Eine Kindheit in Luxus und Angst
Juan Pablo Escobar ist der Sohn des weltweit bekannten und gefürchteten kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar. Als er 16 ist, wird sein Vater von Polizei und Paramilitärs erschossen. Für Juan Pablo ein Wendepunkt in seinem Leben.
2. Dezember 1993: Der sechzehnjährige Juan Pablo Escobar erfährt durch den Anruf einer Journalistin, dass sein Vater, der meistgesuchte Drogenhändler Kolumbiens, erschossen worden ist. Polizei und Paramilitärs hatten ihn in seinem Versteck aufgespürt.
Die erste Reaktion des Jugendlichen ist hasserfüllt: Er werde die Mörder seines Vaters, diese Hurensöhne, eigenhändig umbringen. Noch am selben Tag habe er seine Worte bereut, erzählt der Sohn von Pablo Escobar heute, 23 Jahre später, in einem Café in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.
"Seit jenem Tag habe ich absolut nichts getan, um den Tod meines Vaters zu rächen. Auch deshalb kennt und respektiert man mich heute als Mann des Friedens."
Juan Pablo Escobar ist vierzig, leicht untersetzt, tritt höflich und zurückhaltend auf. Der Ernst, mit dem er spricht, deutet auf die schwere Bürde seiner dunklen Vergangenheit hin. Der Sohn des skrupellosen Chefs des Kokainkartells von Medellín wächst einerseits im Luxus auf, andererseits in Angst. Weil sein Vater Hunderte von Morden und Anschlägen verübt, sind Sicherheitskräfte, Paramilitärs und gegnerische Banden ständig hinter der Familie her. In der Logik des blutigen Drogenkrieg der 1980er und 90er Jahre hätte man erwarten können, dass Juan Pablo in die Fußstapfen des Vaters tritt.
Schwieriger Umgang mit dem finsteren Erbe
Aber das Gegenteil geschieht: 1994 verlässt er Kolumbien mit seiner Mutter, Schwester und künftigen Ehefrau und geht ins argentinische Exil. Juan Pablo wird Architekt, doch bis heute kennt man ihn vor allem als Sohn des legendären Drogenbosses.
"Das bedeutet, dass ich mein ganzes Leben lang kämpfen muss, um als Individuum anerkannt zu werden. Als Mensch, der nicht wegen der Taten des Vaters beurteilt wird, sondern wegen der eigenen."
Heute geht Juan Pablo Escobar mit seinem finsteren familiären Erbe anders um als früher. Lange Zeit lebte er quasi inkognito, ließ seinen Namen ändern, wollte nicht auffallen. Inzwischen schreibt er Bücher über seinen Vater – gerade hat er das zweite veröffentlicht – und hält Vorträge. Der Dokumentarfilm "Die Sünden meines Vaters", den der argentinische Regisseur Nicolás Entel über den Sohn des Kokainhändlers drehte, gab Juan Pablos Leben 2009 eine Wende. Für den Film kontaktierte er die Söhne von zwei kolumbianischen Politikern, die Pablo Escobar in den achtziger Jahren hatte umbringen lassen, und bat sie um Verzeihung.
Ich hätte niemals gedacht, dass eine Annäherung möglich sein würde, sagt Juan Pablo. Doch die Söhne der Escobar-Opfer stimmten einem versöhnlichen Dialog vor der Kamera zu.
"Wir wollten die Spirale der Gewalt durchbrechen und die Geschichte nicht wiederholen. Heute ist der Frieden in Kolumbien en vogue. Aber ich glaube, wir waren die ersten Kolumbianer, die der Versöhnung und dem Verzeihen eine Chance gaben."
Der gute Sohn des bösen Kokain-Königs ist erfolgreich, die Medien reißen sich um ihn und seine Geschichte. Und viele Menschen sind neugierig auf bisher unbekannte Details aus dem Leben Pablo Escobars – nicht umsonst hat die Netflix-Serie Narcos solch großen Erfolg. Der Sohn kritisiert die Serie als fehlerhaft. Eine Verherrlichung der kriminellen Karriere seines Vaters lehnt er ab.
Gut geschmierte Geschäfte mit den USA
In seinem neuen Buch lässt er einstige Komplizen und Feinde Pablo Escobars zu Wort kommen. In einem Kapitel schildert er die gut geschmierten Geschäfte seines Vaters mit den USA:
"Ich beschreibe die internationale Korruption, die es meinem Vater möglich machte, ein Vermögen anzuhäufen, Kolumbiens Demokratie herauszufordern und sie mit Hilfe des Terrors aus den Angeln zu heben. Pablo Escobar hatte direkte Verbindungen zur CIA, die den Kampf gegen den Kommunismus in Mittelamerika finanzierte, indem sie kolumbianisches Kokain verkaufte."
Juan Pablo Escobar hat einen vierjährigen Sohn. Sobald er alt genug ist, soll er von den Sünden seines Großvaters erfahren. Aber Juan Pablo will ihm nicht nur vom Verbrecher Pablo Escobar erzählen.
"Ich muss damit leben, dass er ein guter Vater und zugleich ein gefährlicher Bandit war. Aus Respekt für die Opfer verschweige ich keines seiner Verbrechen. Aber aus Respekt für meinen Vater erkenne ich an, dass er mich und seine ganze Familie geliebt hat."