100. Geburtstag von Judy Garland

In jedem Song ein Maximum an Gefühlen

06:12 Minuten
In dem Szenenbild von "Der Zauberer von Oz" schaut Judy Garland in der Rolle der "Dorothy" gebannt nach vorn, hinter ihr steht Billie Burke als 'Glinda'.
Im Film "Der Zauberer von Oz" von 1939 spielte Judy Garland (vorne) das Mädchen Dorothy, das zahlreiche Abenteuer erlebt. © picture alliance / Courtesy Everett Collection
Von Sky Nonhoff |
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Judy Garland war der Inbegriff von Jugend und Unschuld in den USA und wurde früh zum Star. Mit nur 47 Jahren starb die Leinwandgöttin an einer Überdosis Schlafmittel. Die Geschichte ihres Lebens könne man in ihren Songs nachhören, hat sie einmal gesagt.
"Zing! Went The Strings of My Heart" handelt davon, wie einem schier das Herz brechen will. Und vielleicht klingt der Song noch ergreifender an jenem 13. September 1935, weil die Zwölfjährige auf der Studiobühne weiß, dass ihr geliebter Vater im Sterben liegt. Während die Umstehenden, darunter der eilig herbeigerufene Filmmogul Louis B. Mayer, schlicht perplex, hingerissen, sprachlos sind.
Später wird Judy Garland in ihren Memoiren notieren: „Sie starrten mich an, als sei ihnen gerade der Messias erschienen.“

Die Verzauberin von Oz

Mit 16 ist Garland auf der Yellow Brick Road unterwegs, dem gelben Steinweg, der zur Smaragdstadt führt. Dort will sie, begleitet von der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem mutlosen Löwen, einen mächtigen Magier treffen: den Zauberer von Oz.
So heißt auch der Film, aber tatsächlich ist es niemand anderes als Judy Garland, die hier 1939 eine ganze Nation verzaubert. Und das Staunen lehrt, spätestens mit dem legendären Satz: „Toto, I have a feeling we’re not in Kansas anymore.“

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Und das trifft zu. Denn natürlich sind wir hier nicht in Kansas, sondern in Hollywood. Und womöglich hat Judy Garland längst begriffen, dass sie selbst in einem Fantasyland lebt: dem Studiogelände von Metro-Goldwyn-Mayer, das sogar seine eigene Schule hat, auf die sie mit Elizabeth Taylor und Lana Turner gegangen ist.

Unschuld und Verletzlichkeit

Sie ist ein All-American-Wunderkind, ein Idol, ein Ideal, das außer Jugend und Hochbegabung noch zwei weit wertvollere – und vor allem profitablere – Dinge zu bieten hat: Unschuld und Verletzlichkeit.
"Judy war eine Geldmaschine", sagt der Produzent, Autor und Regisseur Joseph L. Mankiewicz. "Aber wenn es nur darum geht, wie viel Geld jemand abwirft, kann man genauso gut ein Bordell betreiben. Sie hätten sie auch halb tot vor die Kamera gezerrt.“
Nennen wir das böse Wort beim Namen. Es heißt: Missbrauch. Für den so väterlich über seine Brille lächelnden Film-Tycoon Louis B. Mayer ist Judy weiter nichts als eine Aufziehpuppe, deren Mechanismus er von seinen Leuten mit Tabletten medikamentös geschmeidig halten lässt. Will heißen: sie süchtig macht – und dann 1950, gerade 28, kalt lächelnd vor die Studiotore setzt.

Schmerz im Timbre

Judy Garland selbst hat einmal gesagt, dass man die Geschichte ihres Lebens in ihren Songs nachhören kann. Vielleicht mehr noch aus ihrem Timbre, das die Worte zum Beben bringen konnte, an genau der Grenze, wo sich Erinnerungen in Phantomschmerz verwandeln.
„Sie holte aus jedem Song ein Maximum an Gefühlen heraus", sagt Arrangeur Nelson Riddle. "Wenn man eine so große Stimme hat, setzt man sie unweigerlich auch ein. Ich habe sie ermuntert, das Ganze etwas behutsamer anzugehen – so wie ein Ringer, ein Riese, der eine Maus in der Hand hält, ohne ihr weh zu tun. In ihrer Stimme widerklingt etwas ganz Besonderes. Das, was man nicht erwartet hat.“

Zurück auf die Leinwand

Und dann war sie noch einmal im ganz großen Kino, im abermillionendollarteuren „A Star Is Born“, dessen beste Szenen wie bewegte Edward-Hopper-Gemälde in Technicolor aussehen. „Ich wollte George Cukor als Regisseur", betonte Garland. "Es musste der größte Film aller Zeiten werden. Er konnte nicht einfach nur gut sein – ich hatte etwas zu beweisen.“

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Zu jenem Zeitpunkt wusste Judy Garland schon lange, worin die unausweichliche Crux des Erwachsenwerdens besteht: Die Unschuld geht, die Verletzlichkeit bleibt. Woran sie womöglich auch der gelbe Steinweg erinnerte, den sie ihr schließlich für die Judy Garland Show ins Fernsehstudio bauten.
Im „Zauberer von Oz“ hatte er ganz Amerika den Weg in die Smaragdstadt gewiesen. Aber Judy Garland wusste es besser: Er führte immer nur ans Set zurück.
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