"Das war mein Ticket nach Hollywood"
Seine Rolle als "KaLeu" im Film "Das Boot" machte ihn weltberühmt und brachte ihm eine Hollywoodkarriere ein. "Ohne diesen Film wäre ich da nie gelandet", sagt Jürgen Prochnow rückblickend und erzählt, dass er die Anfangszeit in Hollywood wie im Traum erlebt habe.
Stephan Karkowsky: Es gibt unter deutschen Schauspielern nicht wirklich viele Weltstars. Heute aber sitzt mir einer gegenüber, den können Sie Sonntagabend zur besten Sendezeit im ZDF sehen im Film "Die Kinder meiner Tochter": Jürgen Prochnow, herzlich willkommen!
Jürgen Prochnow: Guten Tag!
Karkowsky: Sind Sie mir böse, wenn ich bei Ihrem Namen sofort die Filmmusik zu "Das Boot" von Klaus Doldinger im Ohr habe?
Prochnow: Nein, natürlich nicht!
Karkowsky: Geht es vielen so?
Prochnow: Ich weiß nicht, wegen der Musik - aber die Leute, die mich ansprechen, die haben natürlich immer das Bild des Kaleu im Kopf, und da bin ich natürlich auch stolz da drauf, dass ich mal bei einem Film dabei gewesen bin, der so eine Filmgeschichte geschrieben hat, kann man sagen. Und das war ja auch nicht von vornherein abzusehen, dass das mal passieren würde. Aber in einer Produktion dabei zu sein, die dann ein Welterfolg geworden ist, ein Klassiker geworden ist inzwischen, der hat ja über mehrere Generationen jetzt Geschichte gemacht, und die Leute haben sich immer wieder diesen Film angeguckt, also das ist natürlich was ganz Besonderes.
Karkowsky: Vor allen Dingen dieses zackig gebrüllte "Jawohl, Herr Kaleu!" ist ja zum geflügelten Wort geworden.
Prochnow: Also ich höre es nicht mehr, aber ...
Karkowsky: Das kann ich mir vorstellen. Die noch Jüngeren dürfen wir aber ruhig drüber aufklären, dass sie da den Kapitän des U-Bootes 96 spielten in dieser Verfilmung von Wolfgang Petersen - nominiert für sechs Oscars, einer der größten deutschen Filmerfolge überhaupt. Das war Ihr internationaler Durchbruch. Würden Sie sagen, "Das Boot" war für Sie das, was heute vielleicht die Filme von Tarantino für Christoph Waltz sind, also nach über 15 Jahren Theater und Film - hatten Sie ja schon hinter sich - plötzlich der Start einer Hollywoodkarriere?
Prochnow: Ja, ja, das war mein Ticket nach Hollywood, ohne diesen Film wäre ich da nie gelandet, also das ist ganz klar. Und ich kann das so beschreiben: Also dieser Film hat einen so wahnsinnigen Eindruck hinterlassen drüben, der wurde in zwei kleinen Kinos in New York zuerst gestartet und hat dann diesen berühmten Schneeballeffekt ausgelöst, und darauf hin bekam ich sofort von drüben von einer der größten Agenturen ein Angebot, die wollten mich in die Agentur nehmen - das ging alles so schlagartig.
Und ich werde nie vergessen, als ich zum ersten Mal nach Los Angeles mit zur Promotion rübergefahren bin mit Petersen, wurden wir dann von einer Limo am Flughafen abgeholt, in das Hotel gebracht - das war alles für mich so neu - und dann in eine Suite im 24. Stock oder wo das war, im Beverly Wilshire, glaube ich. Dann guckte ich da aus dem Fenster und sah dann Jacarandabäume blühen. Und ein Rolls Royce schnurrte vorbei draußen, unten lagen die Leute am Pool, es war 22 Grad. In München, wo wir herkamen, waren es auch 22, aber minus.
Da musste ich mich kneifen und sagen: Das ist alles ein Traum, das kann nicht wahr sein, das träume ich! Und ich konnte diese Realität erst mal gar nicht bewältigen, muss ich sagen.
