Jüdischer Sport

Zwischen Akzeptanz und Anfeindung

28:35 Minuten
Spieler von Makkabi Berlin vor dem Spiel gegen Berolina Stralau im Berliner Landespokal
Spieler von TuS Makkabi Berlin, einem deutsch-jüdischen Sportverein © dpa / picture alliance / Monika Skolimowska
Von Dieter Wulf |
Audio herunterladen
Bereits 1898 gab es den ersten deutschen jüdischen Sportverein. Nach der Ausgrenzung der Athleten durch die Nazis gründeten sich in den 60er-Jahren neue Vereine, die seit Jahrzehnten aber immer wieder antisemitisch angefeindet und angegriffen werden.
Im jüdischen Gemeindehaus im Frankfurter Westend ist auch die jüdische Schule untergebracht, zu der auch eine Sporthalle gehört. Jetzt am Nachmittag trainiert hier der Basketballernachwuchs von Makkabi Frankfurt. Zweimal in der Woche ist Training für die Kleinsten. Acht- und Neunjährige, meistens Jungs, ein paar Mädchen. Einer der Trainer ist Ben.
„Basketball spiele ich, seitdem ich sechs bin. Ich bin 20 und komme aus Gießen. Ich habe mit Basketball noch in Israel angefangen, dort bin ich geboren und aufgewachsen, dann bin ich mit der Familie nach Deutschland gekommen."

Der Makkabi-Verein als Familie

Ben heißt eigentlich anders, seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen. Vor sieben Jahren kam er mit seinen Eltern nach Deutschland. Seit ein paar Monaten studiert er in Frankfurt am Main, spielt gerade in der ersten Basketballmannschaft von Makkabi und trainiert ehrenamtlich die Kleinsten. Das hier ist für ihn mehr als einfach ein Sportverein. Makkabi ist Familie, ist ein Verein für alle - offene Türen, offenes Ohr, ist einfach superfamiliär. Das habe ich bisher noch nicht so erlebt.
Sportler von Makkabi Frankfurt
Sportler von Makkabi Frankfurt bei einem Training© Dieter Wulf

Nur die wenigsten Kids sind jüdisch

Er ist Israeli und Jude, Makkabi ist ein jüdischer Verein. Aber nur die allerwenigsten seiner Nachwuchskids sind jüdisch, so wie es generell bei Makkabi längst nicht mehr auf die Religion ankommt, um hier mitzumachen.
„Ich weiß es nicht, wenn ich schätzen müsste, hätte ich gesagt von meinem Team zehn Prozent, vielleicht 20.“
Nachdem die Acht- und Neunjährigen sich eine Weile ausgetobt haben, versammelt Ben die Kinder in der Mitte der Halle, wo er für sie einen kleinen Parcours aufgebaut hat.
„Wir haben drei Felder für Euch aufgebaut.“  
Spielerisch werden so die ersten Grundlagen vermittelt. Dann werden Mannschaften gebildet - und das Spiel auf den Korb geht los. Ganz am Ende kommen alle noch mal zusammen, halten sich an den Schultern, beugen sich nach vorne und bilden einen Kreis. Das Abschlussritual, immer am Ende des Trainings.

