auch gucken, was kommt denn jetzt von der türkischen Seite? In der Türkei passieren auch weiterhin Menschenrechtsverletzungen, da werden auch weiterhin Journalisten inhaftiert gehalten mit fragwürdigen Anklageschriften und deshalb muss man da weiterhin hingucken und darauf pochen: Aha, ihr seid ein Rechtsstaat? Dann gucken wir jetzt da noch mal genau hin. Das würde ich mir wünschen von der neuen Bundesregierung."
Nur wenige Stunden nach der Nachricht über die Freilassung von Deniz Yücel wurde gemeldet, dass sechs Journalisten, darunter Ahmet und Mehmet Altan, zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. "Das ist total bitter. Dass es solch ein Strafmaß gibt, für Aussagen, die in einer Fernsehsendung getätigt wurden, das berührt uns sehr. Nach draußen gibt man das Zeichen, man ist ein Rechtsstaat, aber nach innen geht die Härte weiter."
Ebru Taşdemir glaubt, dass mit der Freilassung von Deniz Yücel das Interesse an der Türkei abflauen wird. "Aber jedes Mal, wenn Deniz irgendwo spricht, dann wird er an seine Kolleginnen und Kollegen hinter Gittern erinnern."
(be)
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