Karkowsky: Aber trotzdem war es ja ein fremdes Land. Sie kamen aus Deutschland, waren auf einmal verpflanzt in die USA. Wann kam für Sie der Punkt, wo Sie gesagt haben: Ja, ich gehöre hierher? Weil ohne Zweifel ging das doch auch nicht ab, oder?
Prochnow: Nein, nein, das hat also eine ganze Zeit gedauert, muss ich sagen. Das war mein Land insofern, als ich plötzlich eben Aufträge bekam von drüben und Leute mit mir arbeiten wollten, das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich plötzlich ... mein erster Film war mit Michael Mann drüben, "The Keep", und der zweite mit David Lynch, "Dune", also das waren alles Voraussetzungen, die wie ein Märchen plötzlich auf mich zugekommen sind. Und da ist das schon ähnlich wie mit Waltz auch, also würde ich auch sagen, der ja auch so viele Jahre Schauspieler gewesen ist, und dann plötzlich mit einem Film diesen Riesendurchbruch geschafft hat.
Das war bei mir eben auch so, und ich habe dann in der Zeit also gebüffelt, ich habe mich umstellen müssen, ich habe oft in Produktionsbesprechungen oder in Regiebesprechungen gesessen und war so fertig, weil mein Englisch auch nicht gut genug war am Anfang und ich gar nicht mehr aufnehmen konnte alles, was also gesprochen wurde.
Ich wollte natürlich aber irgendwie mit dran teilhaben an dem künstlerischen Prozess, der im Gange war, und das hat mich also am Anfang wahnsinnig überfordert, muss ich sagen. Das hat sich dann mit der Zeit natürlich gegeben, je mehr ich dann drüben gearbeitet habe und je vertrauter ich dann auch mit der Sprache wurde und mit dem Land wurde. Aber am Anfang war das - ich kann es nur sagen - überwältigend eigentlich.
Karkowsky: In "Dune - der Wüstenplanet" waren Sie Duke Leto Atreides I., in "Beverly Hills Cop 2" waren Sie ein Bösewicht neben Brigitte Nielsen und Eddie Murphy, in "Judge Dredd" - auch ein Film, der jetzt wieder verfilmt wurde, ein Science-Fiction-Klassiker, da haben Sie Judge Griffin gespielt an der Seite von Sylvester Stallone. Ich könnte jetzt noch eine ganze Seite so weitermachen. Was waren das für Erwartungen, mit denen Sie nach Hollywood gegangen sind? Haben Sie das einfach auf sich zukommen lassen, oder hatten Sie irgendeine bestimmte Vorstellung im Kopf?
Prochnow: Überhaupt nicht. Ich war völlig unvorbereitet da drauf, dass dieser Film plötzlich so was auslösen würde. Ich hatte ja vorher doch einige Filme gemacht, die auch einiges ausgelöst haben, muss ich sagen. Ich sage mal nur, "Die Konsequenz", die ich mit Petersen gedreht habe damals, diesen Homosexuellenfilm, zu dieser Zeit gab es in Deutschland noch den Paragraf 175, und das hat eine solche Welle ausgelöst, also wir haben Tausende von Briefen bekommen, und aus diesen Briefen ist ein Buch zusammengestellt worden, die Resonanz auf "Die Konsequenz" sozusagen.
Der Bayrische Rundfunk hat sich bei der Ausstrahlung ausgeschaltet damals, dann kam der Film ins Kino, weil er auf 35 Millimeter schwarzweiß gedreht war. Der hat viel, viel bewirkt, aber das waren alles nicht die Filme, die ich gemacht habe, die mich hätten nach Amerika bringen können, oder sagen wir, nach Hollywood, wenn man das also spezifisch bezeichnet, das war also nicht der Fall, aber mit diesem Film war es dann eben ... ging das los.
Und ich habe das überhaupt nicht vorhersehen können, und wir hatten ja auch bei den Dreharbeiten von dem "Boot" damals so unglaubliche Schwierigkeiten, wir haben ein Jahr lang ja gedreht - der war auf neun Monate, glaube ich, festgelegt, der Film, die Drehzeit, und dann ist ein ganzes Jahr draus geworden. Überhaupt stand in Frage, ob wir den Film überhaupt weiterdrehen können, weil er ja für damalige Verhältnisse mit Abstand das teuerste Projekt, was seit langer Zeit gedreht worden war, war.