Was der Vereinsslogan "Makkabi Chai" bedeutet

Worum es dabei geht, erklärt mir Lukas Gerhardt, der Geschäftsführer von Makkabi Frankfurt.
„Dann wird das mit unserem Vereinsslogan ‚Makkabi Chai‘ abgerundet, bedeutet Makkabi lebt, und spiegelt letztlich auch das wider, wofür der Verein stehen möchte: für Vielfalt, für buntes Treiben. Das hat sich so insbesondere in den Mannschaftssportarten etabliert.“
Am Rande des Spielfelds sitzt Christian und wartet bis sein Sohn mit dem Training fertig ist. Er sei Christ, meint er und betont dass die Konfession hier im Verein keine Rolle spiele.
"Makkabi war für uns ganz einfach wie jeder andere Verein, den man sich für seinen Sohn sucht. Wir wohnen einfach in der Nähe."
Sie sind hier gleich um die Ecke zu Hause. Daher kenne sein Sohn das gar nicht anders, meint Christian. Was es mit Makkabi auf sich hat, das will ich mir von Alon Meyer erklären lassen, dem Vorsitzenden von Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland. Ihn treffe ich in dem kleinen, eher unscheinbaren Vereinsbüro etwas weiter außerhalb im Stadtteil Dornbusch.
Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland
Alon Meyer ist Präsident von Makkabi Deutschland und Vorsitzender von Makkabi Frankfurt.© picture alliance / dpa / Fabian Strauch
Der Verein hat fünf hauptamtliche Mitarbeiter. Dazu kommen Praktikanten, Studenten. Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Der Verein bietet seinen 4000 Mitgliedern alleine in Frankfurt etwa 25 Sportarten. Dann kommt Alon Meyer, knapp 50, schwarze kurze Haare, mit sportlichem Schwung ins Büro zum Interview.
"1978 habe ich mit vier Jahren angefangen, bei Makkabi Fußball zu spielen. Vorher gab es damals noch nichts. Liegt vielleicht daran, dass mein Vater Gründungsmitglied von Makkabi Frankfurt und Makkabi Deutschland war."
Sein Vater, Wolfgang Meyer, 1928 in Berlin geboren, flieht mit den Eltern 1934 vor den Nazis als Sechsjähriger nach Tel Aviv. Die Familie kommt dann aber in den 50er-Jahren wieder zurück nach Deutschland. Der Vater studiert in Frankfurt, bleibt und beginnt auch das jüdische Leben wieder mit aufzubauen, erzählt Alon Meyer.
"Weil er gesagt hat, auch ein jüdischer Sportverein muss hier in Frankfurt wieder möglich sein. Wenn wir nicht mehr auf gepackten Koffern leben wollen, dann gehört auch ein jüdischer Sportverein zu Frankfurt dazu."

In Deutschland gibt es 40 Makkabi-Ortsvereine

Heute gibt es in ganz Deutschland 40 Makkabi-Ortsvereine mit insgesamt etwa 7.000 Sportlern. Davon alleine knapp 4.000 in der Mainmetropole, dem mit großem Abstand größten Verein.
International organisiert der Makkabi-Weltverband, die Makkabi World Union, etwa 400.000 Sportler in 65 Ländern und veranstaltet ähnlich wie die Olympischen Spiele alle vier Jahre eine Makkabiade.
Eine jüdische Sportbewegung, die in Deutschland, in Berlin ins Leben gerufen wurde, erklärt der Sporthistoriker Hans Joachim Teichler, bis vor einigen Jahren Professor am Institut für Sportwissenschaft der Uni Potsdam, der über die vergessenen Rekorde jüdischer Athleten geforscht hat.

Die trafen sich in einem Vereinszimmer in einer Bierkneipe in der Rosenthaler Straße, Hackesche Höfe. Es handelte sich meistens um Studenten, um Akademiker, die einfach turnen wollten, aber von deren antisemitisch eingestellten Burschenschaften nicht aufgenommen wurden. Dann haben die sich entschlossen, einen eigenen Verein zu gründen.

Sporthistoriker Hans Joachim Teichler

In Österreich hatte bereits 1887 der erste Wiener Turnverein festgelegt, dass Vereinsmitglieder „arischer Abkunft“ sein müssten. Der Begriff „Arierparagraf“ wurde also erstmals von einem Turnverein formuliert.

Studenten gründeten den Verein Bar Kachba Berlin

Bei der Deutschen Turnerschaft galt das damals nicht. Anders allerdings bei den deutschen Burschenschaften. Und um sich dem entgegenzustellen gründeten die Berliner Studenten daher den Verein Bar Kochba Berlin, so Teichler.
"Nach Simon Bar Kochba, einem jüdischen Held aus den Aufständen gegen die Römer. Man wollte also Muskeljudentum, Körperkultur betreiben und hat sich ein heldisches Vorbild genommen."
132 bis 135 nach Christus hatte Simon Bar Kochba einen anfangs ziemlich erfolgreichen Aufstand gegen die Römer angeführt. Diesen Rebellen also nehmen die Berliner Studenten sich zum Vorbild und beziehen sich auch auf Max Nordau, der auf dem zweiten Zionistenkongress in Basel im Sommer 1898 die Entwicklung von, wie er es nannte, „Muskeljuden“ gefordert hatte. Die Studenten von Bar Kochba gingen also zur jüdischen Gemeinde, um eine ihrer Turnhallen nutzen zu können. Dort aber lehnte man ab.
"Die jüdische Gemeinde in Berlin war vorwiegend assimilatorisch eingestellt. Man empfand sich als Deutscher, und man wollte hier kein freiwilliges Getto bilden, sich selbst ausgrenzen. Und von der Seite kriegten diese Turner keine Turnhalle in der Großen Hamburger Straße, wo es ja eine jüdische Schule gab, mit einer eigenen Turnhalle."
Also mussten sie sich an die Stadt wenden und bekamen dann in der Nähe die Turnhalle einer städtischen Grundschule zugewiesen, so Professor Teichler.
"Die Turnhalle Gipsstraße 23A gibt es heute noch. Nach einer kurzen Ansprache wurde fleißig geturnt, und zwar am 5. Dezember 1898, also vor 125 Jahren."

International entstanden etliche jüdische Vereine

Danach entstehen auch international etliche jüdische Turnvereine. Ab 1900 erschien die jüdische Turnerzeitung. Trotzdem blieb die übergroße Mehrzahl der jüdischen Turner in den allgemeinen Vereinen.
Bei den kleinen explizit jüdischen Vereinen ging es um mehr als Sport. Es ging um jüdische Identität, aber nicht in erster Linie um Auswanderung, meint Henry Wahlig.
"Wir müssen nicht glauben, dass jetzt die Mitglieder alle gesagt haben: Wir wollen schnellstmögliche hier weg und außer Landes gehen, sondern man hat sich gerade aufseiten der Mitgliedschaft doch auch weiter stark mit Deutschland mit der Mehrheitsgesellschaft identifiziert."
Vor dem Ersten Weltkrieg traf man sich auch international mit anderen jüdischen Vereinen zu sportlichen Wettkämpfen, was dann mit Beginn des Krieges abrupt endete. Tatsächlich war der Anteil jüdischer Freiwilliger aber auch Gefallener und Verwundeter im Krieg deutlich höher als Juden in der Gesamtbevölkerung.
Das aber wollten große Teile der Deutschen nicht anerkennen. Um ihre Rechte besser zu vertreten, entstand nach dem Krieg der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten mit einer eigenen Sportabteilung, dem Sportbund Schild.

Als es zwei deutsche jüdische Sportverbände gab

So gab es also nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland zwei unterschiedliche jüdische Sportverbände. Schild, eher konservativ, deutschnational und dem gegenüber die eher zionistisch ausgerichteten jüdischen Vereine, die sich jetzt häufig Makkabi nannten, nach dem Aufstand der Makkabäer gegen die makedonische Fremdherrschaft etwa 165 vor Christus.
Im September 1921, am Vorabend des zwölften Zionistenkongresses im tschechischen Karlsbad, gründen die Delegierten den Makkabi-Weltverband, anfangs mit Sitz in Wien, dann in Berlin, so Henry Wahlig.
"Lange Jahre ist die Heimat in Berlin, und er ist vor allen Dingen ganz stark durch deutsche Funktionäre geprägt worden. Deutsche Funktionäre stehen an der Spitze dieses Verbandes und treiben ihn voran."

Der Ausschluss der Juden durch die Verbände

Nur wenige Wochen, nachdem Hitler und die Nationalsozialisten an die Macht kamen, beschlossen die deutschen Turn- und Sportverbände, im vorauseilenden Gehorsam den Ausschluss der Juden sogar noch restriktiver als die Nazis ihn später in ihren Arier Gesetzen formulierten.
"Hier ist es also schon so, dass bis zum Deutschen Turnfest im Sommer 1933, in jedem Turnverein, den wir in Deutschland haben, die jüdischen Mitglieder ausgeschlossen werden."
In Berlin lebten damals etwa 100.000 Juden, davon alleine die Hälfte im Stadtteil Charlottenburg. Da damals etwa zehn Prozent der Bevölkerung in Sportvereinen organisiert waren, meint Professor Teichler, müsse man davon ausgehen, dass es alleine in Charlottenburg 5.000 jüdische Sportler gegeben haben müsse.
"Die waren fast alle im BSC, im SCC oder im Tennisclub Rot-Weiß. Das weiß man deshalb, weil nachdem diese Vereine nen Arierparagrafen eingeführt haben, verlor zum Beispiel der BSC zwei Drittel seiner Damenabteilung, und der Sportclub Rot-Weiß Tennisclub verlor ein Drittel seiner Mitgliedschaft."

