Art’s Birthday 2014
1963 datierte der Fluxuskünstler Robert Filliou die Geburtsstunde der Kunst auf den 17. Januar "vor einer Million Jahren".
Zum 1.000.051. Art’s Birthday präsentiert die Klangkunst-Redaktion von Deutschlandradio Kultur zwei neue Hörstücke aus Skandinavien und schlägt damit einen Bogen zu einem der Schwerpunkte von Ultraschall Berlin: Hanna Hartman inszeniert einen akustischen Boxkampf und Jana Winderen belauscht die Kommunikation von Säugetieren via Ultraschall. Abgerundet wird der Abend durch eine Licht-/Klangperformance des kanadischen Audiokünstlers Nicolas Bernier.
Sendungen:
Deutschlandradio Kultur, Klangkunst, 17.01.2014 und 24.01.2014, 0.05 Uhr
Deutschlandradio Kultur, Klangkunst, 17.01.2014 und 24.01.2014, 0.05 Uhr
Hanna Hartman
The Lost Lines (Turgor)
Deutsche Erstaufführung
Auftragswerk von Schlossmediale Werdenberg und Deutschlandradio Kultur
Auftragswerk von Schlossmediale Werdenberg und Deutschlandradio Kultur
Hanna Hartman
Black Bat (Turgor) (2014)
a study of smashes - and maybe some splashes ...
a study of smashes - and maybe some splashes ...
Uraufführung
Alexandre Babel, Schlagzeug
Theo Nabicht, Kontrabassklarinette
Hanna Hartman, Elektronik
Theo Nabicht, Kontrabassklarinette
Hanna Hartman, Elektronik
Jana Winderen
Uraufführung
Jana Winderen, Elektronik
Nicolas Bernier
Nicolas Bernier, Elektronik
Eine Veranstaltung von Deutschlandradio Kultur, Redaktion Hörspiel/Klangkunst, Berghain und EBU Ars Acustica Group
1.000.051 Jahre Kunst
Der Art’s Birthday 2014
Die Kunst entstand im Pleistozän. Das zumindest beschloss der französische Fluxuskünstler Robert Filliou im Jahr 1963. Er datierte den 1.000.000. Art´s Birthday auf den 17. Januar, und er lud Gäste ein. Ein "Eternal Network" aus Künstlern, Musikern und Performern sollte zu einer "Fête permanente" zusammenkommen. Einzige Bedingung: Geschenke mit künstlerischem Anspruch. Aus Fillious Utopie wurde eine Tradition.
Heute, 1 000 051 a.a. (après l´art), werden die Präsente überInternet, Satellit und Radio verteilt. Auch die Ars Acustica Gruppe der European Broadcasting Union sendet Glückwünsche. Zum Art’s Birthday 2014 veranstaltet sie Radioperformances in über 20 Städten zwischen Stockholm und Lissabon, Paris und Zagreb. Im Berliner Club Berghain gratuliert die Klangkunst-Redaktion von Deutschlandradio Kultur mit Hörstücken aus Skandinavien und Kanada.
Hanna Hartman: The Lost Lines (Turgor) / Black Bat (Turgor)
Die schwedische Klangkünstlerin Hanna Hartman ist bekannt für extrem zielsichere Radiokompositionen. In Werken wie Das Fällen hoher Bäume ist mit Risiken verbunden trifft jeder Ton mit höchster Präzision auf Gehör und Gehirn. Für ihren Auftritt im Berghain hat sie einen besonders schlagkräftigen Sound entwickelt. Ihre Mitstreiter - Bassklarinettist Theo Nabicht und Schlagzeuger Alexandre Babel - sind zwei gewiefte Profis der Tonkunst und langjährige Mitglieder des Kammerensembles Neue Musik Berlin. Gemeinsam präsentieren sie eine Arbeit in zwei Teilen.
Der Begriff "Turgor" bezeichnet in der Pflanzenphysiologie den Druck des Zellsafts auf die Zellwand. In The Lost Lines (Turgor) scheint dieser Wert bis zum Zerbersten anzusteigen. Dabei kommen neben der "konventionellen" Bassklarinette und großen Trommel auch eine Melone, ein Messer und drei Flaschen Streusalz zum Einsatz. Im zweiten Teil Black Bat (Turgor) entlädt sich die Spannung in einer Tonbandkomposition, die Hanna Hartman speziell für das Soundsystem des Berghain entwickelt hat.
Jana Winderen: Out of Range
Anschließend heißt es: Achtung, Sie verlassen Ihren Frequenzbereich. Jana Winderen führt mit Out of Range in Klangwelten außerhalb unserer Wahrnehmung. Die Norwegische Künstlerin sucht das Unentdeckte und Verborgene, ihre Klangquellen sind meist unsichtbar, unhörbar und unter Wasser. Dabei beweist die Künstlerin detektivisches Gespür. Ausgerüstet mit Spezialmikrofonen und Aufnahmegerät und vielen Metern Kabel geht sie nach gründlicher Vorrecherche an entlegene Orte - und das vor allem nachts. Dann hört Jana Winderen ab.
Via Ultraschall, Hydrofon und Echolot-Verfahren belauscht sie Meeressäuger, Fische und Krustentiere. Ein Dialog findet nicht statt, dafür eine Verortung des Menschen. Wie ein Jäger kreist sie um ihre Beute, entfernt sich von der Klangquelle, nähert sich, beobachtet und belauscht: elektromagnetische Felder, Salzgehalt, Meeresströmung, Temperatur- und Druckwechsel beeinflussen ihre Komposition. Sie sind Teil eines Informations- und Kommunikationssystems, das über 70 Prozent Prozent der Erde dominiert. Jana Winderen macht es für den Menschen wahrnehmbar, indem sie die Ultraschall-Schwingungen verlangsamt wiedergibt und mischt. Dabei kombiniert sie Aufnahmen verschiedener, aus menschlicher Perspektive gegensätzlicher Orte: Der New Yorker Central Park und der East River treffen auf einen Wald im russischen Kaliningrad, den Londoner Regent‘s Park und zahlreiche Orte in Skandinavien.
Nicolas Bernier: frequencies
Zum Abschluss des Art’s Birthday gibt es Neues aus dem Labor von Nicolas Bernier. In den Versuchsräumen des kanadischen Klangkünstlers lag die Frequenz auf dem Seziertisch. Das Präparat seiner Studien präsentiert Dr. Bernier im Berliner Berghain, inszeniert als akustischer Schwarz-Weiß-Film.
Mit seiner Serie frequencies geht der Künstler der Evolutionsgeschichte des Tons nach. Während im ersten Teil frequencies (a) noch analoge Stimmgabeln zum Einsatz kamen, wird in frequencies (synthetic variations) auf natürliche Zusätze verzichtet. Stattdessen jagt Nicolas Bernier vorgefertigte Sequenzen digital erzeugter Schwingungen durch den Raum. Eine perfektionistisch synchronisierte Lichtperformance erweitert das perkussive Knarzen und Knistern zum synästhetischen Feuerwerk. F-förmige Acryl-Körper übertragen die Klangsequenzen ins Physische. Dabei verschmelzen Licht- und Soundperformance: Licht wird hörbar und Ton sichtbar.
Grit Lieder
Mehr zum Thema: