Judith Butler in Berlin

Was rechte von linken Bewegungen unterscheidet

Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler bei ihrer Vorlesung "Interpreting Non-Violence" an der Universität Freiburg in der Schweiz.
Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler bei ihrer Vorlesung "Interpreting Non-Violence" an der Universität Freiburg in der Schweiz. © picture alliance / dpa / Peter Klaunzer
Stephanie Rohde im Gespräch mit Dieter Kassel · 30.04.2018
Ist es aus radikaldemokratischer Perspektive zu begrüßen, wenn Gruppen wie Pegida ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen? Die Philosophin Judith Butler warnt davor, die Idee der demokratischen Versammlung zu romantisieren. Es komme dabei auch auf die Ziele an.
Sind Versammlungen aus radikaldemokratischer Perspektive grundsätzlich zu begrüßen, oder ist es etwas anderes, wenn zum Beispiel Pegida auf der Straße demonstriert? Droht dann nicht eher eine "Herrschaft des Mobs"?
Das war das Thema der Veranstaltung "Fearless Spech #15: Judith Butler: Resistance for the Present" im Berliner Theater Hebbel am Ufer. Dabei habe die amerikanische Philosphin einmal mehr als "intellektuelles Unterhaltungsgenie" geglänzt, so Reporterin Stephanie Rohde, die für uns vor Ort war.

Rechte wollen endlich unverhohlen rassistisch sein dürfen

Was das demokratische Potenzial von Versammlungen angeht, habe Butler vor einer Romantisierung gewarnt.

"What I am trying to do is maybe move back from a too romantic idea of assembly to say not all assemblies are there for the purposes of democratic aims or ideals. And that we really need to maybe situate the assembly in the light of its aims, its forms of exclusion."

Stattdessen habe sie unterstrichen, man müsse auch die Ziele solcher Versammlungen in den Blick nehmen, so Rohde: "Und das ist natürlich gemünzt auf rechte Bewegungen wie zum Beispiel Pegida. Die verstehen und inszenieren sich ja auch als Versammlung von Benachteiligten, die darauf verweisen, dass es eben Mut braucht, um eine Meinung im politischen Klima in Deutschland kundzutun."
Ein vermummter Pegida-Demonstrant schwenkt eine Deutschland-Fahne.
Ein Pegida-Demonstrant© imago / Michael Trammer
Für diese Art von Mut habe Butler allerdings nur sarkastische Worte übrig gehabt, so Rohde. Die Philosophin wörtlich:

"The way the Right uses its courage, its 'Mütigkeit', whatever – this strikes me as a way of saying: I have suffered for a long time with my racist passions, you know, keeping my racist passions to myself."

Ein Kriterium für den Unterschied von linken und rechten Versammlungen und Bewegungen sei für Butler insofern, inwieweit diese auf Exklusion oder Inklusion setzten, so unsere Reporterin. "Also, während linke Bewegungen andere Benachteiligte eher einschließen wollen, versuchen Rechte das Gegenteil, nämlich auszuschließen."

Warum eine Ethik des gewaltlosen Widerstands wichtig ist

Wirklich Neues habe sie auf der Veranstaltung nicht gehört, aber zwei Dinge könne man mitnehmen: So habe Butler noch einmal verdeutlicht, warum es wichtig sei, eine Ethik des gewaltlosen Widerstands zu etablieren – gerade in Zeiten, in denen die Grundlagen solidarischen Handelns zerfielen oder zerstört würden.
"Und sie hat Gedankenanstöße gegeben, wie eben konkrete Formen von politischer Praxis und Repräsentation aussehen können, und Chancen aufgezeigt, wie man die Transformation des Politischen, die wir ja erleben in westlichen Demokratien, nicht ausschließlich als Auflösungsprozess eines vormals vermeintlich stabilen Arrangements aus Volksparteien verstehen kann, sondern wie man eben Formen des Politischen anders denken kann, abstrakt gesagt."
Außerdem habe sie Beispiele dafür gegeben, was es für sie zum Beispiel heißt, im Zusammenhang mit Antisemitismus mutig und furchtlos zu sprechen: "Wir müssen uns gegen Antisemitismus wenden, aber das darf nicht dazu führen, dass unsere Angst, antisemitisch genannt zu werden, uns davon abhält, eine ungerechte Situation als ungerecht zu bezeichnen."
(uko)
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