Boxer am schnellsten ausgeschlossen

Am schnellsten waren die Boxer. Schon bevor sie ihre Meisterschaft in Berlin Anfang April 1933 ausfochten, hatten sie alle jüdischen Boxer ausgeschlossen. Genauso erging es allen jüdischen Managern und Ringrichtern.
Daher konnte in der Hauptstadt anfangs nur noch ein Drittel der Wettkämpfe stattfinden. So hoch war der jüdische Anteil beim Berliner Boxverband. Erich Selig, damals deutscher Meister im Halbschwer- und Mittelgewicht, hatte man seine Titel einfach aberkannt.
Die deutsch-jüdischen Sportler, die jetzt überall aus ihren Vereinen ausgeschlossen wurden, gingen dann meist zum Sportverband Schild oder zu Makkabi. Mit Unterstützung der Nationalsozialisten, denn 1936 sollten ja die Olympischen Spiele in Berlin stattfinden - und man wollte auf keinen Fall einen Boykott besonders der Amerikaner riskieren, erklärt Henry Wahlig.
"Nach außen hin wurde immer postuliert 'guckt mal IOC, was habt ihr denn hier? Erst mal haben wir nie Juden aus unseren allgemeinen Sportvereinen ausgeschlossen.' Das stimmt. Es gab ja kein Gesetz dafür."
In den ersten Jahren der Naziherrschaft nehmen die jüdischen Sportverbände mit jeweils über 20.000 Mitgliedern einen unglaublichen Aufschwung. Und man erlaubt den Makkabi-Sportlern bis 1937 sogar zu sportlichen Wettkämpfen nach Palästina zu reisen. Schon 1932 hatte es dort die erste Makkabiade gegeben, quasi eine jüdische Olympiade, damals mit knapp 400 Teilnehmern aus 18 Nationen.

Die Ausgrenzungen nach Olympia 1936

Nach Ende der Olympischen Spiele in Berlin 1936 aber werden die Ausgrenzungen für jüdische Sportler immer massiver. Schon früh hatte man in SA-Kreisen skandiert: „Wenn die Olympiade vorbei, schlagen wir die Juden zu Brei“. Am 9. November 1938, der Reichspogromnacht, brannten dann nicht nur Synagogen.
"Sondern, wo man wusste, auch vor Ort, wo ein jüdischer Sportplatz war. Der wurde auch demoliert, zerstört."

Kein organisierter jüdischer Sport bis 1961

Danach gibt es keinen organisierten jüdischen Sport mehr. Bis 1961. Max Loewy gründet in Düsseldorf den ersten Makkabi-Verein nach dem Krieg. Vier Jahre später, 1965, folgt Makkabi Frankfurt und dann 1970 ging es auch in Berlin, also damals in West-Berlin wieder los.
"Wir haben in der C-Klasse angefangen und in unserem ersten Spiel hatten wir damals viele jüdische Spieler."
Erinnert sich der heute 85-jährige Marian Waijselfisz. Eins zu null führten sie damals, erzählt er lachend, um dann doch fünfzehn zu eins zu verlieren. Er ist der letzte aus der Gründergeneration, der Vereinsälteste und die gute Seele des Clubs. Er und seine Familie überlebten den Holocaust in Warschau.
"Ich bin 1938 in Warschau geboren. Mit der Familie von meiner Mutti waren wir sieben Personen, die überlebt haben in einem Keller bei einem Polen. Wir waren dort 23 Monate, bis die Russen uns befreit haben."

Mit der Gründung des Vereins ein Zeichen setzen

Nach dem Krieg emigrierte seine Familie erst nach Argentinien, aber dann kam er Ende der 60er-Jahre nach Berlin. Die Gründung des Sportvereins, meint er, sollte auch ein Zeichen setzen.

Man wollte uns eliminieren, wenn ich so sagen darf. Dann haben wir gesagt, so wir sind wieder da - und wir werden uns bekannt machen. Und deswegen ist auch dieser Makkabi-Verein gegründet worden.

