Claire Morgans Ausstellung "Joy in the Pain" ist noch bis zum 6. Februar in der Modernen Galerie in Saarbrücken zu sehen.
Schaurig schön
05:39 Minuten
In der Ausstellung "Joy in the Pain" treffen ausgestopfte Tiere auf Gebilde aus Plastikfetzen. Claire Morgan hebt die Trennung zwischen Menschen- und Tierwelt auf. Bei allem Schmerz, der dabei entsteht, ist darin auch Freude und Schönheit zu erkennen.
Im 14 Meter hohen Atrium der Modernen Galerie hängt ein riesiger Wal aus unzähligen blauen Plastikfetzen, die wie Wasserspritzer wirken, als würde man Zeuge eines heftigen Eintauchens ins Meer. Das ist eine äußerst verblüffende Konstruktionsleistung, denn die formbildenden Plastikfetzen hängen an Nylonschnüren von der Decke. Schön und beklemmend: Eine luftige Vision, die uns zugleich mit Plastikabfall zu ersticken droht. Kuratorin Andrea Jahn erklärt die Bedeutung des Wals für Claire Morgan:
"Der ist für sie Ausdruck für einen großen Verlust: im Grunde das größte Säugetier, das auf der Erde gelebt hat, als Symbol für diese Zerstörung, die aktuell in unseren Meeren stattfindet – auch ausgelöst durch weggeworfene Plastiktüten, die einmal verwendet werden und tatsächlich die Zeit überdauern werden, die unzerstörbar sind, die uns noch viele, viele Jahrhunderte belasten werden."
Geduld, Liebe, Leidenschaft und Detailbesessenheit
Gleich nebenan eine weitere spektakuläre Installation aus Claire Morgans Wunderkammer: Eine ausgestopfte Schleiereule hat anscheinend mehrere Kuben durchflogen, die aus Tausenden von hellen Distelsamen bestehen. Sie hält zu auf einen weiteren Kubus, von unzähligen toten Fliegen gebildet. Es wird einem geradezu schwindelig von diesem Anblick.
Wie hat es die Künstlerin bloß geschafft, präzise Kuben aus hängenden hauchzarten Distelsamen zu formen? Wie hat sie die Flugbahn der Schleiereule so täuschend echt simulieren können? Wo hat sie bloß diese Unmenge von Fliegen her? Was will sie uns mit diesem Zusammenprall von luftig geometrischer Form und Tierpräparat sagen?
Angesichts dieser Kunstfertigkeit scheut man sich vor simpler Reduktion, aber dass da menschliches Kalkül und konstruktiv kulturelle Form auf animalisches Leben und Weltwahrnehmung treffen, dürfte klar sein. Claire Morgans Werk entsteht aus einer asiatisch anmutenden Form von Kontemplation: Geduld, Liebe, Leidenschaft und Detailbesessenheit spielen eine große Rolle. Vor allem aber die Dimension der Zeit:
"Das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt, weil diese Installationen sehr, sehr aufwendig sind, also viele, viele Monate im Grunde beanspruchen: Auf der einen Seite erst einmal die Einzelteile dafür herzustellen, wenn es um diese Plastikelemente geht. Und auf der anderen Seite die Samen zu sammeln, die Fliegen zu sammeln, die hier auch in ihrem Werk sehr oft verwendet werden, diese auf dünne Nylonfäden aufzufädeln und dann wieder abzuhängen. Also das sind alles Arbeitsprozesse, die unglaublich viel Zeit in Anspruch nehmen und in einer Sekunde zerstört werden können", erklärt Andrea Jahn.