Da brach uns zum Beispiel dieses Boot, was einem nachgebauten U-Boot von außen also völlig ähnlich sah - innen natürlich nicht, das haben wir im Atlantik gedreht, vor La Rochelle -, das brach auseinander, und aus diesen Trümmern ist dann noch wieder ein Boot zusammengeflickt worden, mit dem wir die ganze Schlusssequenz dann drehen konnten, wenn das Boot bombardiert wird, und so.
Also, es gab wahnsinnige Schwierigkeiten auch, aber wie gesagt, es hat dann ein ganzes Jahr gedauert, bis der Film, nur die Drehzeit also, fertig gewesen ist. Hinzu kommt natürlich die Vorbereitungszeit, hinzu kommt die ganze Post Production - wir konnten den Original-Sound, also den Ton, nicht verwenden, weil der Kameramann eine Spezialkamera kreiert hatte für diesen Film, also mussten wir diesen ganzen Film nachsynchronisieren. Ich würde sagen, ich habe mindestens zwei Jahre auch an dem Film zugebracht.
Karkowsky: Mit Petersen haben Sie früh gearbeitet - ich glaube, '73 war der erste "Tatort" mit ihm. Würden Sie sagen, er ist der Regisseur, der Sie für den Film entdeckt hat?
Prochnow: Das ist sicherlich der, der den ganz entscheidenden Einfluss auf mich hatte und mich sozusagen vom Theaterschauspieler zum Filmschauspieler bekehrt hat, wenn man das so sagen kann. Ich habe ja am Theater angefangen und war unendlich glücklich, als ich beim Theater gelandet war, und meine ganze Aufmerksamkeit und so galt dem Theater. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal Filmschauspieler werden würde, dass ich beim Film sozusagen ankommen würde, landen würde - ich bin gerne ins Kino gegangen, aber ich habe mir nie träumen lassen, dass ich selbst mal da oben auf der Leinwand zu sehen sein würde oder so, es stand für mich also gar nicht, überhaupt nicht zur Debatte.
Und dann habe ich den Wolfgang kennengelernt und habe mit ihm diesen "Tatort" gemacht, das war, glaube ich, 1972, und ich war zu dieser Zeit in Bochum bei Peter Zadek im Ensemble. Man kann - ich weiß nicht - 100 Jahre Theater spielen, man hat nie diese Aufmerksamkeit, die ich plötzlich mit diesem einen Tatort damals hatte. Da gab es ja nur zwei Sender, ARD, ZDF, und ich würde sagen, an die 80 Prozent der Bevölkerung - falls nicht mehr - haben dann diesen Tatort gesehen an dem Tag. Und ich war mit einem Schlag, war ich bekannt in Deutschland.
Karkowsky: Sie hören im Deutschlandradio Kultur: Jürgen Prochnow. Herr Prochnow, Sie wohnen in Los Angeles, Sie sind mittlerweile amerikanischer Staatsbürger. Sind Sie denn mittlerweile auch durch und durch Amerikaner?
Prochnow: Ich habe diese amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt in dem Augenblick, wo ich wusste, dass ich die deutsche behalten durfte. Ich habe die Beibehaltung beantragt, und die habe ich auch sofort bekommen, weil da lag mir sehr viel dran, sonst hätte ich die amerikanische Staatsbürgerschaft auch gar nicht beantragt.
Aber ich habe mir gedacht, wenn ich da drüben lebe und Steuern zahle, will ich auch wählen in dem Land und mich da wenigstens eben auch ausdrücken dürfen. Ich sage immer, da drüben ist mein Zuhause, und hier ist meine Heimat.
Karkowsky: Ihre Filmfiguren könnte man ja eher als konservativ bezeichnen, auch die neue, die sie spielen im ZDF-Film, einen pensionierten Richter, einen sehr harten, verbitterten Mann. Sind Sie selber ein Konservativer?
Prochnow: Ich glaube nicht, nein.