Marian Waijselfisz, Holocaust-Überlebender

Auch mit 85 kommt Marian Waijselfisz noch häufig zum Training und steht bei den Spielen der ersten Mannschaft oft am Spielfeldrand.

Makkabi Berlin spielte im DFB-Pokal

Seit zwei Jahren spielt sie in der Oberliga Nordost, gewann im letzten Sommer sogar das Endspiel des Berliner Landespokals und qualifizierte sich damit für den DFB-Pokal. Das hieß Heimspiel im Berliner Mommsenstadion gegen den VfL Wolfsburg. Wolfsburg gewann zwar deutlich sechs zu null, aber die Makkabi-Jungs waren glücklich, angekommen im Fußball-Olymp.
Szene aus dem Spiel TuS Makkabi gegen den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal
TuS Makkabi Berlin spielte 2023 gegen den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal.© dpa / picture alliance / Andreas Gora

Was die Fußball-WM 2006 veränderte

Längst ist die Mannschaft eine Multikultitruppe. Nur noch die wenigsten Spieler sind jüdisch. Dass Makkabi sich geöffnet hat und ganz bewusst auch um nichtjüdische Mitglieder und Spieler wirbt, das habe auch mit dem deutschen Sommermärchen zu tun, glaubt Alon Meyer, der Präsident von Makkabi Deutschland. 2006, als in Deutschland die Fußball-Weltmeisterschaft stattfand und es plötzlich cool war, die Deutschlandfahne zu schwenken.

Ich glaube, das hat sich geändert, als wir das Gefühl entwickelt haben, dass jetzt eine neue Generation heranwächst. Eine Generation, die ein neues, deutsch-jüdisches Selbstverständnis intus hat, also die nicht mehr sich verstecken möchte davor, dass man Schwarz-Rot-Gold ist, dass man Deutscher ist, dass man deutscher Jude ist.

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland

"Wir sind 16 Nationalitäten, aber eine Familie"

In der ersten Mannschaft von TuS Makkabi Berlin gibt es noch ein paar Juden, aber genauso Hindus, Muslime und Christen. Hier kicken Fußballer aus 16 Nationen, meint Wolfgang Sandhove, der Trainer der ersten Mannschaft.
"Wir sind 16 Nationalitäten, aber wir sind eine Familie. Ich bin das Oberhaupt, Osmane ist das zweite Oberhaupt, der ist wie mein Bruder - und so ist es, dass wir hier das vorleben, was wir wollen."
Wolfgang Sandhove ist 70 und wohl das, was man einen alten Hasen nennt. Wie fast jeden Tag kommen die Spieler am frühen Abend zum Training. Jetzt im Winter ist es schon dunkel, wenn es auf den Platz geht.
Heute leitet sein Vize Osman Bangora die Trainingseinheit. Im Senegal hatte er selber in der ersten Liga gespielt, kam 2007 nach Deutschland, studierte hier Germanistik und ist seit zehn Jahren Co-Trainer bei Makkabi.
Seit dem Krieg in Israel steht abends beim Training in Sichtweite ein Polizeiwagen mit zwei Beamten. Wolfgang Sandhove konzentriert sich trotz allem auf den Sport.
"Für uns ist wichtig, dass wir uns aufs Spiel fokussieren. Wenn wir über diese weiße Außenlinie gehen, gibt es den Fußball und nichts anderes in den Köpfen der Spieler."

Antisemitische Anfeindungen

Er und seine Spieler, meint Wolfgang Sandhove, seien in den letzten Jahren nie antisemitisch beleidigt worden.  In den unteren Ligen, auch bei Jugendlichen und Kindern ist das seit Jahren aber anders. Lange vor dem Krieg in Israel, meint Alon Meyer.

Jeder von uns, der bei Makkabi über längere Zeit hinweg war, hat solche Anfeindungen schon erlebt aufgrund des Makkabi-Trikots, Trainingsanzugs, der Jacke oder dem T-Shirt das er trägt, mit dem stilisierten David Stern. Das beginnt mit irgendwelchen Rufen, es geht über Handgreiflichkeiten bis hin zu Messerattacken, die wir auch teilweise erlebt haben.

Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Frankfurt

"Grundsätzlich ist es schon so, dass je niedriger das sportliche Level ist, das Risiko für Vorfälle dann deutlich zunimmt."

Projekt mit dem Zentralrat der Juden

Meint Lasse Müller, stellvertretender Projektleiter bei „Zusammen 1“, einem Projekt von Makkabi Deutschland und dem Zentralrat der Juden.
"Es gibt Schilderungen von E-Jugendspielen, wo Hitlergrüße gezeigt wurden, wo ganz klar antisemitische Rufe gerufen wurden. Wir reden von Sechs-, Siebenjährigen. Das sind Szenarien, die wir in den ganzen letzten Jahren immer und immer wieder erlebt haben."
Im Projekt hatte man bei den Mitgliedern nachgefragt, wer schon mal etwas Antisemitisches erlebt hatte. 39 Prozent bejahten - und manche schilderten auch, was ihnen so passiert war.
"Da war einer zum Beispiel, der damals als minderjähriges Mitglied sein Handy zur Reparatur gebracht hat."
Als er sein Handy in dem Reparaturladen abgab, hatte er noch seine Makkabi-Sportkleidung an.
"Und auf der Quittung stand dann statt der korrekten Adresse 'Holocaust-Straße'. Ein Vorfall, der mich bis heute auch in der Intensität und fehlenden Anonymität auch wirklich umtreibt."

Juden spielen mit Muslimen zusammen

Juden sind ja mittlerweile in den Makkabi-Mannschaften längst die Minderheit. Stattdessen würden Muslime, die heute bei Makkabi spielen, als Verräter angegriffen. Um dem was entgegenzusetzen hat „Zusammen 1“ ganz spezielle Workshops entwickelt.
Für Vereine, die sie einladen, haben sie eine spezielle Trainingseinheit entwickelt, erklärt Lasse Müller. Beim Dribbeln müssen die jugendlichen Spieler dann Fragen beantworten. Sind Profifußballer Vorbilder? Habe ich schon mal selber Diskriminierung erlebt? Ganz nebenbei eben, meint Lasse Müller - und denkt an seine eigene Jugend.
"Wenn ich an mich selbst zurückdenke, als ich 15 Jahre alt war im Fußballverein und zu mir gesagt worden wäre, wir machen heute kein Training, sondern einen Workshop zu Antisemitismus, wäre vermutlich auch meine Motivation sehr überschaubar hoch gewesen."

Die Folgen nach dem Hamas-Angriff

In den ersten Wochen nach dem Angriff der Hamas im Oktober und dem beginnenden Krieg im Gazastreifen schwappte in Deutschland eine riesige antisemitische Welle über alles was irgendwie als jüdisch erkennbar ist. Das traf natürlich auch die Makkabi-Vereine.
Viele Eltern schickten ihre Kinder erst mal nicht zum Training - aus Angst. Die Trainer und Betreuer, alleine in Frankfurt etwa 200, obwohl ehrenamtlich, standen trotzdem auf dem Platz oder in der Sporthalle, betont Makkabi-Präsident Alon Meyer auch mit Stolz. Aber dass hier in Deutschland heute jüdische Sportvereine bedroht werden, weil in Israel Krieg geführt wird, sei ein Skandal.

Es ist ein immenser Mehraufwand, den die Makkabi-Ortsvereine gerade leisten müssen, um überhaupt noch Trainingsspielbetrieb anbieten zu können. Absolut niederschmetternd für unsere Gesellschaft, dass wir so eine Situation hier in Deutschland erleben müssen, 'nur' weil es im Nahen Osten eskaliert. Inakzeptabel.

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland

Antisemitismus sei für ihn nichts Neues. Das habe er in den über 50 Jahren seines Vereinslebens immer wieder erleben müssen, meint Marian Waijselfisz, der Vereinsälteste von TuS Makkabi Berlin, der den Holocaust als Kind überlebte. Dabei wollte er doch eigentlich immer nur Fußball spielen.
"Wir sind weltoffen, wir wollen Frieden, wir wollen Freude am Leben, wir wollen mit den Leuten kommunizieren können. Mein Papa hat schon gesagt, es ist schwer, ein Jude zu sein, und er hat ja Recht gehabt."

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema