Das Märchen von Europas Pressefreiheit
Die polnische Medienreform hat europaweit für Empörung gesorgt. Von einem Ende der Pressefreiheit ist die Rede. Bedroht ist die allerdings längst nicht nur in Polen, sagt die Medienredakteurin Brigitte Baetz - sondern in vielen EU-Ländern.
In Polen werden die Senderchefs der öffentlich-rechtlichen Medien künftig direkt von der Regierung ernannt und abberufen. So will es das jüngst verabschiedete Mediengesetz der neuen rechtskonservativen Regierung.
Auch wenn die Aufregung unter den EU-Nachbarn groß ist - ein Einzelfall ist so eine Beschränkung der Pressefreiheit nicht. Journalisten zu gängeln, das ist in ganz Europa en vogue, sagt Brigitte Baetz aus der Deutschlandradio-Medienredaktion.
Eigentlich wisse man bereits seit Berlusconi, wie stark die Politik Einfluss auf die Medien nehme, so Baetz:
"In fast allen EU-Ländern, kann man eigentlich sagen, nutzen die Regierungen ihren Einfluss bei der Besetzung von wichtigen Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk - und das viel stärker, als man in Deutschland immer unterstellt."
In der Bundesrepublik sei der Anteil der Politik in den Gremien der Sendeanstalten durch das so genannte ZDF-Urteil von 2014 begrenzt. Auch die nordeuropäischen Länder stellten eine positive Ausnahme dar.
Einflussnahme durch Regierungen Frankreichs und Großbritanniens
In anderen EU-Staaten stelle sich die Lage jedoch schwieriger dar, so Baetz.
"Die BBC beispielsweise befindet sich gerade unter starkem Druck der Regierung Cameron."
Dort solle ein Teil der Unterhaltungssparte privatisiert sowie der Etat des Senders gekürzt werden.
"Kritiker sagen, damit soll die BBC ihrer Kontrollmöglichkeiten beraubt werden."
Hinzu komme die Abhörung von Journalisten durch den britischen Geheimdienst.
Vollkommen unterschätzt sei auch der Einfluss der Politik in Frankreich. Obwohl es das Ursprungsland der europäischen Presse- und Meinungsfreiheit sei, gebe es dort extremen staatlichen Einfluss - sowohl auf den Rundfunk als auch auf die Presse. Zusätzlich sei es nach den Anschlägen von Paris zu einem "engen Schulterschluss von Politik und Medien" gekommen, "als die Rolle von Hollande als Kriegsherr kaum noch hinterfragt wurde".
Gemeinsame europäische Regeln für unabhängigen Rundfunk
Ein starker unabhängiger Rundfunk werde vor diesem Hintergrund immer wichtiger, so Baetz. Gleichzeitig müsse sich Europa auf gemeinsame Regeln einigen, um einen unabhängigen Rundfunk zu fördern.
"Das hat sie bislang leider nicht getan, sondern eigentlich sich eher der Deregulierung des Medienmarktes zugunsten der kommerziellen Anbieter verschrieben. Und da droht die Pressevielfalt zugunsten von Werbemärkten zu kurz zu kommen."