Karkowsky: Der Film heißt "Die Kinder meiner Tochter", läuft im ZDF. Sie spielen einen pensionierten Richter, der so Sätze spricht wie: Deshalb stirbt der Deutsche aus - die eine Hälfte sind Ausländer, die anderen homosexuell, und die holen sich dann Halbwilde als Kinder. Da haben Sie gerade ein lesbisches Paar beim Küssen gesehen mitten auf der Straße, und deren dunkelhäutiges Adoptivkind. Dieser Charakter entwickelt sich dann aber.
Prochnow: Und das ist eben die Chance, oder es ist Chance des Films, und ich hoffe, dass die Zuschauer diese Entwicklung mitgehen und das auch sehen, und dass es in gewisser Weise - wahrscheinlich nicht so schnell - aber auch in der Bevölkerung irgendwo einen Prozess auslöst, also jetzt unabhängig von meinem Film jetzt hier, der einfach mehr Verständnis für den anderen in Anführungsstrichen "aufbringt".
Karkowsky: Sie sind im Film Islamfeind.
Prochnow: Ich bin Islamfeind, und ...
Karkowsky: Die Tochter ist beim Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Prochnow: ... die Tochter ist beim Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und er hat sich von der Tochter ... seit 16 Jahren hat er sie nicht mehr gesehen, und sie hat einen Moslem geheiratet, hat zwei Kinder und stirbt bei einem Verkehrsunfall, und er kommt ins Krankenhaus, erfährt, dass seine Tochter tot ist und dass da zwei Enkel sitzen, um die er sich jetzt kümmern muss. Und durch die Liebe eigentlich zu den Kindern ändert sich dieser Mann ein bisschen.
Karkowsky: Der hat mich ein bisschen an "Gran Torino" von Clint Eastwood erinnert, auch von seiner Wandlung her des Charakters. Wollen Sie wie Clint Eastwood immer weiter machen, oder gibt es für Sie ein Ziel, dass Sie sagen: Jetzt ist mal ... irgendwann gehe ich in Rente?
Prochnow: Also das ist sicherlich nicht der Fall, solange ich mich wohlfühle, körperlich und geistig eben dazu in der Lage bin, will ich den Beruf weitermachen, weil es mir einfach noch Spaß macht. Es ist jetzt nicht so, dass ich sage, ich habe genug gespielt, ich habe die Nase voll, ich will aufhören, das ist nicht der Fall. Wenn schöne Angebote da sind so, mache ich das sehr, sehr gerne weiter.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jürgen Prochnow: Guten Tag!
Karkowsky: Sind Sie mir böse, wenn ich bei Ihrem Namen sofort die Filmmusik zu "Das Boot" von Klaus Doldinger im Ohr habe?
Prochnow: Nein, natürlich nicht!
Karkowsky: Geht es vielen so?
Prochnow: Ich weiß nicht, wegen der Musik - aber die Leute, die mich ansprechen, die haben natürlich immer das Bild des Kaleu im Kopf, und da bin ich natürlich auch stolz da drauf, dass ich mal bei einem Film dabei gewesen bin, der so eine Filmgeschichte geschrieben hat, kann man sagen. Und das war ja auch nicht von vornherein abzusehen, dass das mal passieren würde. Aber in einer Produktion dabei zu sein, die dann ein Welterfolg geworden ist, ein Klassiker geworden ist inzwischen, der hat ja über mehrere Generationen jetzt Geschichte gemacht, und die Leute haben sich immer wieder diesen Film angeguckt, also das ist natürlich was ganz Besonderes.
Karkowsky: Vor allen Dingen dieses zackig gebrüllte "Jawohl, Herr Kaleu!" ist ja zum geflügelten Wort geworden.
Prochnow: Also ich höre es nicht mehr, aber ...
Karkowsky: Das kann ich mir vorstellen. Die noch Jüngeren dürfen wir aber ruhig drüber aufklären, dass sie da den Kapitän des U-Bootes 96 spielten in dieser Verfilmung von Wolfgang Petersen - nominiert für sechs Oscars, einer der größten deutschen Filmerfolge überhaupt. Das war Ihr internationaler Durchbruch. Würden Sie sagen, "Das Boot" war für Sie das, was heute vielleicht die Filme von Tarantino für Christoph Waltz sind, also nach über 15 Jahren Theater und Film - hatten Sie ja schon hinter sich - plötzlich der Start einer Hollywoodkarriere?
