Der Dom ist auch für uns Juden das Wahrzeichen Kölns
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Es ist viel passiert, seitdem Aaron Knappstein vor einem Jahr mit seinem jüdischen Karnevalsverein an die Öffentlichkeit ging. Neue Mitglieder, die erste öffentliche Sitzung – und jetzt spielt ihm Rolly Brings ein Lied vor, das er dem Verein widmete.
Im Januar 2020 fand die erste öffentliche Sitzung des wohl einzigen jüdischen Karnevalvereins weltweit statt. Der Präsident der "Kölsche Kippa Köpp", Aaron Knappstein, ist froh darüber:
"Wir waren, obwohl wir damit gerechnet haben, dass es viele Leute gibt, die das interessiert, dann doch sehr überrascht, wie weit die Wellen geschlagen sind. Das war sehr, sehr schön. Also wir waren in den USA, in England, in Argentinien, natürlich in Israel, in Australien. Sogar in Japan, haben wir gesehen. Also ich hab mich wenigstens auf dem Bild erkannt, den Text konnte ich nicht lesen.
Wir hatten sehr viel Presse. Natürlich hat das für Resonanz gesorgt, auch in Köln und man kann sagen, in diesem Jahr ist sehr viel gewachsen. Wir haben sehr viele wunderbare Menschen kennengelernt. Wir haben neue Mitglieder gewonnen. Wir sind zwar immer noch ein kleiner Verein, aber wir wachsen, und wir haben sehr, sehr viele wunderschöne Kontakte knüpfen können, sowohl innerhalb wie außerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Und das ist beides sehr, sehr schön."
Es wird vom Herzen heraus gefeiert
Mit zwölf aktiven Mitgliedern hat es begonnen, mittlerweile sind es 40 Mitglieder. Es gibt Aktive, Fördermitglieder und eine sogenannte Hospitanz, erzählt Knappstein:
"Wenn Menschen für eine aktive Mitgliedschaft dazu kommen möchten, schauen wir erst einmal, ob man zueinander passt und das ist ganz gut in der Hospitanz. Es ist eine Zeit, in der man sich ein bisschen kennenlernt. Das funktioniert auch ganz gut. Es gibt momentan über zehn Menschen, die gerne auch aktiv mitmachen wollen. So werden wir auch nach außen präsenter. Und das ist wichtig."
Immer wieder werde Aaron Knappstein gefragt, ob und wie es denn mit einem "jüdischen Karneval" funktionieren könne, da sich der Karneval nun einmal am Kirchenjahr orientiert. Für ihn ist das aber kein Spagat:
"Ich weiß, dass immer der Bezug von Karneval und Kirche gemacht wird. Und ich glaube, dass das für einige Menschen auch wichtig sein mag. Aber ich denke, die allermeisten Kölnerinnen und Kölner feiern Karneval aus ihrem Herzen heraus und nicht, weil sie sich an irgendetwas orientieren. Das ist bei uns Jüdinnen und Juden, die Karneval feiern wollen, ganz genauso."
In der Synagoge den Dom besingen
Zukünftig will der Verein "Kölsche Kippa Köpp" noch ein breiteres Programm aufstellen: Eine Stadtführung, eine Filmvorführung des Filmes "Schalom Alaaf", Kooperationen mit dem NS-Dokumentationszentrum in Köln und natürlich weiterhin die Veranstaltung "Falafel und Kölsch" in der Kölner Synagogengemeinde.
"Ja, das ist überhaupt kein Problem", antwortet Knappstein auf die Frage, ob der Kölner Dom auch in der Synagoge besungen werde. "Ich glaube, dass die allermeisten Menschen, egal ob jüdisch oder nichtjüdisch, den Dom nicht besingen, weil es eine katholische Kirche ist, sondern weil es das Wahrzeichen Kölns ist. Und das ist für uns Juden ganz genauso das Wahrzeichen von Köln."
Auch Lieder können Wahrzeichen sein. Rolly Brings ist Kölner Musiker und hat ein gutes Dutzend Alben veröffentlicht. Er ist der Vater der Brüder Peter und Stephan Brings der bekannten Band Brings, und er ist mehrfach für sein Engagement gegen Rassismus ausgezeichnet worden. Nun hat er den Kippa Köpp ein Lied gewidmet.
"Wunderbar" findet Knappstein das Lied, "ich habe ihm schon mehrfach gedankt. Er will das gar nicht. Rolly sagt, dass es eine Selbstverständlichkeit sei. Aber wir freuen uns wahnsinnig darüber, dass er uns dieses Lied gewidmet hat. Das ist eine Ehre, weil ich auch weiß, wo und wie Rolly Brings aktiv ist in Köln und ich das immer sehr bewundert habe. Und daher ist das, glaube ich, etwas, was zusammenfinden musste. Irgendwo und da freue ich mich sehr drüber."
Warum Rolly Brings dem Verein das Lied geschenkt hat? "Aus Freude, dass es ihn überhaupt gibt", antwortet Brings.
"Es ist an der Zeit, dass es ein öffentliches Zeichen gibt, dass die Jüdische Gemeinde mit der Mehrheitsgesellschaft in Köln feiert. Die Zeit ist reif. Die Braunen haben wieder zugeschlagen und dem muss ein Zeichen entgegengesetzt werden. Und hier in Köln eignet sich der Karneval wunderbar dazu. Das ist ein Riesen-Event, ein gesellschaftliches Großereignis. Da sind wirklich alle Schichten drin und aller politischen Couleurs. Und wenn da klar wird, dass der Karneval für das Leben und die Liebe und gegen den Hass steht, dann haben wir gewonnen."
Ob man denn weiterfeiern könne, wo kurz zuvor in Hanau zehn Menschen getötet und schwer verletzt wurden? "Die Großveranstaltung sollte man überhaupt nicht abbrechen", findet Urgestein Brings, "das wäre ja wieder ein Sieg für diese Terroristen, für diese Braunen. Aber da ist natürlich ein Schatten. Es gibt ja auch die lachende Maske und die weinende Maske. Natürlich weinen wir Kölsche darüber. Aber zu diesem Weinen paart sich auch Wut!"