Jüdischer Karnevalsverein in Köln

"Wir haben uns gedacht, dieser Verein fehlt"

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Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp", steht vor dem Besuch einer Sitzung im Foyer einer Halle in Köln.
"Es gibt keinen jüdischen Karneval", sagt Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp". © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Aaron Knappstein im Gespräch mit Gerald Beyrodt |
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In Köln hat sich mit "Kölsche Kippa Köpp" der erste jüdische Karnevalsverein gegründet. Das Emblem hat hebräische Buchstaben. Man baue auf einer langen Tradition auf, erklärt der Präsident des Vereins Aaron Knappstein.
Gerald Beyrodt: Vorhin bin ich durch Köln gelaufen, auf dem Weg ins dortige Studio von Deutschlandfunk Kultur. Und auf der Straße waren fast alle waren verkleidet. Ich bin mir in meiner Alltagskleidung fast ein bisschen fremd vorgekommen. Köln und viele andere deutsche Städte stehen im Moment ganz im Zeichen von Karneval, Fasching und Fastnacht. Auch zahlreiche Juden stürzen sich ins Getümmel. In Köln hat sich jetzt ein jüdischer Karnevalsverein gegründet: die "Kölsche Kippa Köpp". Und im Emblem des Vereins habe ich das Wort "kölsch" zum ersten Mal in meinem Leben in hebräischen Buchstaben gesehen. Präsident des Verein ist Aaron Knappstein. Herr Knappstein, ist ein Leben ohne Karneval für Sie denkbar?
Knappstein: (lacht) Oh Gott, jetzt muss ich als Kölner natürlich sofort Nein sagen. Ich war auch etliche Jahre meines Lebens im Ausland, da gab es keinen Karneval, und das habe ich auch überlebt, aber so ein Leben ist auf jeden Fall relativ sinnlos.

Karneval feiern – kommt aus dem Herzen

Beyrodt: Bevor ich nach Köln kam, habe ich selber in sehr karnevals-unaffinen Gegenden gelebt. Ich bin in Hannover geboren, ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Berlin gewohnt. Daher brauche ich mal eine Erklärung: Was ist der Reiz von Karneval?
Knappstein: Das ist ganz schwierig, theoretisch zu erklären. Es gibt ja auch etliche Kölnerinnen und Kölner, die mit Karneval nicht so viel anfangen können, und die Tage über dann wegfahren, wenn es vor allem an den Straßenkarneval geht. Oder es gibt Menschen, die aus allen möglichen Gegenden wie zum Beispiel Hannover und Berlin nach Köln kommen, um den Karneval zu feiern. Ich glaube, eine Erklärung zu liefern, das möchte ich gar nicht versuchen. Das ist etwas, was man wirklich empfindet. Und ich glaube auch, wenn man das jetzt nicht mag, heißt das nicht, dass man empfindungsarm ist, sondern dann gibt es halt andere Dinge, die einen beglücken. Aber das ist wirklich etwas, was aus dem Herzen und aus der Seele kommt.
Beyrodt: Das beruhigt mich schon mal. Aber Sie sind hier in der Gegend geboren und haben das quasi mit der Muttermilch aufgesogen?
Knappstein: Ganz genau. Also ich habe eigentlich auf jeden Fall, bevor ich irgendwas anderes wusste von mir, schon Karneval gefeiert. Ich bin sofort mit in den Karnevalsverein meiner Eltern gekommen und war immer im Karneval unterwegs.
Ein Mitglied des jüdischen Karneval Vereins Kölsche Kippa Köpp e.V. zeigt vor dem Besuch einer Sitzung die Inschrift seiner Narrenkappe mit dem Davidstern, dem siebenarmigen Leuchter und einem hebräischen Gebet für den Weg in Köln, Nordrhein-Westfalen.
Narrenkappe mit dem Davidstern, dem siebenarmigen Leuchter und einem hebräischen Gebet für den Weg.© picture alliance / dpa / Oliver Berg
Beyrodt: Jetzt haben Sie diesen Karnevalsverein gegründet. Zu welchem Zweck? Oder ist die Frage nach dem Zweck schon falsch bei Karneval?
Knappstein: Wenn Sie sich jetzt alleine auf den Karneval beziehen, dann finde ich das gar nicht so falsch mit dem Zweck, weil es schon darum geht, gemeinsam Karneval zu feiern und die Gemeinsamkeiten, die man hat, in so einem Verein zu leben. Daher ist das sicherlich der Zweck: das gemeinsame Feiern, die gemeinsamen Hintergründe vielleicht. Die meisten von uns sind in anderen Karnevalsvereinen aktiv, schon oft seit Jahren oder Jahrzehnten. Und es ist ein Verein dazu sozusagen in dieser bunten Vielfalt der Hunderten von Vereinen, die es in Köln gibt. Da haben wir uns gedacht, fehlt dieser Verein, den es schon mal gab, und haben ihn dann wirklich aus ganzem Herzen gegründet.