Prochnow: Ja, ja, das war mein Ticket nach Hollywood, ohne diesen Film wäre ich da nie gelandet, also das ist ganz klar. Und ich kann das so beschreiben: Also dieser Film hat einen so wahnsinnigen Eindruck hinterlassen drüben, der wurde in zwei kleinen Kinos in New York zuerst gestartet und hat dann diesen berühmten Schneeballeffekt ausgelöst, und darauf hin bekam ich sofort von drüben von einer der größten Agenturen ein Angebot, die wollten mich in die Agentur nehmen - das ging alles so schlagartig.
Und ich werde nie vergessen, als ich zum ersten Mal nach Los Angeles mit zur Promotion rübergefahren bin mit Petersen, wurden wir dann von einer Limo am Flughafen abgeholt, in das Hotel gebracht - das war alles für mich so neu - und dann in eine Suite im 24. Stock oder wo das war, im Beverly Wilshire, glaube ich. Dann guckte ich da aus dem Fenster und sah dann Jacarandabäume blühen. Und ein Rolls Royce schnurrte vorbei draußen, unten lagen die Leute am Pool, es war 22 Grad. In München, wo wir herkamen, waren es auch 22, aber minus.
Da musste ich mich kneifen und sagen: Das ist alles ein Traum, das kann nicht wahr sein, das träume ich! Und ich konnte diese Realität erst mal gar nicht bewältigen, muss ich sagen.
Karkowsky: Aber trotzdem war es ja ein fremdes Land. Sie kamen aus Deutschland, waren auf einmal verpflanzt in die USA. Wann kam für Sie der Punkt, wo Sie gesagt haben: Ja, ich gehöre hierher? Weil ohne Zweifel ging das doch auch nicht ab, oder?
Prochnow: Nein, nein, das hat also eine ganze Zeit gedauert, muss ich sagen. Das war mein Land insofern, als ich plötzlich eben Aufträge bekam von drüben und Leute mit mir arbeiten wollten, das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich plötzlich ... mein erster Film war mit Michael Mann drüben, "The Keep", und der zweite mit David Lynch, "Dune", also das waren alles Voraussetzungen, die wie ein Märchen plötzlich auf mich zugekommen sind. Und da ist das schon ähnlich wie mit Waltz auch, also würde ich auch sagen, der ja auch so viele Jahre Schauspieler gewesen ist, und dann plötzlich mit einem Film diesen Riesendurchbruch geschafft hat.
Das war bei mir eben auch so, und ich habe dann in der Zeit also gebüffelt, ich habe mich umstellen müssen, ich habe oft in Produktionsbesprechungen oder in Regiebesprechungen gesessen und war so fertig, weil mein Englisch auch nicht gut genug war am Anfang und ich gar nicht mehr aufnehmen konnte alles, was also gesprochen wurde.
Ich wollte natürlich aber irgendwie mit dran teilhaben an dem künstlerischen Prozess, der im Gange war, und das hat mich also am Anfang wahnsinnig überfordert, muss ich sagen. Das hat sich dann mit der Zeit natürlich gegeben, je mehr ich dann drüben gearbeitet habe und je vertrauter ich dann auch mit der Sprache wurde und mit dem Land wurde. Aber am Anfang war das - ich kann es nur sagen - überwältigend eigentlich.
Karkowsky: In "Dune - der Wüstenplanet" waren Sie Duke Leto Atreides I., in "Beverly Hills Cop 2" waren Sie ein Bösewicht neben Brigitte Nielsen und Eddie Murphy, in "Judge Dredd" - auch ein Film, der jetzt wieder verfilmt wurde, ein Science-Fiction-Klassiker, da haben Sie Judge Griffin gespielt an der Seite von Sylvester Stallone. Ich könnte jetzt noch eine ganze Seite so weitermachen. Was waren das für Erwartungen, mit denen Sie nach Hollywood gegangen sind? Haben Sie das einfach auf sich zukommen lassen, oder hatten Sie irgendeine bestimmte Vorstellung im Kopf?