Claire Morgan präpariert die Tiere selbst
Hinfälligkeit und Fragilität der Schöpfung – geht es darum? Der Tod jedenfalls ist hier immer präsent, in Form der ausgestopften Tiere, der Füchse, Eulen, Nebelkrähen, Katzen und Finken, die in die Fänge menschlicher Plastikwelt geraten. Dazu die Kuratorin:
"Das sind alles tatsächlich road kills, also Straßenopfer, die sie hier verwendet, die zu ihr gebracht werden oder die sie selbst findet. Und sie hat auch selbst vor Jahren begonnen, sich mit Taxidermie zu beschäftigen, also dem Präparieren von Tieren, und in diesem Sinne verwendet sie sie auch als skulpturales Material."
Aus den Papieren, die Claire Morgan für ihre Taxidermie verwendet, auf denen sie die Tiere ausbreitet und vermisst, entstehen die ausgestellten Zeichnungen, deren Verwischungen die Bewegung der Körper aufbewahren
"Das sind alles tatsächlich road kills, also Straßenopfer, die sie hier verwendet, die zu ihr gebracht werden oder die sie selbst findet. Und sie hat auch selbst vor Jahren begonnen, sich mit Taxidermie zu beschäftigen, also dem Präparieren von Tieren, und in diesem Sinne verwendet sie sie auch als skulpturales Material."
Aus den Papieren, die Claire Morgan für ihre Taxidermie verwendet, auf denen sie die Tiere ausbreitet und vermisst, entstehen die ausgestellten Zeichnungen, deren Verwischungen die Bewegung der Körper aufbewahren
Claire Morgan ist keine ökologische Aktivistin, die uns mit ihren Werken bekehren möchte, soweit das noch nötig ist. Wenn ein Fuchs, ein Waldkauz und ein Stieglitz von der Decke hängen und ein Keil aus schwarzen Plastikfetzen sie zu ersticken scheint, so wirkt das allerdings wie eine eindeutige Botschaft.
Plastik als Metapher für Verschwendungslust
Im Interviewvideo, das die Moderne Galerie mit der Künstlerin gemacht hat, lernt man dann eine sympathisch nachdenkliche Künstlerin kennen, die sich der metaphorischen Dimension ihrer Arbeiten durchaus bewusst ist:
"Ja, Plastik ist ein wichtiger Aspekt in meinem Werk. Dabei wird das oft so verstanden, als ob ich Werke zum Thema Recycling mache. Und das tue ich definitiv nicht. Für mich ist es eher so, dass das Plastik in meinen Arbeiten eine Metapher ist für unser gegenwärtiges Dasein, für unsere Verschwendung. Und ein Beweis für die Bequemlichkeit, mit der man auf einem ziemlich oberflächlichen Level existieren kann. Es ist sehr einfach, sich dafür zu entscheiden, den Sinn des Lebens vollkommen zu verfehlen und alles einfach laufen zu lassen."
Der zerstörerische Einfluss der Menschenwelt grundiert diese Werke, aber in ihrer faszinierenden Luftigkeit ist da bei allem Schmerz auch ein deutlicher Anteil von Freude, Schönheit und Traumverlorenheit. Und das macht sie eben zur Kunst – als wäre das letzte Wort über Natur und Menschenwelt doch noch nicht gesprochen.
"Ja, Plastik ist ein wichtiger Aspekt in meinem Werk. Dabei wird das oft so verstanden, als ob ich Werke zum Thema Recycling mache. Und das tue ich definitiv nicht. Für mich ist es eher so, dass das Plastik in meinen Arbeiten eine Metapher ist für unser gegenwärtiges Dasein, für unsere Verschwendung. Und ein Beweis für die Bequemlichkeit, mit der man auf einem ziemlich oberflächlichen Level existieren kann. Es ist sehr einfach, sich dafür zu entscheiden, den Sinn des Lebens vollkommen zu verfehlen und alles einfach laufen zu lassen."
Der zerstörerische Einfluss der Menschenwelt grundiert diese Werke, aber in ihrer faszinierenden Luftigkeit ist da bei allem Schmerz auch ein deutlicher Anteil von Freude, Schönheit und Traumverlorenheit. Und das macht sie eben zur Kunst – als wäre das letzte Wort über Natur und Menschenwelt doch noch nicht gesprochen.