Jüdische Mäzene

Von Jochen Stöckmann |
Neben Namen wie Mosse in Berlin oder Rothschild in Frankfurt ging es während des Symposiums "Sammeln - Stiften - Fördern. Jüdische Mäzene in der deutschen Gesellschaft" auch um weniger bekannte und dennoch sehr einflussreiche Sammler. Zahlreiche Glanzstücke hiesiger Museen wie die Nofretete gehen auf ihre großzügigen Schenkungen zurück.
Nicht nur die Kunstszene ist aufgeschreckt durch Meldungen, die eine Welle von Rückgaben, von Restitutionen national bedeutender Kunstwerke an die früheren jüdischen Eigentümer voraussagen. Hermann Schäfer aber, Abteilungsdirektor beim Bundesbeauftragten für Kultur, versucht die Wogen zu glätten. Mit einem kunsthistorischen Symposium über die Geschichte "Jüdischer Mäzene in der deutschen Gesellschaft".
Hermann Schäfer: " Heute jedoch steht im Mittelpunkt, dass die meisten Kunstwerke in staatlichen deutschen Sammlungen, die aus jüdischem Besitz stammen, nicht etwa Raubkunst sind, sondern von jüdischen Mäzenen großherzig gespendet wurden. "

Stiftet oder schenkt ein Mäzen seine Sammlung her, bleiben ihm wenigstens Ruhm und Ehre. Selbst um diese gesellschaftliche Anerkennung haben die Nazis bedeutende Museumsförderer wie James Simon in Berlin gebracht, auch die Rothschilds in Frankfurt oder Heinrich Thannhauser, den Münchner Galeristen des "Blauen Reiter". Aber, so behauptet der für Kultur zuständige Ministerialdirektor Hermann Schäfer, in Deutschland ist diese Scharte längst wieder ausgewetzt:

" Die Nationalsozialisten versuchten die Tatsache aus der Welt zu schaffen, dass ein überdurchschnittlich großer Teil der Mäzene im Kaiserreich und der Weimarer Republik Deutsche jüdischen Glaubens gewesen waren. Heute können wir mit Genugtuung feststellen, dass ihnen diese damnatio memeoriae nicht gelungen ist. "

Doch nicht die damnatio, die politisch gesteuerte "Verdammung" oder "Verfluchung" jeder ehrenden Erinnerung, ist das Problem. Sonst hätte der allzu selbstgewisse Kulturbürokrat die Tagung mit seiner Eröffnung sogleich wieder beenden können. Markant ist ein schleichender, darum viel schwerwiegenderer Verlust im kollektiven Gedächtnis. Und den umreißt Klaus-Dieter Lehmann, heute Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aufgrund eigener Erfahrungen an verschiedenen beruflichen Karriere-Stationen:

" In Berlin wiederholte sich der Eindruck erneut, den ich in Frankfurt oder Hamburg gewonnen hatte. Dass die Namen der Stifter im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung ausgelöscht sind. "

Immerhin wird das neue Empfangsgebäude der Berliner Museumsinsel nach James Simon benannt werden. Aber ansonsten erinnert nicht einmal ein Straßenname an den Mäzen, der um 1900 mit seinen großartigen Schenkungen an das damalige Kaiser-Wilhelm Museum die Kulturlandschaft entscheidend aufbaute und prägte. Dabei hat Berlin ihm einiges zu verdanken.

Klaus-Dieter Lehmann: " Von Nofretete und den zugehörigen Armana-Funden über die mittelalterliche Holzplastik, die niederländischen Maler, unter anderem Rembrandt, japanische Farbholzschnitte, hochwertige griechische Münzen, Papyri, Skulpturen, Gemälde der italienischen Renaissance – und, und, und. Ein Mäzenatentum, das uns heute wie eine Legende erscheint. "
Mit dieser Überhöhung aber, so warnt der Bochumer Historiker Constantin Goschler, wird das komplexe Thema aller konkreten Nachforschungen enthoben. Was bleibt, ist ein unverbindliches Lob deutsch-jüdischer Kultur – und bisweilen sehr ambivalente moralische Appelle.

Constantin Goschler: " So werden etwa Hoffnungen formuliert, wonach sich die auf dem Wege der Restitution wieder zu ihrem Besitz gelangten jüdischen Eigentümer als Mäzene und nicht etwa als Marktteilnehmer verhalten sollen. Dahinter steht die Aufforderung, sich dem Gemeinwohl und nicht dem Eigennutz zu verschreiben. Dass es sich dabei angesichts des Umstandes, dass die Juden in der NS-Zeit mit allen Mitteln aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen wurden, um ein sehr ambivalentes Argument handelt, versteht sich eigentlich von selbst. "

Um wirklich zu verstehen, gilt es, die besonderen Umstände jüdischen Mäzenatentums zu untersuchen. Etwa den scheinbaren Widerspruch, dass ausgerechnet so genannte "Kaiserjuden", die um 1900 die Nähe von Wilhelm II. suchten, sich als stärkste Förderer der vom Staat missachteten Moderne zeigten. Wenn jüdische Kaufleute, Wissenschaftler oder Mediziner neben altmeisterlichen Gemälden und romantischer Kunst auch Klee und Kandinsky in ihre Kollektion aufnahmen, war für die Sammler selbst nur konsequent – wurde aber in der Masse der deutschen Gesellschaft kaum verstanden, erklärt Anette Weber von der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg:

" Sie waren eine Bildungsavantgarde, und das hat man ihnen übel genommen. Dass man eben nicht selber in der Lage war, die eigene Kunst zu definieren, sondern dass es Leute waren, die man als nichtdeutsch wahrnahm, die aber wussten, was deutsche Geschichte und Kultur war."

Der Historiker Constantin Goschler vermutet, dass Reste dieses Ressentiments, ein unaufgearbeitete Verhältnis zum jüdischen Mäzenatentum noch heute mitschwingen, wenn etwa die Restitution von Ludwig Kirchners "Straßenszene" an die Erben der Fabrikantenfamilie Hess wegen angeblich nicht ausgeschöpfter Rechtspositionen kritisiert wird oder wenn die Musiksammlung Peters auf die Liste nationaler Kulturgüter gesetzt, die Rückerstattung also gleichzeitig mit einer Einschränkung der Verfügungsrechte verbunden wird.

Constantin Goschler: " Beide Geschichten, also sowohl die Kirchner-Geschichte als auch die Peters-Geschichte enden mit einer traurigen Ironie. Jüdische Restitutionsberechtigte geraten schließlich noch einmal in den Verdacht, vaterlandslose Gesellen zu sein, indem sie ihre Kunstwerke auf dem internationalen Kunstmarkt kapitalisieren wollen."

Dieser Stimmung aber muss Einhalt geboten werden, betont Annette Weber. Denn nur in der nüchternen Auseinandersetzung mit dem Schicksal der jüdischen Mäzene wird eine künftige Kulturnation ihren Weg finden:

Annette Weber: " Auf der politischen Ebene haben die Nazis erreicht, was sie wollten. Und zwar deswegen, weil das deutsche Publikum in großer Mehrheit zugestimmt hat. Das war Konsens. Aber: Wenn Sie sich selbst als Nation definieren wollen, werden sie um das Gedächtnis und die Auseinandersetzung nicht herumkommen."