Nosh Berlin - Food Festival, noch bis zum 26. März an wechselnden Orten in Berlin. Weitere Informationen zum Programm auf der Website.
Kulinarisches aus aller Welt
Gebäck und Kuchen wie Rugelach und Babka gehören genauso zu den jüdischen Speisen wie der bei vielen beliebte Hummus. Das Food Festival Nosh in Berlin bringt nun zum ersten Mal die kulinarische Vielfalt der jüdischen Küche – von Osteuropa bis Persien – zusammen.
Ein Café in Berlin-Friedrichshain. Normalerweise werden hier Kaffees mit fein dekoriertem Milchschaum und selbstgemachte Bagels serviert. Junge Menschen aller Couleur sitzen dann an den vielen Tischen und reden, arbeiten an Computern oder Lesen, denn das Café ist gleichzeitig ein Buchladen. Doch jetzt riecht die Luft nach in Öl Gebackenem. Knapp 50 Leute sitzen auf der Empore des langgezogenen Gastraumes um eine Tafel herum und schauen Anna Gulinska aus Krakau zu. Mit Hilfe einer befreundeten Köchin bäckt sie traditionelle jüdische Kartoffelpuffer.
Das erste jüdische Food Festival in Berlin
Wir befinden uns auf dem ersten jüdischen Food Festival Berlins: Nosh Berlin, wie es heißt. Food Festivals sind in den letzten Jahren schwer in Mode gekommen. Hier tauschen sich Gastronomen, Hobbyköche, Genießer und Hipster aus. Sie teilen vor allem ein Lebensgefühl in der entfremdeten Welt: Zusammen essen geht immer, über alle Kulturen und Unterschiede hinweg. Es wird viel Englisch gesprochen, Food Festivals sind vorwiegend international. Der Initiatorin Laurel Kratochvila liegt vor allem die jüdische Küche Osteuropas am Herzen. Die 33-Jährige ist in einem jüdischen Haushalt in Boston aufgewachsen.
"Ich bin mit einem Bagel am Tag groß geworden. Dazu kamen Rugelach und Babka – kleine süß-gefüllte Hörnchen und Hefekuchen. Das habe ich geliebt. Seit meiner Kindheit war das einfach meine Nervennahrung. (…) Im Prinzip wird die aschkenasische Küche aus wenigen einfachen Zutaten hergestellt. Es gibt zwar so viel aufregenderes und sinnlicheres jüdisches Essen auf der Welt (...), aber das Wasser im Mund läuft mir vor allem bei Kartoffeln, Dill und einfachem Essen mit bisschen Salz und Pfeffer zusammen. Das ist zwar ein bisschen schmalzig, aber da isst einfach meine Seele mit. Für mich ist das einfach eine gute Küche!"
Einflüsse aus Osteuropa
Die jüdische Küche Osteuropas entspricht den spärlichen Möglichkeiten der Zeit ihrer Entstehung. Es wurde viel eingelegt, viel Fett verwendet um über die langen, kalten Winter zu kommen. Die einfachen Zutaten der armen jüdischen Bevölkerung finden sich hier ebenso wieder, wie die unterschiedlichen Einflüsse der vielen osteuropäischen Heimatländer. So sieht das auch die kochende Rednerin Anna Gulinska aus Krakau:
"Das Besondere ist meiner Meinung nach, wie diese Küche alles zusammenmischt. Man kann gar nicht mehr sagen, was sich hier wie beeinflusst hat. Solange man sich an ein paar Regeln hält, kann man etwas Eigenes daraus herstellen, das zudem köstlich schmeckt, gesund und einfach bezaubernd ist."
Abwechslungsreiches Programm
Mit diesem Grundsatz ist das Nosh Festival gleich im ersten Jahr ein Publikumserfolg. Die Tickets waren oft ausverkauft und die Resonanz besser als von den Veranstalterinnen erwartet. Das lag wahrscheinlich an der Vielfalt mit der sie das Programm zusammengestellt haben. Neben dem gemeinsamen Essen und Kochen, wurde auch ein Kinofilm gezeigt, es gab Paneldiskussionen, Tipps für spezielle Feiertage und einen Tanzball. Wie es sich für ein Food Festival gehört, wurden zudem immer wieder kleine Happen zum Probieren gereicht.
"Ich habe Leute sagen gehört: 'Jüdische Küche ist doch einfach nur Hummus, oder?' Das fand ich ganz schön traurig. Also wollte ich schauen, wie viele unterschiedliche jüdische Küchen wir in Berlin finden können."
An vier Orten finden vier Supper Clubs, also kulinarische Themenabende, statt. Es wird eine moderne Form der osteuropäischen Klassiker geben. Die jüdische Küche Persiens wird serviert, ebenso Gerichte aus Rom, der Stadt mit der ältesten jüdischen Gemeinde außerhalb Israels. Und ein jemenitisches Festmahl darf natürlich auch nicht fehlen.
Kreativer Umgang mit traditionellem Essen
Dennoch, die traditionelle jüdische Küche hat es in Deutschland schwer aus ihrer Ecke herauszukommen. Was damals Fusion-Food war, verwehrt sich heutzutage allzu großen Neuerungen. Gefilte Fisch, Hühnersuppe oder Challa haben eben auf ihre Art und Weise zu schmecken – und das eigentlich nur zu jüdischen Feiertagen. Die Amerikaner Molly Yeh, Amy Kritzer und Jeffrey Yoskowitz möchten das ändern. Die beiden Frauen sind bekannte Food-Blogger (hier und hier ihre Blogs) und er führt im hippen Teil New Yorks ein erfolgreiches Gastro-Unternehmen für genau diese Speisen. Sie alle haben Kochbücher herausgebracht und kennen sich gut in der Materie des jüdischen Kochens aus.
Die Bücher der drei stehen neben vielen anderen jüdischen Kochbüchern auch in Laurel Kratochvilas Laden. Beim genauen Hinsehen fällt schnell auf, dass der US-amerikanische Zugang zur jüdischen Küche weitaus kreativer und lustvoller ausfällt als hierzulande. Das Nosh Festival mit seinem reichhaltigen und bunten Programm ist vielleicht der erste echte Schritt, die jüdische Küche aus ihrer Ecke herauszuholen und dem deutschen Publikum schmackhaft zu machen.
(leicht gekürzte Onlinefassung, thg)