Jüdische Theologie

Feierlich ins Gemeindeleben entlassen

Blick von der Elisabethenkirche auf den mittelalterlichen Marktplatz in Wroclaw (ehemals Breslau) in Polen,
Breslau galt lange Zeit als eines der jüdischen Zentren in Europa. © picture-alliance / dpa
Von Heinz-Peter Katlewski |
Am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam werden Geistliche der liberalen Strömung des Judentums ausgebildet. Jetzt feiern vier Rabbiner und drei Kantoren ihren Abschluss in Breslau während eines Gottesdienstes.
"Für die Polen, die hier in Breslau wohnen, war bis vor kurzem die Vergangenheit, also die Zeiten vor dem 2. Weltkrieg, waren praktisch ein geschlossenes Buch über das man nicht so oft gesprochen hat. Jetzt sehen die Leute das ganz anders, sogar mit einer Neugier, mit einem Interesse, was hier vorher gewesen ist."
Eine Breslauer Stimme aus dem Publikum, kurz vor dem feierlichen Ordinationsgottesdienst in der restaurierten Synagoge Zum weißen Storch.
Vor 1939 galt Breslau als eines der großen jüdischen Zentren in Europa. Vor 160 Jahren wurde hier das Jüdisch-Theologische Seminar gegründet und damit das erste wissenschaftlich orientierte Rabbinerseminar überhaupt. Viele bekannte Rabbiner haben hier studiert und am Gemeindeleben teilgenommen, darunter der Bibelkommentator Rabbiner Benno Jacob. Sein Enkel, der deutsch-amerikanische Rabbiner Walter Jacob, ist heute Präsident des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam.
Jüdische Kantoren sind die Vorbeter im jüdischen Gottesdienst
"Na, persönlich ist es, dass mein Vater hier studiert hat und bestimmt mein Großvater auch hier an der Gemeinde teilgenommen hat – er war nie Rabbiner hier, war Rabbiner in Dortmund. So hat man so eine Anknüpfung. Aber wenn man ein bisschen mehr darüber nachdenkt, sieht man, dass hier jüdisches Leben in Polen stattfindet. Das ist wirklich nicht nur interessant, sondern gibt Hoffnung für die nächste Generation."
Ein Student aus Breslau studiert bereits Jüdische Theologie an der Universität Potsdam und wurde zugleich in die Rabbinerausbildung des Abraham-Geiger-Kollegs aufgenommen. Vier ehemalige Studierende für das Rabbinat aus vier Ländern wurden dagegen mit ihrem Diplom, der Smicha, feierlich entlassen. Außerdem wurden drei Kantoren in ihr Amt berufen. Alexander Zakharenko ist einer von ihnen. Der studierte Historiker und ausgebildete Bassbariton amtiert in der Thüringischen Landesgemeinde. Die meisten Mitglieder dort sind Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion – so wie er:
"Seit Jahren bin ich schon ziemlich häufig in diesen Gemeinden Erfurt und Jena, mache dort verschiedene Gottesdienste und Feiertage, und dazu auch, in Jena zum Beispiel, sogenannte Schiurim: etwas über Judentum erklären. Die Rückmeldungen, die ich kriege, das ist sehr wichtig für die Leute, diese wichtige Sache auf Russisch kriegen."
Jeder Feiertag hat seine eigene Melodie
In der Muttersprache! Jüdische Kantoren sind die Vorbeter im jüdischen Gottesdienst. Sie leiten ihn. Aber sie sind nicht nur fürs Singen zuständig. Sie erteilen auch Religionsunterricht, bereiten Kinder auf ihre religiöse Mündigkeit vor, die Bar oder Bat Mitzwa und können auch die Tora auslegen. Ihre besondere Bedeutung entfalten sie aber als Experten für jüdische liturgische Musik. Die in Moskau und Berlin aufgewachsene Mezzospranistin Sofia Falkovitch hat wie Alexander Zakharenko fünf Jahre Jüdische Theologie und Musik in Potsdam studiert. Sie wird künftig als Kantorin in der Jüdischen Gemeinde Luxemburg in Esch-sur-Alzette amtieren:
"Ich weiß, wie prägend und wie wichtig es ist, wenn ein Kantor sich gut auskennt, wenn er eine ausgebildete Stimme hat und wie er dadurch eine richtige Atmosphäre schafft, um eine Kommunikation mit der Gemeinde zu etablieren und dadurch eine ganz besondere Stimmung während des Gebets passiert."
Wie man die Gemeinde in den Gebetsgesang einbezieht, welcher Nusach, also welche Melodie wann und zu welcher Zeit in einem jüdischen Gottesdienst zu erklingen hat und nach welcher Tradition, welche alten und modernen Varianten es dazu gibt, das unter anderem gehört zum Wissen eines Kantors oder eben einer Kantorin.
"Wir haben ja einen Jahresrhythmus, und während eines jüdischen Jahres passiert so einiges an Ereignissen und an Festen, und die haben eine ganz bestimmte Melodie, also zum Beispiel die Hohen Feiertage(n) haben ganz eigene Melodien, Schabbat hat wiederum etwas ganz Prägendes und die Werktage haben ihren eigenen Nusach."
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