Wegen Pegida "muss ich über meine Existenz hier nachdenken"
Der jüdische Journalist Lorenz Beckhardt beobachtet aufmerksam die Pegida-Bewegung - und denkt über mögliche Konsequenzen nach. Zugleich sagt er, es sei für die Juden in den meisten Ländern der Welt nicht einfach, dort zu leben.
Was empfinden in Deutschland lebende Juden angesichts der Pegida-Demonstrationen? Im Moment mache ihm dieses Phänomen noch keine Angst, sagte der Fernsehjournalist und Buchautor Lorenz Beckhardt im Deutschlandradio Kulltur. Er sei bei den Gegendemonstrationen in Köln und Bonn dabei gewesen:
"Ich habe gesehen, dass die Mehrheit der Bürger bei uns im Westen und auch im Osten, bis auf Dresden, gegen Pegida auf die Straße geht. Und somit diesen rassistischen, fremdenfeindlichen Ressentiments etwas entgegensetzt. Aber wenn das nicht gelingt, wenn Pegida bei uns mehrheitsfähig wird, dann muss ich auch über meine Existenz in diesem Land nachdenken."
Die Nachkriegszeit ist abgeschlossen
Die Entwicklung in Deutschland müsse auch unter historischen Gesichtspunkten betrachtet werden, meinte Beckhardt. So sei die Nachkriegszeit als abgeschlossen zu betrachten. Damals hätte man bestimmte Ressentiments in der breiten Bevölkerung gar nicht äußern können, weil sie immer mit dem "Jahrhundert-Verbrechen" des Nationalsozialismus assoziiert worden wären:
"Mittlerweile streifen große Teile der Gesellschaft diese Erinnerung oder zumindest diese Verantwortung, die das mit sich bringt, ab. Sie äußern erst in sozialen Netzwerken, im Internet und nun mit Pegida auf der Straße immer klarer ihre Ansichten."
Keine lupenreinen Nazis
Das seien allerdings keine lupenreinen Nazis, meinte Beckhardt, sondern oft nur durch ihre soziale Situation verunsicherte Bürger:
"Aber ich glaube, wir werden jetzt zu einem normalen Land. In den meisten Ländern, die USA nehme ich da noch ein bisschen aus, ist es für Juden nicht einfach, dort zu leben."
Lorenz Beckhardt hat im letzten Jahr sein Buch "Der Jude mit dem Hakenkreuz. Meine deutsche Familie" veröffentlicht. Darin erzählt er auch die Geschichte seines Bekenntnisses zum Judentum, das erst mit 18 Jahren erfolgte. Er ist getauft und katholisch erzogen worden. Später habe er dann seinen Vater nach den Gründen gefragt. Die Antwort lautete:
"Ich wollte aufgrund meiner Erfahrungen nicht, dass Du als Jude in Deutschland aufwächst."