Salomon Oppenheim Divinetia war als erster Jude aktiv

Beyrodt: "Den es schon mal gab" ist ein wichtiges Stichwort. Vor der Schoa waren Juden im Karneval sehr aktiv. Wie sah das aus?
Knappstein: Das begann schon sehr früh. Der organisierte Karneval begann in Köln so 1823 mit der Gründung der Roten Funken und auch des Festkomitees, oder des festordnenden Komitees, wie es damals hieß, und schon ein Jahr später war Salomon Oppenheim Divinetia im Karneval. Da war schon der erste Jude im Karneval sehr aktiv, und sicherlich nicht der Einzige, aber von dem man weiß. Juden und Jüdinnen waren die ganze Zeit sicherlich im Karneval aktiv, in diversen Vereinen. Worauf wir uns vor allem beziehen, ist der damalige Jüdische Karnevalsverein, gegründet 1922, der Kleine Kölner Klub, oder wie er zuerst hieß, der Kleine Kölner Kegelklub. Es war nämlich erst ein Kegelklub, und daraus entstand dann ein Karnvalsverein. Der wurde gegründet von Juden hier in Köln, wobei es nachweislich nicht jüdische Mitglieder auch damals schon gab.

"Es gibt keinen jüdischen Karneval"

Beyrodt: Ich bin mal in Köln auf einer protestantischen Sitzung gewesen, der PROTs-Sitzung. Eine Sitzung im Karneval ist das, wo die Reden gehalten werden. Hinterher wurde mir gesagt, eine protestantische Sitzung sei nicht das Wahre und überhaupt nicht typisch für den Karneval. Wie wird denn das erst einem jüdischen Karnevalverein begegnet?
Knappstein: Es gibt immer wieder die Fragen: Feiert ihr denn Karneval? Oder: Was ist denn jüdischer Karneval? Da sage ich immer wieder, und auch immer wieder mit Vehemenz, dass es keinen jüdischen Karneval gibt. Das gibt es nicht. Es gibt Jüdinnen und Juden im Karneval. Wir feiern den Kölner Karneval genauso wie alle anderen Vereine in dieser Stadt. Wir sind gefragt worden vor einiger Zeit, was denn unser Ruf im Karneval wäre, ob wir einen speziellen Ruf hätten, und da habe ich gesagt: "Ja, haben wir: 'Kölle Alaaf!'" Nämlich genau wie alle andern auch. Wir wissen zwar, wer wir sind. Wir wissen, woher wir kommen. Aber das bringt nicht automatisch mit sich, dass man sich unterscheidet von den anderen Karnevalisten in dieser Stadt.

Kölner Ehrengarde tanzt zu jüdischem Lied

Beyrodt: Wenn man mit so einem Thema an die Öffentlichkeit geht, geht es einem auch darum zu zeigen: Juden sind auch mit etwas anderem hier als mit traurigen Themen?
Knappstein: Das kann schon sein. Wobei mir nicht diesen Verein gegründet haben zu diesem Zeitpunkt jetzt nicht wegen des steigenden Antisemitismus oder so. Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt gewesen, dass wir uns das aus diesem Grunde ausgesucht hätten. Und ich glaube schon, dass wir auch zeigen wollen, dass es etwas mehr gibt als die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dass Jüdinnen und Juden auch jetzt ganz aktiv im Karneval unterwegs sind.
Beyrodt: Der jüdische Witz wäre ja eine Sache, die einem schnell einfällt bei Juden und Humor. Greifen Sie auf speziell jüdische Witze zurück oder spielt das gar keine Rolle?
Knappstein: Das spielt keine Rolle, aber nicht aus Prinzip, sondern man muss einfach sehen: Wenn man jetzt eine Veranstaltung macht, wen soll man einladen, wer solche Witze bringt? Also wenn es Künstler gibt, die einen besonderen jüdischen Touch in ihrer Büttenrede oder in ihren Liedern oder so bringen, dann freuen wir uns da sehr darüber, und auch in diesem Jahr gibt es einen Tanz der Kölner Ehrengarde, das ist eine der großen Traditionsgesellschaften in Köln auf einer der größten Bühnen dieser Stadt, die einen Tanz aufführen auf Havanagila, eines der sicherlich bekanntesten israelischen Lieder, die der eine oder andere ganz schnell mitsingen kann von Ihren Hörern und Hörerinnen.
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