Journalistin Sonya Winterberg

Der dunklen Seite der Geschichte auf der Spur

31:12 Minuten
Sonya Winterberg schaut freundlich in die Kamera
Finnlandschwedin Sonya Winterberg: "Ich habe mich lange damit beschäftigt, wie Kindheit im Krieg funktioniert." © privat
Moderation: Susanne Führer |
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Sie schreibt über „Wolfskinder“, die 1944 in den Wäldern Litauens überleben. Krieg, Traumata und Menschen in Not sind die Themen der Journalistin Sonya Winterberg. Jetzt stellt sie die Bilder der ermordeten Kriegsfotografin Anja Niedringhaus aus.
Vor fünf Jahren wurde die Fotografin Anja Niedringhaus in Afghanistan ermordet. Sonya Winterberg kannte die Pulitzerpreisträgerin, die vor allem in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs war und widmet ihr nun eine Ausstellung in Köln: "Bilderkriegerin".
Blick in die Ausstellung. Im Vordergrund ein großformatiges Portrait der Fotografin, im Hintergrund Vitrinen und Bilder an den Wänden.
Das Käthe Kollwitz Museum Köln zeigt zum 5. Todestag von Anja Niedringhaus 2019 eine Retrospektive der Fotografin.© Imago / Joern Neumann
"Sie selber hat sich nie als Kriegsfotografin verstanden, sie hat immer gesagt: 'Ich bin Fotografin'. ‚Bilderkrieger’ steht dazu sehr im Kontrast, aber ich möchte einladen, sich diesem Diskurs zu stellen, also dem Krieg der Bilder. Viele sprechen ja auch von einer Bilderflut. Es geht um Fragen wie: Darf man Krieg in Farbe zeigen, darf man Blut, darf man Tote zeigen? Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt: Was machen diese Bilder mit uns?"

Kinder im Krieg

Sonya Winterberg, Jahrgang 1970, setzt sich immer wieder mit Kriegsthemen auseinander, vor allem mit der Situation von Kindern in Krisengebieten. Sie schrieb zum Beispiel über die Kinder im Ersten Weltkrieg:
"Man macht sich oft nicht klar, dass die Kinder im Ersten Weltkrieg die Erwachsenen des Zweiten Weltkriegs waren. Ich habe mich lange damit beschäftigt, wie Kindheit im Krieg überhaupt funktioniert. Das Interessante am Ersten Weltkrieg war, dass es erstmals Zeugnisse aus aller Welt gab, weil es eine Zeit war, in der die Alphabetisierung gerade in vollem Gang war."

Überleben in den Wäldern

Auch die wenig bekannte Geschichte der sogenannten "Wolfskinder" hat sie in einem Buch, einem Film sowie in einer Ausstellung dem Vergessen entrissen. Über 20.000 deutsche Kinder wurden ab 1944 in Ostpreußen von ihren Familien getrennt - viele für immer. Einige haben Sonya Winterberg nach jahrzehntelangem Schweigen ihre Geschichte erzählt.
"Es gab ganz unterschiedliche Schicksale. Im Wesentlichen waren es Kinder, allein zurückgelassen in einem Gebiet, aus dem Menschen flohen, die erstmal versuchten, in der Natur zu überleben. Dann sind viele von ihnen nach Litauen geflohen, weil es sich herumgesprochen hatte, dass es da Milch und Honig gibt, oder Milch und Kuchen, wie sie sagten."

Die Finnlandschwedin

Sonya Winterberg wuchs in der Nähe von Helsinki auf. Dass sich die mehrsprachige Finnlandschwedin in ihren Büchern, Filmen und Ausstellungen vor allem den dunklen Seiten des Daseins - Krieg, Traumata, Menschen in Not – widmet, hängt auch mit ihrer eigenen Geschichte zusammen: Ein Teil der Familie stammt aus Deutschland; deren Spuren im Zweiten Weltkrieg versucht Sonya Winterberg zu folgen. Nach dem Abitur verließ sie ihre gemütliche finnische Kleinstadt, studierte in Deutschland, arbeitete in Brüssel und in den USA, filmte in Mittelamerika. Seit 2005 lebt sie mit ihrem Mann, einem Schriftsteller, und zwei adoptierten Kindern in Dresden. Aber nicht mehr lange: Die Familie plant, im Sommer nach Kanada zu ziehen.
(svs)
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