Prochnow: Überhaupt nicht. Ich war völlig unvorbereitet da drauf, dass dieser Film plötzlich so was auslösen würde. Ich hatte ja vorher doch einige Filme gemacht, die auch einiges ausgelöst haben, muss ich sagen. Ich sage mal nur, "Die Konsequenz", die ich mit Petersen gedreht habe damals, diesen Homosexuellenfilm, zu dieser Zeit gab es in Deutschland noch den Paragraf 175, und das hat eine solche Welle ausgelöst, also wir haben Tausende von Briefen bekommen, und aus diesen Briefen ist ein Buch zusammengestellt worden, die Resonanz auf "Die Konsequenz" sozusagen.
Der Bayrische Rundfunk hat sich bei der Ausstrahlung ausgeschaltet damals, dann kam der Film ins Kino, weil er auf 35 Millimeter schwarzweiß gedreht war. Der hat viel, viel bewirkt, aber das waren alles nicht die Filme, die ich gemacht habe, die mich hätten nach Amerika bringen können, oder sagen wir, nach Hollywood, wenn man das also spezifisch bezeichnet, das war also nicht der Fall, aber mit diesem Film war es dann eben ... ging das los.
Und ich habe das überhaupt nicht vorhersehen können, und wir hatten ja auch bei den Dreharbeiten von dem "Boot" damals so unglaubliche Schwierigkeiten, wir haben ein Jahr lang ja gedreht - der war auf neun Monate, glaube ich, festgelegt, der Film, die Drehzeit, und dann ist ein ganzes Jahr draus geworden. Überhaupt stand in Frage, ob wir den Film überhaupt weiterdrehen können, weil er ja für damalige Verhältnisse mit Abstand das teuerste Projekt, was seit langer Zeit gedreht worden war, war.
Da brach uns zum Beispiel dieses Boot, was einem nachgebauten U-Boot von außen also völlig ähnlich sah - innen natürlich nicht, das haben wir im Atlantik gedreht, vor La Rochelle -, das brach auseinander, und aus diesen Trümmern ist dann noch wieder ein Boot zusammengeflickt worden, mit dem wir die ganze Schlusssequenz dann drehen konnten, wenn das Boot bombardiert wird, und so.
Also, es gab wahnsinnige Schwierigkeiten auch, aber wie gesagt, es hat dann ein ganzes Jahr gedauert, bis der Film, nur die Drehzeit also, fertig gewesen ist. Hinzu kommt natürlich die Vorbereitungszeit, hinzu kommt die ganze Post Production - wir konnten den Original-Sound, also den Ton, nicht verwenden, weil der Kameramann eine Spezialkamera kreiert hatte für diesen Film, also mussten wir diesen ganzen Film nachsynchronisieren. Ich würde sagen, ich habe mindestens zwei Jahre auch an dem Film zugebracht.
Karkowsky: Mit Petersen haben Sie früh gearbeitet - ich glaube, '73 war der erste "Tatort" mit ihm. Würden Sie sagen, er ist der Regisseur, der Sie für den Film entdeckt hat?
Prochnow: Das ist sicherlich der, der den ganz entscheidenden Einfluss auf mich hatte und mich sozusagen vom Theaterschauspieler zum Filmschauspieler bekehrt hat, wenn man das so sagen kann. Ich habe ja am Theater angefangen und war unendlich glücklich, als ich beim Theater gelandet war, und meine ganze Aufmerksamkeit und so galt dem Theater. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal Filmschauspieler werden würde, dass ich beim Film sozusagen ankommen würde, landen würde - ich bin gerne ins Kino gegangen, aber ich habe mir nie träumen lassen, dass ich selbst mal da oben auf der Leinwand zu sehen sein würde oder so, es stand für mich also gar nicht, überhaupt nicht zur Debatte.
Und dann habe ich den Wolfgang kennengelernt und habe mit ihm diesen "Tatort" gemacht, das war, glaube ich, 1972, und ich war zu dieser Zeit in Bochum bei Peter Zadek im Ensemble. Man kann - ich weiß nicht - 100 Jahre Theater spielen, man hat nie diese Aufmerksamkeit, die ich plötzlich mit diesem einen Tatort damals hatte. Da gab es ja nur zwei Sender, ARD, ZDF, und ich würde sagen, an die 80 Prozent der Bevölkerung - falls nicht mehr - haben dann diesen Tatort gesehen an dem Tag. Und ich war mit einem Schlag, war ich bekannt in Deutschland.
Karkowsky: Sie hören im Deutschlandradio Kultur: Jürgen Prochnow. Herr Prochnow, Sie wohnen in Los Angeles, Sie sind mittlerweile amerikanischer Staatsbürger. Sind Sie denn mittlerweile auch durch und durch Amerikaner?
Prochnow: Ich habe diese amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt in dem Augenblick, wo ich wusste, dass ich die deutsche behalten durfte. Ich habe die Beibehaltung beantragt, und die habe ich auch sofort bekommen, weil da lag mir sehr viel dran, sonst hätte ich die amerikanische Staatsbürgerschaft auch gar nicht beantragt.
Aber ich habe mir gedacht, wenn ich da drüben lebe und Steuern zahle, will ich auch wählen in dem Land und mich da wenigstens eben auch ausdrücken dürfen. Ich sage immer, da drüben ist mein Zuhause, und hier ist meine Heimat.
Karkowsky: Ihre Filmfiguren könnte man ja eher als konservativ bezeichnen, auch die neue, die sie spielen im ZDF-Film, einen pensionierten Richter, einen sehr harten, verbitterten Mann. Sind Sie selber ein Konservativer?
Prochnow: Ich glaube nicht, nein.
Karkowsky: Der Film heißt "Die Kinder meiner Tochter", läuft im ZDF. Sie spielen einen pensionierten Richter, der so Sätze spricht wie: Deshalb stirbt der Deutsche aus - die eine Hälfte sind Ausländer, die anderen homosexuell, und die holen sich dann Halbwilde als Kinder. Da haben Sie gerade ein lesbisches Paar beim Küssen gesehen mitten auf der Straße, und deren dunkelhäutiges Adoptivkind. Dieser Charakter entwickelt sich dann aber.
Prochnow: Und das ist eben die Chance, oder es ist Chance des Films, und ich hoffe, dass die Zuschauer diese Entwicklung mitgehen und das auch sehen, und dass es in gewisser Weise - wahrscheinlich nicht so schnell - aber auch in der Bevölkerung irgendwo einen Prozess auslöst, also jetzt unabhängig von meinem Film jetzt hier, der einfach mehr Verständnis für den anderen in Anführungsstrichen "aufbringt".
Karkowsky: Sie sind im Film Islamfeind.
Prochnow: Ich bin Islamfeind, und ...
Karkowsky: Die Tochter ist beim Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Prochnow: ... die Tochter ist beim Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und er hat sich von der Tochter ... seit 16 Jahren hat er sie nicht mehr gesehen, und sie hat einen Moslem geheiratet, hat zwei Kinder und stirbt bei einem Verkehrsunfall, und er kommt ins Krankenhaus, erfährt, dass seine Tochter tot ist und dass da zwei Enkel sitzen, um die er sich jetzt kümmern muss. Und durch die Liebe eigentlich zu den Kindern ändert sich dieser Mann ein bisschen.
Karkowsky: Der hat mich ein bisschen an "Gran Torino" von Clint Eastwood erinnert, auch von seiner Wandlung her des Charakters. Wollen Sie wie Clint Eastwood immer weiter machen, oder gibt es für Sie ein Ziel, dass Sie sagen: Jetzt ist mal ... irgendwann gehe ich in Rente?
Prochnow: Also das ist sicherlich nicht der Fall, solange ich mich wohlfühle, körperlich und geistig eben dazu in der Lage bin, will ich den Beruf weitermachen, weil es mir einfach noch Spaß macht. Es ist jetzt nicht so, dass ich sage, ich habe genug gespielt, ich habe die Nase voll, ich will aufhören, das ist nicht der Fall. Wenn schöne Angebote da sind so, mache ich das sehr, sehr gerne weiter.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.