Jüdisches Museum Berlin

Eine neue Dauerausstellung, die alle Sinne anspricht

05:35 Minuten
Ein Journalist steht in der neuen Dauerausstellung "Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland" im Liebeskind-Bau des Jüdischen Museums im Epochenraum "Auch Juden werden Deutsche".
Inhaltlich, thematisch und visuell aktualisiert: Nach 20 Jahren sei es Zeit gewesen, sagt die leitende Kuratorin Cilly Kugelmann. © picture alliance / Britta Pedersen / dpa-Zentralbild / dpa
Von Peter Kaiser |
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Das Jüdische Museum Berlin eröffnet die neue Dauerausstellung: Dort wird auf acht thematischen Inseln und Tausenden Quadratmetern vermittelt, warum jüdische Gemeinschaften so eng mit ihrer Umwelt verbunden sind und wie sie diese geprägt haben.
"Mesubin heißt sowas wie versammelt sein", sagt Theresia Ziehe. "Das bezieht sich auf das Lied 'Ma Nischtana', was zu Pessach im Kreis der Familie gesungen wird, und es ist eine digitale Porträtwand, mit sehr vielen unterschiedlichen jüdischen Stimmen."
Theresia Ziehe ist eine der Kuratorinnen in der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin mit dem Titel "Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland". Die Stimmeninstallation Schlusschor "Mesubin" der Künstler Yael Reuveny und Clemens Walter steht für die Zeit nach 1945, also für die Zeit des Endes und Neuanfangs.
Doch bevor die Besucher den Schlusschor erreicht haben, sind sie an etlichen Stationen vorbeigekommen. Cilly Kugelmann, die leitende Kuratorin: "Das ist ein Rundgang durch die Geschichte der Juden in Deutschland. Und der Deutschen Juden. Das sind unterschiedliche Kategorien."

Wie Alltag religiös gestaltet wird

Vom Mittelalter bis zur Gegenwart heute wird von den deutsch-jüdischen Mitbürgern erzählt. Schon immer, heißt es, sind jüdische Gemeinschaften eng mit ihrer Umwelt verzahnt gewesen: Mal in ihrer Zugehörigkeit zur Region, mal in der regionalen Ausgrenzung, die bis hin zu offener Gewalt reichte.
Auch wenn die neue Ausstellung in der Chronologie der ersten Schau folgt, die 20 Jahre lang zu sehen war, so wird die neue Ausstellung "unterbrochen durch acht Themenräume, die sich intensiver mit dem sakralen Kern des Judentums befassen, oder auch mit säkularen Ausprägungen des Judentums", erklärt die Kuratorin.
"Also es geht mehr auch um jüdische Identität. Dazu gehören die Texte der Tora erstmal, den Talmud, und die Frage, wie heute Juden mit dem Religionsgesetz im Alltag umgehen. Ob sie sie einhalten oder nicht, und warum nicht? Das wird thematisiert."
Dazu kommen bei den acht Inseln noch Fragen wie: Was ist im Judentum heilig? Welchen Klang hat das Judentum, was bedeutet das Gesetz des Schabbat, wenn es sich am Alltag im 21. Jahrhunderts reibt?

Wie mit Richard Wagner umgehen?

"Das Gesetz reibt sich gar nicht, sondern die Menschen, die das Gesetz einhalten sollen", sagt Cilly Kugelmann. "Also es gibt natürlich Gruppen, die den Schabbat einhalten, weil sie alle Schabbat-Regeln beachten, und dann gibt es säkulare Ausformungen, wie der Schabbat individuell zugeschnitten wird. Der eine hält das, der andere hält das, der eine geht nicht ans Telefon, der andere isst kein Schweinefleisch, auch das wird diesmal in der Ausstellung thematisiert."
Fünf historische Kapitel bezeichnen die Ausstellungsmacherinnen und -macher als das Rückgrat ihrer Schau. Dabei geht die Zeitreise von den Anfängen in Aschkenas über die Emanzipationsbewegung im 19. Jahrhundert und deren Abbruch durch die Nationalsozialisten bis hin zur Polyphonie jüdischen Lebens heute.
So werden auch historische Phänomene wie etwa die jüdische Rezeption der Werke Richard Wagners bezüglich der heutigen Aufführungspraxis beleuchtet.

Geschichte modern präsentiert

Oder: Anhand der Schicksale zehn deutsch-jüdischer Familien lädt eine interaktive Wand zu einer ganz persönlichen Entdeckungsreise ein. Auch das Thema "Antisemitismus durch alle Epochen" hat eine Ausstellungsfläche.
Insgesamt war die neue Dauerausstellung notwendig geworden, sagt Cilly Kugelmann: "Die alte Ausstellung war sehr positivistisch organisiert, und von der Gestaltung sehr kleinteilig. Es gibt in den letzten 20 Jahren ganz andere Möglichkeiten, Museumsinhalte darzustellen, und es war nach 20 Jahren Zeit, das inhaltlich, thematisch und visuell zu aktualisieren."
Man sollte sich also reichlich Zeit mitnehmen für die auf über 3500 Quadratmeter angelegte neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum Berlin.
Besonders nach einer Zeit, in der es Kritik aus der jüdischen Gemeinde an den Verantwortlichen des Jüdischen Museums Berlin gab. Infolgedessen trat der Direktor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Peter Schäfer zurück. Nun fordert die wunderbar konzipierte neue Ausstellung alle Sinne und alle Aufmerksamkeit.
Denn man braucht Zeit, wie gesagt, für die Exponate, Fotos, Artefakte, Kunstgegenstände und liturgischen Gerätschaften, die Filme, Porträts, liturgischen Gesänge, Purim-Rasseln, die jüdische Popmusik: All das verspricht einen hohen Gewinn.
Und wenn man dann wieder vor dem vielstimmigen Punkt "Mesubin" steht, und den Mädchen und Jungen, den Frauen und Männern zuhört, dann erkennt man: "Das ist einfach die Gegenwart heute hier in Deutschland von Juden und Jüdinnen", sagt Theresia Ziehe.
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